Immobilien und Genossenschaften

Zur Industrialisierung der Immobilienfinanzierung

Treue sei die "schönste und menschlichste Eigenschaft", heißt es bei Goethe. Bei der Bindung an ihre Hausbank scheinen die deutschen Kunden ihr Wertesystem aber neu zu ordnen. "81 Prozent der Kunden im Retailmarkt denken über eine Änderung der Bankverbindung nach", hat die Beratungsgesellschaft Deloitte 2006 ermittelt. Gerade im Bereich der privaten Immobilienfinanzierungen haben neue Anbieter den Kampf um die Gunst der Kunden verschärft.

Verschärfter Wettbewerb durch neue Anbieter

Aufgrund der langen Laufzeiten und des interessanten Cross-Selling-Potenzials ist die Baufinanzierung aus Sicht der Direktbanken und anderer neuer Marktteilnehmer für ihre Vertriebsoffensive im deutschen Markt besonders gut geeignet. Hierfür versehen sie ihre Angebote mit besonders günstigen Kreditkonditionen. Und das geht zu Lasten der traditionellen Finanzierer: Laut der 2005 veröffentlichten Untersuchung von Prof.Dr.Klaus Fleischer von der Fachhochschule München soll bis 2010 "der Marktanteil der Filialbanken im Bereich der Baufinanzierung von derzeit 70 Prozent auf 50 Prozent sinken. "

Die Preisoffensive der Direktbanken und unabhängigen Finanzierungsplattformen trifft die traditionellen Finanzierer zu einer Zeit, während der die Kreditmargen bereits aufgrund des anhaltenden Zinstiefs unter Druck stehen. Zusätzlich stellen zunehmende gesetzliche Verpflichtungen das Kreditgeschäft vor neue Herausforderungen: So haben Basel II und die Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) für zusätzlichen Personalbedarf in Markt und Marktfolge gesorgt.

Doch wer im Konditionenwettstreit der Finanzierer seinen Marktanteil bewahren möchte, der hat keine Möglichkeit, die gestiegenen Aufwände in Form höherer Kosten auf die Kunden umzulegen. Statt dessen erfordert der Wettbewerbsdruck eine noch stärkere Konzentration auf den Kunden. Fast neun von zehn Entscheidern in den deutschen Banken geben an, "in den kommenden drei Jahren in die persönliche Kundenberatung investieren" zu wollen, so die Bankenbefragung im Rahmen des "Branchenkompass Kreditinstitute" von Steria Mummert Consulting.

Kredit-Outsourcing im Wachstum

Immer mehr Banken erkennen die Industrialisierung und teilweise Auslagerung ihrer Kreditprozesse als wichtigen Ausweg aus der Kosten-Ertragskrise und als Mittel, ihren Fokus auf die Kundenbindung undgewinnung zu verstärken.

Laut der Studie "Der KMU-Kreditprozess der Zukunft" des Frankfurter E-Finance Lab aus dem Jahr 2005 sehen 91 Prozent der für die Kreditvergabe verantwortlichen Führungskräfte der Finanzwirtschaft "den derzeitigen Trend zum Kre-dit-Outsourcing als den Anfang einer substanziellen Bewegung". Banken, die ihre Kreditprozesse an ein spezialisiertes Transaktionsinstitut auslagern, flexibilisieren und senken ihre Bearbeitungskosten. Unabhängig von Nachfrageschwankungen, wie sie im stark saisonal beeinflussten Geschäft mit der Baufinanzierung die Regel sind, sichern sie sich gleichzeitig eine verbindlich hohe Bearbeitungsqualität.

Industrielle Prinzipien und Individualität in der Kundenbeziehung scheinen sich auf den ersten Blick zwar auszuschließen. Die in den Kreditwerk-Projekten gewonnenen Erfahrungen zeigen aber gerade, dass standardisierte und automatisierte Prozesse zusätzliche Kapazitäten für die individuelle Betreuung von Kundenwünschen in den Banken schaffen.

Für den genossenschaftlichen Finanzverbund bedeutet dies, dass Volksbanken und Raiffeisenbanken durch strategische Outsourcing-Entscheidungen ihre besonderen Stärken, die Kundennähe und das starke Filialnetz, noch stärker ausspielen können. Auf diese Weise wird Outsourcing zum Mittel der aktiven Kundenbindung.

Auch für Außenstehende offen

Der genossenschaftliche Finanzverbund hat die Zeichen der Industrialisierung im Kreditgeschäft frühzeitig erkannt. Im Jahr 2000 gründeten die Deutsche Genossenschafts-Hypothekenbank (DG Hyp), Hamburg, und die Bausparkasse Schwäbisch Hall das Kreditwerk. Heute ist dieses mit einem Volumen von 7, 8 Millionen Krediten und Bausparverträgen die größte deutsche Kreditfabrik. Anteilseigner sind die Bausparkasse Schwäbisch Hall (60 Prozent) und die DZ Bank, Frankfurt am Main (40 Prozent).

Das Kreditwerk erbringt Processing- und Beratungsdienstleistungen für die beiden Gründungsunternehmen sowie für Volksbanken und Raiffeisenbanken. Über das Tochterunternehmen Kreditwerk Hypotheken-Management, Mannheim, das seit Januar 2006 zum Kreditwerk gehört, bietet die Kreditfabrik ihre Dienstleistungen auch außerhalb des genossenschaftlichen Finanzverbunds an. Bereits zum Zeitpunkt der Kredit-werk-Gründung wurde als Teil des strategischen Auftrags der Kreditfabrik definiert, dass diese ihr Angebot langfristig auch auf dem Drittmarkt anbieten soll. So wird sichergestellt, dass die angeschlossenen Volksbanken und Raiffeisenbanken auch dauerhaft die attraktiven Skalen- und Synergieeffekte erzielen, die die Zusammenarbeit mit einer Kreditfabrik interessant machen.

Processing-Vorbilder im Verbund

Gleichzeitig wird durch die Wachstumsperspektiven der Kreditfabrik auf dem Drittmarkt die Kooperation mit dem Kreditwerk auch auf lange Sicht auf eine wirtschaftlich stabile Basis gestellt. Dass die Zukunft der Transaktionsinstitute in der säulenübergreifenden Zusammenarbeit liegt, haben vor dem Kreditwerk bereits zwei andere Ver-bund-Unternehmen erfolgreich vorgemacht.

Die Deutsche Wertpapierservice Bank AG und das genossenschaftliche Transaktionsinstitut für Zahlungsverkehrsdienstleistungen haben sich im Bereich der Wertpapierabwicklung und des Zahlungsverkehrs ebenfalls unter den Marktführern etabliert. Durch das Zusammengehen des Transaktionsinstituts mit der niederländischen Gesellschaft für Zahlungsverkehr Interpay wird die gemeinsame neue Gesellschaft Equens ab Mitte 2007 voraussichtlich rund zehn Prozent des europäischen Transaktionsmarktes abdecken.

72 Prozent der Banken erwarten, so die Studie des E-Finance Labs, dass Kreditfabiken "den Kreditprozess künftig wesentlich stärker als heute prägen werden". Dennoch setzt sich die Outsourcing-Welle im deutschen Finanzmarkt nur langsam in Bewegung. Der Hauptgrund für die Zurückhaltung der Banken liegt, so belegen verschiedene Bankenbefragungen, in der Furcht vor Abhängigkeit von dem Outsourcing-Anbieter. Auch die Sorge vor Qualitätseinbußen und die Befürchtung, dass in Aussicht gestellte Kostenvorteile sich durch die Auslagerung möglicherweise doch nicht realisieren lassen, sind Barrieren, die zwischen Bank und Kreditfabrik stehen können.

Um diese Vorbehalte zu überwinden, gibt es aus Sicht des Kreditwerks verschiedene Erfolgsvoraussetzungen für eine funktionierende Outsourcing-Partnerschaft. Zum einen kann der Klient sich die Kostenvorteile einer Kreditfabrik erst dann in vollem Umfang zu Nutze machen, wenn der Dienstleister über ein anforderungsgemäßes Preismodell verfügt. Im Kreditwerk wird dieser erste Erfolgsfaktor durch ein Preismodell verwirklicht, das sich an den Prinzipien von Freiheit, Transparenz und Fairness orientiert:

- Das Prinzip der Freiheit spiegelt sich im Verzicht auf Abnahmeverpflichtungen wider.

- Mit der leistungsgerechten Abrechnung wird das Prinzip der Transparenz verwirklicht.

- Und zugunsten der Fairness werden alle Klienten bei der Vergütung gleich behandelt - jeweils unter Berücksichtigung der Mengen, der Vorleistungen des Klienten und der jeweils gemeinsam mit der Bank abgeschlossenen Servicevereinbarungen.

Zweiter wichtiger Erfolgsfaktor ist aus Sicht des Kreditwerks ein professionelles Service Level Management. Durch die zwischen Banken und Outsourcing-Dienstleister abgestimmten Servicevereinbarungen werden die Qualitätsvorteile der Kreditfabrik für den Klienten zur messbaren Größe. Im Kreditwerk beinhalten diese Vereinbarungen Übereinkünfte zu Qualitätsstandards, dem Umfang der Serviceleistungen und den Bearbeitungszeiten.

Kooperation mit Rechenzentralen erleichtert Outsourcing

Als dritter wichtiger Erfolgsfaktor ist das professionelle Management der IT-Schnittstellen hervorzuheben. Kreditfabriken können ihren potenziellen Klienten die Angst vor der technischen Abhängigkeit nehmen. Hierfür müssen sie die Banken davon überzeugen, dass die Zusammenarbeit mit der Kreditfabrik technisch genau so unkompliziert aufgenommen werden kann, wie es jederzeit unproblematisch möglich ist, sie zu beenden.

Um den Volksbanken und Raiffeisenbanken eine technisch reibungslose Zusammenarbeit zu ermöglichen, kooperiert das Kreditwerk mit den beiden genossenschaftlichen Rechenzentralen GAD und Fiducia. Durch die Integration der Kreditwerk-Prozessstraße in die Bank-IT-Systeme der beiden Rechenzentralen, Bank 21 und Agree, können Genossenschaftsbanken voraussichtlich ab Mitte 2007 ihre Kreditbearbeitung noch einfacher und mit minimalem Einrichtungsaufwand aufnehmen. Der Zeitplan für die Kooperation wurde mit den Roll-out-Plänen der Rechenzentralen für die neuen Bankarbeitsplätze synchronisiert.

Laut der Studie "Bank & Zukunft 2006" des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation sind 77 Prozent der Befragten "der Meinung, dass die Banken verstärkt industrielle Ansätze verfolgen" sollten, 55 Prozent planen, durch Maßnahmen zum Pro-zess-Outsourcing "die Fokussierung auf die Kernkompetenz Vertrieb" zu erreichen. Doch auch wenn das Outsourcing von Kreditprozessen zunehmend an Dynamik gewinnt, gehört zur Industrialisierung der Kreditbearbeitung viel mehr als nur ihre Auslagerung an Spezialisten.

Noch Hausaufgaben vor Ort erledigen

Voraussetzung für ein erfolgreiches Outsourcing-Projekt ist stets die Standardisierung der hauseigenen Prozesse. Volksbanken und Raiffeisenbanken haben darum im Rahmen des Beratungsangebots für Genossenschaftsbanken die Möglichkeit, die Processing- und Kreditkompetenz der Kreditfabrik auch unabhängig von einem Outsourcing zu nutzen. Die Erfahrung zeigt, dass Banken durch die Umsetzung der vom Kreditwerk vorgeschlagenen Optimierungsmaßnahmen ihre Bearbeitungskosten bereits im Vorfeld eines Outsourcings um 15 bis 20 Prozent senken.

Zudem erhält die Bank durch die Ermittlung der Prozesszeiten und der durchschnittlichen Bearbeitungskosten pro Kredit eine umfassende Standortbestimmung und eine Ausgangsbasis für die eigene Outsourcing-Entscheidung. Die Studie des Frankfurter E-Finance Labs ergab: Nur knapp vier Prozent der Führungskräfte in den deutschen Banken sind voll zufrieden mit ihren Kreditprozessen. Für das Kreditwerk und seine Berater gibt es also noch viel zu tun.

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