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Die Hypothekenkrise: Lehrstück ohne Lehre?

Die Hypothekenkrise, die von zunehmenden Ausfällen bei zweitklassigen Hypothekarkrediten in den USA ausgelöst worden ist, zeigt: Im Zeitalter der globalisierten Finanzmärkte gibt es keine lokalen Krisen mehr. Unabhängig davon, wie das Ganze ausgeht und welches Ausmaß die gesamtwirtschaftlichen Kollateralschäden noch haben werden, sollten wir jetzt über den Tag hinaus denken. Die Frage nach Konsequenzen für die Finanzmarktregulierung und die Bankenaufsicht muss erlaubt sein.

Schließlich hat die Praxis der Subprime-Kreditvergabe und der damit verbundenen weltweiten Dispersion der Kreditrisiken das Finanzsystem und damit auch die Realwirtschaft an den Abgrund geführt. Allein das entschlossene Eingreifen der wichtigsten Zentralbanken in die Interbanken-Geldmärkte hat hier Schlimmeres verhindern können.

Ausgangspunkt der Hypothekenkrise

Der Ausgangspunkt der Hypothekenkrise ist der Primärmarkt für Eigenheimfinanzierungen in den USA. Hier sind in den letzten Jahren die Kredivergabestandards immer weiter gelockert worden. Auch Schuldner mit einem sehr niedrigen Kreditscore oder unzureichend nachgewiesenen Sicherheiten konnten zum Zuge kommen - und dies selbst dann, wenn sie nur über wenig Eigenkapital verfügten. Ihrem höheren Risiko entsprechend mussten sie freilich auch deutlich höhere Zinsen zahlen als Schuldner aus dem Prime-Segment.

In der Endphase des Kreditrausches wurden sogar Kredite an Arbeitslose ohne Sicherheiten vergeben - sogenannte Ninja-Loans: No Income, No Job or Assets. Gerade die Gruppe der Schuldner mit der geringsten Kreditwürdigkeit hat überdurchschnittlich viele Kredite mit weiteren risikoerhöhenden Merkmalen wie etwa einer variablen Verzinsung oder Vertragsstrafen für vorzeitige Tilgungen aufgenommen. In den USA wird diese Praxis von Verbraucherschützern unter dem Motto "Abusive Lending Practices" heftig kritisiert.

Das ging alles so lange gut, wie die Zinsen niedrig blieben, die Eigenheimpreise stiegen und die Konjunktur keine Ermüdungserscheinungen zeigte. Jetzt erleben wir gerade den Beginn des Zusammenbruchs dieses Kartenhauses. Immer mehr zweitklassige Schuldner sind nicht mehr in der Lage, ihre Hypotheken zu bedienen.

Das Center for Responsible Lending schätzt, dass von den zwischen 1998 und 2006 vergebenen Eigenheimkrediten im Subprime-Segment am Ende 19,4 Prozent in der Zwangsversteigerung enden werden. Die Exzesse bei der Kreditvergabe wurden erst möglich, weil die sich daraus ergebenden Risiken mit Hilfe von Finanzinnovationen wie Verbriefungen und Credit Default Swaps rund um den Globus verteilt werden konnten. Und daran waren auch deutsche Adressen beteiligt, darunter besonders öffentliche Banken.

Die Entwicklung eines Subprime-Segments für Hypothekarkredite setzt allein schon wegen der höheren regulatorischen Eigenkapitalanforderungen entwickelte Sekundärmärkte für den Risikotransfer voraus. Die Finanzmarktteilnehmer haben in den letzten Jahren eine breite Palette von Instrumenten entwickelt, die die Originatoren, also die Banken, die die Risikokredite ursprünglich vergeben hatten, in die Lage versetzt haben, einen großen Teil der entsprechenden Kredite oder der da-mit verbundenen Risiken aus ihren Kreditportfolios an den Kapitalmarkt zu verlagern. Inzwischen sind in den USA etwa 80 Prozent der Eigenheimkredite verbrieft, das heißt sie befinden sich nicht mehr in den Büchern ihrer Originatoren.

Risikotransfer durch Verbriefung und Versicherungsnahme

Der zunehmende Anteil verbriefter Darlehen hat zu einer Intransparenz der Verteilung der Kreditrisiken geführt. Die Auswirkungen von erhöhten Ausfallraten bei den unterliegenden Krediten sind kaum noch vorhersagbar und dies hat ganz erheblich zu der Verunsicherung an den Finanzmärkten beigetragen. Erstaunlicherweise haben private Hypothekenversicherungen keinen großen Beitrag zu der jahrelangen Kreditexpansion in den USA geleistet.

Unter anderem wegen der zunehmenden Konkurrenz durch sogenannte Piggyback Loans (zweitrangige Darlehen zur Finanzierung von Beleihungsausläufen oberhalb von 80 Prozent) stagniert das gezeichnete Neugeschäft der US-Hypothekenversicherungen seit 2004. Die Branche hat von der enormen Ausweitung des Subprime-Geschäftes also nicht profitieren können, obwohl auch sie Subprime-Darlehen gegen entsprechend höhere Prämien in Deckung nimmt. Solchen Versicherungsschutz haben andere aber billiger geboten.

Die zeitlich begrenzte Übertragung des Ausfallrisikos eines Kredits auf einen Dritten mittels Credit Default Swaps (CDS) kommt in ihren Auswirkungen auf die kreditgebenden Banken der Hypothekenversicherungsnahme sehr nahe. Die Zeichner der Risiken sind hier aber keine Versicherungen, sodass es ihnen im Zweifel an Erfahrungen im Management von Kreditrisiken und an Reserven für den Risikoausgleich mangelt. Es besteht mithin eine konkrete Gefahr der Zahlungsunfähigkeit bei Kumulation von Kreditausfällen, weil das Volumen der umlaufenden CDS-Kontrakte das der ihnen zugrundeliegenden Kreditgeschäfte inzwischen um ein Vielfaches übersteigt.

Mortgage Backed Securities und Derivate

Anders als bei einer Versicherungsnahme verschwinden die Kredite bei einem Whole Loan Sale oder einer Verbriefung in der Form von Residential Mortgage Backed Securities (RMBS) aus den Büchern der Banken und der Risikotransfer ist vollständig, es sei denn, der Originator hat Credit Enhancements eingeräumt. Die Zweckgesellschaften, die die Kredite in die Bücher nehmen und die damit gedeckten Anleihen begeben, sind im Vergleich zu Banken oder Hypothekenversicherungen allerdings kaum reguliert. Die bei der Bewertung der RMBS-Emissionen eingeschalteten Ratingagenturen können die Bankenaufsicht nicht ersetzen, weil sie eine ganz andere Aufgabenstellung haben. Auch sind Zweifel aufgekommen, ob sie nicht schon mit der Aufgabe der Kreditbewertung überfordert sind.

Mit dem Einsatz von Collateralised Debt Obligations (CDO) wird die Beziehung zwischen den unterliegenden Krediten und den Investoren noch eine Stufe indirekter und intransparenter. Es handelt sich hier um die Verbriefung von Kreditportfolios schlechter Qualität oder von risikoreichen RMBS-Tranchen in der Form von tranchierten Anleihen mit Voraushaftungsfunktion der niedrigeren Tranchen. Die Folge ist, dass die Ratingagenturen die höheren Tranchen trotz der schlechten Qualität der unterliegenden Hypotheken mit Noten von AA und besser bewerten. Die ganze Konstruktion ist auch für institutionelle Anleger so wenig durchschaubar, dass die Investoren auf Gedeih und Verderb dem Urteil der Ratingagenturen ausgeliefert sind.

Einen weiteren risikoerhöhenden Faktor bilden die Investmentaktivitäten von Asset-Backed-Security-Fonds und Zweckgesellschaften wie der Rhineland Funding der IKB, die in RMBS investieren und diese Investments kurzfristig, also nicht fristenkongruent, am Geldmarkt refinanzieren. Dabei handelt es sich um eine allen Regeln kaufmännischer Vorsicht widersprechende Schönwetterkonstruktion, die mögliche Prolongationsrisiken völlig ausblendet. Damit nicht genug sind die Investments oft mit enormen Fremdkapitalhebeln versehen, wodurch zusätzlich Zinsänderungsrisiken begründet werden. Ein weiterer Risikofaktor sind die kurzfristig kündbaren Liquiditätszusagen von Drittinstituten. Auf diesem Gebiet sind von der IKB und möglicherweise auch von anderen deutschen Instituten unverantwortliche Risiken außerhalb der Bilanz kreiert worden.

Mit den Conduit-Konstruktionen wur-de ein Transmissionsmechanismus geschaffen, der für eine prompte Übertragung der Hypothekenkrise auf den Geldmarkt gesorgt hat. Die in der zweiten Augustwoche aufgetretene Liquiditätsklemme im Interbankenhandel mit Zentralbankgeld war auch eine Folge von Trittbrettfahrerverhalten von Instituten mit Überschusspositionen, die nicht mehr zu Ausleihungen bereit waren - offenbar aus Angst, dass im Falle eines eigenen zukünftigen Liquiditätsbedarfs eine Kreditaufnahme nicht mehr möglich sein würde.

Die Auswirkungen dieser Liquiditätsklemme waren so gravierend, dass nur massive Liquiditätsspritzen verschiedener Zentralbanken die Finanzmärkte vor einem schockartigen Zusammenbruch bewahren konnten.

Liquiditätsspritze schafft Fehlanreize für die Zukunft

Diese Notoperationen der Zentralbanken könnten auf lange Sicht fatale Folgen haben, weil sie der geldpolitischen Leitlinie entgegenstehen. Davon abgesehen wurden mit den Liquiditätsspritzen Fehlanreize für die Zukunft ge-setzt. Eigentlich müsste das Finanzsystem so reguliert und beaufsichtigt sein, dass Situationen, in denen eine unbegrenzte Flutung des Geldmarktes mit Zentralbankgeld zur Sicherung des Zahlungsverkehrs nötig wird, gar nicht erst auftreten können. Hier ist nun aber ein Rahmen entstanden, in dem die Marktteilnehmer fast beliebig Risiken schaffen und umverteilen können - und dies stets in dem Bewusstsein, dass die Zentralbanken nötigenfalls den Liquiditätshahn aufdrehen. Dem muss ein Ende gesetzt werden.

Der Kreis schließt sich

Die besseren Möglichkeiten der Dispersion von Kreditrisiken, die mit der zunehmenden Verbreitung der modernen Verbriefungs- und Versicherungsinstrumente verbunden sind, haben erst die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Banken an den Primärmärkten für Eigenheimfinanzierungen so hohe Risiken eingehen konnten. Ohne die Finanzinnovationen hätte ein Subprime-Markt in den USA allein schon wegen der regulatorischen Eigenkapitalanforderungen für Risikokredite allenfalls in ganz kleinem Umfang entstehen können.

Für sich genommen ist das freilich noch kein Grund, die neuen Instrumente für den Transfer von Kreditrisiken zu verteufeln. Sie haben das Finanzierungssystem ohne Zweifel in die Lage versetzt, ein viel höheres Gesamtrisiko zu tragen. Vielen Risikokreditnehmern wurde zum Eigenheim verholfen, die sonst nicht zum Zuge gekommen wären. Aus ökonomischer Sicht sollte das Subprime-Segment aber nicht unbegrenzt ausgebaut werden, sondern nur so weit, bis die sozialen Grenzkosten (ausgeprägte Immobilienpreiszyklen, gesamtwirtschaftliche Risiken, städtebauliche und soziale Folgen) dem sozialen Grenznutzen aus der Steigerung der Wohneigentumsquote gerade entsprechen. Es gibt also ein ökonomisches Argument für Eingriffe des Gesetzgebers oder der Bankenaufsicht mit dem Ziel, den Risikotransfer in geordnete Bahnen zu lenken, um die damit verbundenen Marktrisiken zu internalisieren. Die sozialen Kosten der Kreditexpansion sind nämlich größtenteils nicht von ihren Verursachern zu tragen.

Die wachsenden Kreditausfälle im Sub-prime-Segment wirken sich auf den Immobilienmarkt in der Weise aus, dass sich das Angebot an Eigenheimen aus dem Bestand erhöht und damit die Eigenheimpreise fallen. Dies zieht striktere Kreditvergabebedingungen nach sich, außerdem sinkt die Bereitschaft, sich für ein Eigenheim zu verschulden, wenn sich die Erwartung fallender Preise bei den potenziellen Hauskäufern einmal durchgesetzt hat. Beide Effekte beschleunigen die Tendenz zu fallenden Preisen.

Die Märkte stehen derzeit erst am Anfang der Korrektur der übertriebenen Preissteigerungen der vergangenen Jahre. Der Case-Shiller-Hauspreisindex, der die nominale Preisentwicklung für den Wiederverkauf von Eigenheimen in den Metropolregionen der USA abbildet, war von Januar 1995 bis Juni 2006 kontinuierlich Monat für Monat um insgesamt 195 Prozent gestiegen. Bis März 2007 ist der Index erst um drei Prozent gefallen.

Die Raiffeisen Zentralbank rechnet im weiteren Verlauf der Korrektur mit einem durchschnittlichen Rückgang der nominalen Hauspreise um bis zu zehn Prozent pro Jahr. Die aktuelle Entwicklung hat gezeigt, dass mit den zunehmenden Forderungsausfällen am Primärmarkt vielfältige Risiken verbunden sind, die weit über den Immobilienmarkt und die Finanzwirtschaft hinausreichen.

Gesamtwirtschaftlich bedeutsam ist auch der Vermögenseffekt fallender Hauspreise. Die Eigenheimbesitzer fühlen sich ärmer und sie konsumieren weniger. Die Krise kann so auf das Wirtschaftswachstum und die Arbeitsmärkte durchschlagen. Für die Stärke der gesamtwirtschaftlichen Effekte ist die Psychologie entscheidend. Die Angst, sein Eigenheim nicht halten zu können, wirkt ansteckend.

Die anziehenden Risikoprämien in den Zinsen können die gesamtwirtschaftliche Investitionstätigkeit und die Entwicklung der Aktienkurse negativ beeinflussen. Die Märkte sind verstört, weil sie in einer Ecke die Risiken völlig falsch eingeschätzt hatten und nun herrscht die Angst vor, dass dies auch an anderen Märkten der Fall sein könnte, beispielsweise bei risikoreichen Unternehmensanleihen und bei den Anleiheemissionen der Private-Equi-ty-Fonds. Inzwischen sind längst auch Kreditverbriefungen unter Druck geraten, die mit dem eigentlichen Krisenherd nichts zu tun haben. Weite Teile des ABS-Markts gelten derzeit unabhängig von der Art der unterliegenden Forderungen als ausgetrocknet.

Einen weithin übersehenen Risikofaktor stellen die überhitzten Immobilienmärkte in Spanien, Großbritannien und Irland dar. Wenn auch diese Märkte kippen, werden die Finanzmärkte mit weiteren Kreditausfällen auf breiter Front konfrontiert. Großbritannien und Irland haben hochentwickelte Subpri-me-Märkte und in Spanien gelten die Immigranten als Risikogruppe. Die drei Länder haben seit Mitte der neunziger Jahre nicht nur die größte Kreditexpansion, sondern auch die höchsten Steigerungsraten bei den Eigenheimpreisen in Europa erlebt. Erste Krisenzeichen sind unübersehbar.

So hat die Zahl der Zwangsvollstreckungen in Großbritannien im ersten Halbjahr 2007 um 30 Prozent zugenommen. Der spanische Markt gilt als völlig überhitzt. Auch die Primärmärkte in Australien und Südkorea könnten für weitere Kreditausfälle sorgen.

Wie geht es weiter?

Die Prognosen der verschiedenen Marktbeobachter und Analysten über den weiteren Verlauf der Hypothekenkrise waren bis zuletzt von Beruhigungsprosa geprägt. Als entscheidend für den Krisenverlauf wird sich die Robustheit des makroökonomischen Umfelds erweisen. Glücklicherweise befinden wir uns in einer Phase weltwirtschaftlichen Wachstums.

- Der Best Case wäre eine weiche Landung der überhitzten Immobilienmärkte begleitet von einer verkraftbaren Zahl von Zwangsvollstreckungen. Dieses Szenario setzt aber ein stetiges Wirtschaftswachstum ohne inflationäre Verspannungen voraus.

- Der Worst Case würde im Falle eines krisenverschärfenden makroökonomischen Umfelds eintreten. Nach den Erfahrungen aus vergangenen Zyklen können wir uns auf bis zu 15 Prozent notleidender Kredite im US-Subprime-Segment einstellen. Am schlimmsten wäre eine Stagflation, bei der gleichzeitig die Arbeitslosigkeit und die Inflation zunimmt. In diesem Fall würden die anfälligen Kreditnehmer wie die Dominosteine fallen, denn etwa 40 Prozent der Subprime-Kredite sind variabel verzinslich.

Außerdem müssen wir die Möglichkeit einkalkulieren, dass bei einer Salve unerwarteter schlechter Nachrichten aus dem Umfeld der Hypothekenkrise erneut eine selbstzerstörerische Panik unter den Marktteilnehmern ausbricht. Es wird also ein Lauf auf des Messers Schneide.

Die Entwicklung eines deutschen Subprime-Marktes

Die Wahrscheinlichkeit, dass auf mittlere Sicht auch in Deutschland ein Subpri-me-Markt für private Hypotheken entsteht, ist trotz dieser Erfahrungen sehr hoch. Die in Deutschland tätigen Banken beherrschen die Technik des Kreditrisikotransfers, doch bislang wird noch nicht erwartet, dass die Eigenheimpreise auf breiter Front steigen. Möglicherweise mangelt es auf der Seite der deutschen Kreditnehmer auch an entsprechender Nachfrage nach Risikofinanzierungen. Denn die Deutschen haben eine andere kulturelle Einstellung zum Eigenheimgedanken als etwa die Briten. Man wird bei uns nicht sozial stigmatisiert, wenn man zur Miete wohnt.

Auf Seiten der Kreditgeber ist aber ein beginnender Einstellungswandel gegenüber risikoreicheren Kreditprodukten zu erkennen. Vollfinanzierungsprodukte werden inzwischen nicht mehr allein von ausländischen Häusern angeboten. Die kreditgebenden Banken stehen dabei in der Verantwortung, sich ihre Schuldner und deren Bonität und Belastbarkeit individuell genau anzusehen. Die Gefahr ist, dass in Zukunft die bewährten Standards der Prüfung der persönlichen Bonität wegen der verbesserten Möglichkeiten des Risikotransfers zu weit gelockert werden.

Die Entwicklung eines deutschen Subprime-Segments hätte auch große Vorteile. Wir würden damit ein gewaltiges Konjunkturprogramm auflegen. Die Finanzierer, die Bauwirtschaft, Projektentwickler, Makler, Notare und Sachverständige würden profitieren. Außerdem könnte die Wohneigentumsquote angehoben werden, wenn neue Zielgruppen für den Hypothekarkredit gewonnen werden könnten.

Auf der anderen Seite würden wir uns damit für die Zukunft stärkere Schwankungen der Eigenheimpreise einhandeln. Deren bislang sehr stabile Entwicklung war für die Kreditnehmer unter dem Strich vorteilhaft. Anders als etwa in Großbritannien war in Deutschland der Zeitpunkt des Markteintritts nicht entscheidend. Außerdem sind wegen der stabilen Preisentwicklung bei uns bislang auch nur vergleichsweise wenige Fälle mit negativem Eigenkapital aufgetreten. Nicht zuletzt sprechen auch mögliche gesamtwirtschaftliche Ansteckungsrisiken und Argumente des Verbraucherschutzes gegen allzu lockere Kreditvergabestandards.

Müssen der Gesetzgeber oder die Bankenaufsicht eingreifen, wenn sich in Deutschland ein Subprime-Markt entwickelt? Sollte man nicht verhindern, dass risikoreiche Eigenheimkredite oder die damit verbundenen Risiken am Ende bei spekulativ engagierten Hedgefonds oder Conduits landen? Handelt sich hier nicht um Erscheinungsformen von Aufsichtsarbitrage?

Handlungsbedarf für den Gesetzgeber und die Bankenaufsicht

Wer diese Fragen mit Ja beantwortet, könnte daran denken, unter den möglichen Adressaten des Risikotransfers eine qualitätsmäßige Selektion vorzunehmen. Ein eingehegter Markt für die Verbriefung von Risikokrediten könnte nach dem Vorbild der in den USA angewendeten Verbriefungsstandards von Fannie Mae und Freddie Mac funktionieren. Diese beiden Institute kaufen im öffentlichen Auftrag Ei-genheimkredite an und verbriefen sie anschließend. Bei Darlehen mit einem höheren Beleihungsauslauf als 80 Prozent ist es allerdings obligatorisch, dass diese Darlehen durch primäre Hypothekenversicherungsnahme gedeckt sind.

Man könnte die Zulässigkeit der (tatsächlichen oder synthetischen) Verbriefung von privaten Hypothekendarlehen ebenso wie die des Transfers der damit verbundenen Risiken grundsätzlich auf Darlehen mit einem Beleihungsauslauf von nicht mehr als 80 Prozent beschränken. Auszunehmen von dieser Regelung wären lediglich Darlehen, die durch eine primäre Hypothekenversicherung gedeckt sind. Auf diese Weise könnte man die Ansteckungsrisiken aus der Entwicklung eines Subprime-Marktes wirksam begrenzen. Aber selbst wenn man solche Vorkehrungen trifft, muss mit präventiv wirkenden Maßnahmen der Anteil der notleidend werdenden Kredite zweitklassiger Bonität möglichst niedrig gehalten werden. Die Politik und die Kreditwirtschaft haben hier eine moralische Verpflichtung gegenüber den Schuldnern.

Als Voraussetzung für weitere Schritte zur Lockerung der Anforderungen an die persönliche Bonität der Kreditnehmer müsste die Politik in Zusammenarbeit mit der Kredit- und der Versicherungswirtschaft ein Präventionsprogramm zur individuellen Begrenzung der mit einer Eigenheimfinanzierung verbundenen Risiken auf den Weg bringen. Die einzelnen Bausteine des Risikomanagements müssen unmittelbar bei den unterliegenden Risiken ansetzen.

Dieses Präventionsprogramm müsste nicht nur finanzerzieherisch wirken, sondern auch mit finanziellen Anreizen ausgestattet werden. Die Kreditgeber ihrerseits sollten die zwangsweise Verwertung des Eigenheims nur als letztes Mittel ansehen. Die Kreditvergabestandards könnten in einem Responsible Lending Code festgehalten werden.

Es sollten nur solche Kredite vergeben werden, die auch dann, wenn persönliche oder sonstige Risiken schlagend werden, bedient werden können. In diesem Zusammenhang wäre insbesondere auf ausreichenden Versicherungsschutz und die Einhegung des Zinsänderungsrisikos zu achten - dies freilich in dem Bewusstsein, dass es 100-prozentige Sicherheit nicht geben kann.

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