Mipim Special

Der Immobilienstandort Türkei aus Investorensicht

Es ist an der Zeit sich von einigen vorgefassten Meinungen über das Land an der Schnittstelle zwischen Orient und Okzident zu verabschieden. Das Land hat sich zu einem der weltweit erfolgreichsten Wachstumsmärkte gewandelt - ein Tigerstaat Europas. Dabei sind der Weitblick, die nüchterne Analyse, die strukturierte Planung und vor allem die Umsetzungsgeschwindigkeit, mit der die Türkei ihre Visionen und Ziele umsetzt, beeindruckend.

Wirtschaftswunder unter dem Halbmond

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wuchs zwischen 2001 und 2011 im Schnitt um nominal 11,6 Prozent per annum gemessen in US-Dollar (Quelle: IMF). Zwar hat die türkische Wirtschaftsentwicklung im Jahr 2012 ebenfalls die Folgen der globalen Wirtschaftsflaute erlebt. Dennoch konnte ein Wachstum von plus 3,6 Prozent erzielt werden. Die Inflation bleibt als Folge des starken Wachstums weiterhin eine Herausforderung. Ein Balanceakt, den der Zentralbankchef Erdem Bas¸çi mit teils unkonventionellen Maßnahmen so erfolgreich ausübt, dass er vom renommierten Financial-Times-Fachmagazin "The Banker" zum weltweit besten Zentralbankchef des Jahres 2012 gewählt wurde. Die Zentralbank hält für 2013 eine Inflationsrate von 5,0 bis 5,3 Prozent für möglich.

Die Staatsverschuldung der Türkei lag im Jahr 2012 mit rund 37 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (Quelle: IMF) in einem gesunden Bereich. Mancher EU-Staat würde sich freuen, wenn er alleine das geltende Maastricht Kriterium mit seiner Höchstgrenze von 60 Prozent in naher Zukunft wieder erreichen könnte. Mit Blick auf ihre Wirtschaftskraft belegt die Türkei inzwischen weltweit Platz 16, nur fünf Länder Europas konnten sich besser positionieren.

Eine Herausforderung bleibt für die Türkei das Handelsbilanzdefizit. Nach wie vor importiert das Land mehr Güter und Dienstleistungen, als es exportiert. Wesentliche Gründe hierfür sind die hohe Nachfrage insbesondere nach westlichen Konsumgütern und der Import von Vorprodukterzeugnissen zur Endfertigung im eigenen Land. Der notwendige Energiebedarf wird zudem in hohem Maße durch Importe gedeckt. Beides Aspekte, die auch die Inflation schüren.

Als erste Lösungsansätze gelten: Das Wachstum muss weniger volatil aber nachhaltig (auf vergleichsweise hohem) Niveau erfolgen, der Zufluss von weiterem spekulativen Geld muss eingeschränkt, zugleich aber der Kaufkraftentwertung über hohe Zinsen entgegengewirkt werden. Zudem bemüht sich die Türkei seit Jahren um die Sicherung ihres eigenen Energiebedarfs und hat dazu das gigantische Südostanatolien-Projekt auf die Beine gestellt.

Das bislang größte Entwicklungsprojekt des Landes sieht die Errichtung von 22 Staudämmen, 19 Wasserkraftwerken und Bewässerungstunneln vor. Zudem ist der Bau von zwei Atomkraftwerken geplant. Diese Anstrengungen zur Verbesserung der Handelsbilanz tragen inzwischen erste Früchte. Lag das Handelsbilanzdefizit Anfang 2012 noch bei rund zehn Prozent, so liegt es inzwischen bei etwa sieben Prozent des Bruttoinlandsproduktes.

Rahmenbedingungen für Investoren

Die Ratingagentur Fitch hat im November 2012 die erfolgreichen Anstrengungen der Türkei honoriert und das Land auf Investmentstatus hochgestuft. Gelobt wurden insbesondere die investorenfreundlichen Rahmenbedingungen. Beim Thema Rechtssicherheit ist die Türkei beispielsweise den BRIC-Ländern (Brasilien, Russland, Indien und China) um Jahrzehnte voraus. Ein dem deutschen System vergleichbares Grundbuch existiert seit über 150 Jahren. Es herrscht in wesentlichen Teilen das Schweizer Obligationenrecht, das Handelsgesetz ist dem deutschen HGB angelehnt und das türkische BGB besteht zu 90 Prozent aus dem deutschen BGB. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist insbesondere in Wirtschafts- und Eigentumsfragen gegeben.

Auch politisch hebt sich die Türkei von anderen Wachstumsmärkten ab. Die regierende AKP wird unternehmerisch geführt. So müssen die Bürgermeister der Türkei halbjährlich zum Rapport nach Ankara und darlegen, in welcher Weise sie ihrem Land und den Bürgern gedient haben. Maßstab hierfür sind unter anderem die erfolgten Infrastrukturmaßnahmen, wie die Errichtung öffentlicher Einrichtungen und der Bau von Straßen. Aus diesem Grund ist es auch kein Wunder, dass im Baugenehmigungsplan-Verfahren die Gemeindevertreter für ihre Interessen eintreten und Genehmigungen an den Bau von Schulen, Straßen, Brücken oder Parks knüpfen. Finanziert durch das investierende Kapital und dokumentiert in offiziellen Verträgen.

Wie skizziert, ist die langfristige Stabilität des Zuflusses ausländischer Direktinvestitionen ein wichtiges Ziel für die Türkei. Die türkische Regierung hat im letzten Jahr ein neues Gesetz verabschiedet, das es Ausländern in Zukunft leichter machen soll, Immobilien in der Türkei zu erwerben. Es dürfen nunmehr von Ausländern direkt bis zu 30 Hektar Land (statt bislang 2,5 Hektar) erworben werden. Dies lockt auch verstärkt Kapital aus den Golf-Regionen an, die bislang in der Türkei in reinen Immobilieninvestitionen unterrepräsentiert waren.

Demografie und Wohnungsbau

Die türkische Gesellschaft ist weit von einer Überalterung entfernt. Das Durchschnittsalter liegt bei 28,5 Jahren, über 50 Prozent sind unter 30 Jahre alt. Mit mehr als 75 Millionen Einwohnern stellt die Türkei Europas zweitgrößte Bevölkerung nach Deutschland. Bei der aktuellen Wachstumsrate von jährlich rund einem Prozent wird die Türkei bereits bis 2020 Deutschland als bevölkerungsreichstes Land Europas ablösen. Die Geschwindigkeit des Bevölkerungswachstums nimmt jedoch langsam ab. So war der Zuwachs der Geburtenrate im Jahr 2012 gegenüber dem Vorjahr mit 0,12 Prozent rückläufig, ein Trend wie er in Industrieländern zu verzeichnen ist.

Dabei konzentriert sich das Wachstum insbesondere auf die Städte. So haben bereits zwölf Städte der Türkei mehr als eine Million Einwohner. Auch in der Türkei steigt die Scheidungsrate kontinuierlich an und das Single-Dasein ist beliebter denn je. Neue Wohnungen werden benötigt, das gilt insbesondere für die Großstädte. Die Öffnung der Märkte und die vereinfachte Investition in Immobilien für ausländisches Kapital treibt dabei zusätzlich die Entwicklung im Wohnsektor an.

Konstanter Konsum - Chancen für Einzelhandelsimmobilien

Aktuell existieren rund 300 Shoppingcenter mit 108 Quadratmeter Einzelhandelsfläche pro 1 000 Einwohner in der Türkei. Damit liegt das Land weit unter dem EU-Durchschnitt von rund 185 Quadratmetern. Der Konsum in einzelhandelsrelevante Güter beläuft sich in der Türkei auf rund 45 Prozent der gesamten Konsumausgaben (3. Quartal 2012: 76 Milliarden US-Dollar). Diese Quote ist in der Türkei erstaunlich konstant. Normalerweise schwanken Konsumausgaben in Abhängigkeit vom Bruttoinlandsprodukt recht deutlich.

Problematisch ist jedoch das viel zu geringe Angebot an modernen Einzelhandelsimmobilien. Die meisten existierenden Shoppingcenter entsprechen nicht den Anforderungen von institutionellen Investoren. Zudem sollten die Einzelhandelszentren in puncto Layout und Flexibilität der vierten Generation an Shoppingcentern entsprechen. Nur der hoch frequentierte Standort, verbunden mit dem besseren Konzept, optimalen Branchen-Mieter-Mix und Stateofthe-Art Center-Management wird sich langfristig durchsetzen. Genau diese Kriterien sind für eine Investitionsentscheidung unabdingbar, da das türkische Planungsrecht keinerlei Schutzmechanismen vorsieht. Der Wettbewerber kann problemlos das doppelt so große Shoppingcenter an der gegenüberliegenden Kreuzung errichten. Qualität ist deshalb für den langfristigen Erfolg absolut entscheidend.

Auf 100 Prozent Eigenkapitalbasis liegen Einzelhandels-Projektentwicklungen bei einer Eingangsrendite zwischen neun und zwölf Prozent, in Ausnahmefällen bei 14 Prozent. Mit 50 Prozent Fremdkapital, das aufgrund der Bankenmarge bei langfristigen Finanzierungen recht hoch ist, sind dank des Leverage-Effektes mittlere jährliche Renditen von 15 bis 20 Prozent in einem Fünf-Jahres-Anlagehorizont darstellbar. Internationale Anleger konzentrieren sich auf Büroimmobilien in Istanbul und dort fast ausschließlich auf den "Central Business District" von Maslak und Levent auf der europäischen Seite. Das Gesamtangebot von Top-Büroimmobilien (Grade A) beträgt für die 13-Millionen-Metropole am Bosporus nur rund 2,2 Millionen Quad ratmeter. Das entspricht etwa dem Büroflächenbestand von Prag, wobei die tschechische Hauptstadt nur etwa zehn Prozent der Einwohner von Istanbul hat. Innerhalb der nächsten fünf Jahre dürften rund 1,35 Millionen Quadratmeter Büroflächen hinzukommen. Aktuell sind bereits 0,55 Millionen Quadratmeter im Bau.

Hochwertige Büroimmobilien stark nachgefragt

Die Absorptionsrate bei neuwertigem Angebot ist hoch. Diese Büroflächen werden meist gekauft und nicht gemietet. Floorby-Floor-Käufe von Büroflächen über Teileigentum sind die Regel, denn darin liegt die Rendite für Projektentwickler. Abnehmer für diese Art von Büroflächen sind eher türkische Unternehmer und weniger die großen internationalen Konzerne, die eine Repräsentanz in der Türkei suchen.

Das Land zwischen Mittelmeer und Schwarzem Meer glänzt in Bezug auf den Immobilienmarkt mit überdurchschnittlich hohen Renditen, wie man es in einem Wachstumsmarkt erwartet. Die Rahmenbedingungen für Investitionen sind hingegen schon lange nicht mehr auf dem Niveau eines Schwellenlandes. Das Rechtssystem ist bereits jetzt auf dem Niveau westeuropäischer Länder. Triebkraft für die positive Entwicklung am Bosporus ist und bleibt aber die dynamische Wirtschafts- und Bevölkerungsentwicklung. Dabei schafft die Türkei mit entsprechenden Rahmenbedingungen Stabilität und Vertrauen für internationales Kapital. Und sie handelt, statt abzuwarten.

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