Schwerpunkt Wohneigentum

Inflationsangst trübt den Blick von Immobilieninvestoren

Sowohl bei privaten wie auch bei institutionellen Investoren gewinnt der Inflationsschutz als Argument für Immobilienanlagen immer stärker an Gewicht. Ergebnisse mehrerer Umfragen belegen eine zunehmende Inflationssensibilität der Investoren. Dies ist verständlich vor dem Hintergrund tatsächlich steigender Inflationsraten sowie einer Geldpolitik der Notenbanken, die aus Sicht mancher Marktteilnehmer mit Risiken für die Geldwertstabilität verbunden sein könnte. Gerade beim Thema Immobilien und Inflationsschutz ist jedoch dringend eine differenzierte Betrachtungsweise geboten. Um spätere Enttäuschungen zu vermeiden, sollten sich Investoren kritisch mit der Frage auseinandersetzen, inwiefern Immobilieninvestitionen in der Vergangenheit tatsächlich zu Inflationsschutzeffekten führten und welchen Stellenwert dieser Aspekt innerhalb ihrer Investitionsentscheidungen haben sollte.

Die Argumente, die die Inflationsschutzeigenschaft von Immobilien belegen sollen, sind oftmals etwas simpel gestrickt und lassen sich vor allem nicht pauschal auf alle Immobilieninvestitionen übertragen. So wird gern auf die Indexierung von Gewerbemietverträgen verwiesen, die jedoch naturgemäß nur während der Laufzeit des Vertrages einen Inflationsschutz bieten kann. Werden die betreffenden Flächen danach neu vermietet, kommt stets wieder die aktuelle Marktmiete zum Tragen, die sich in den letzten Jahrzehnten vielerorts in Deutschland keineswegs parallel zur Inflationsrate entwickelt hat.

Legende und Wahrheit

Indexiert man die Büromietpreise für das Jahr 1973 mit 100, dann liegen sie heute inflationsbereinigt in Frankfurt ebenfalls bei 100, sind also innerhalb von 36 Jahren real nicht gestiegen. In München liegt der Indexwert nur bei 69, in Stuttgart bei 66 und in Düsseldorf bei 64. Dabei ist zwar zu berücksichtigen, dass es zwischenzeitlich aufgrund zyklischer Marktschwankungen durchaus Investitionszeiträume gegeben hat, in denen deutlich positivere Entwicklungen zu verzeichnen waren, doch lassen sich daraus eben keine pauschalen Verallgemeinerungen ableiten.

Ein weiterer Punkt, der oft außer Acht gelassen wird, ist die Tatsache, dass auch bei Gewerbemietverträgen nicht in jedem Fall eine 100-prozentige Indexierung erfolgt. So sehen Mietverträge bei Einzelhandelsimmobilien oftmals nur eine 60-prozentige Anpassung der Miethöhe an die Inflationsentwicklung vor. Gerade angesichts der im Einzelhandel oft sehr langen Mietvertragslaufzeiten kann das für Investoren ein Problem darstellen - insbesondere bei höheren Inflationsraten.

Kein Schutz vor der Geldentwertung

Ähnlich sieht es auch bei Wohnimmobilien aus. Mehrere Untersuchungen kamen zwar zu dem Befund, dass - anders als man dies vielleicht erwarten sollte - Wohnimmobilien sogar noch einen besseren Inflationsschutz böten als Gewerbeimmobilien, obwohl Wohnungsmietverträge in Deutschland bislang nur ausnahmsweise indexiert sind. Dennoch kann man Wohnungen keine generelle Inflationsschutzeigenschaft zusprechen. Vielmehr sind auch hier einige relativierende Aspekte zu berücksichtigen. So werden für die Wertsteigerung von Immobilien üblicherweise nicht inflationsbereinigte Daten angegeben. Dies erschwert jedoch nicht nur den Vergleich zwischen verschiedenen Immobilienmärkten, sondern führt auch dazu, dass nicht zwischen realen und scheinbaren Wertsteigerungen unterschieden wird.

Aufschlussreich ist dagegen ein Vergleich realer, um die Inflation bereinigter Immobilienpreisentwicklungen. Dabei ergeben sich zunächst einmal erhebliche Unterschiede zwischen einzelnen Ländern. Indiziert man die Hauspreise im Jahre 1970 mit 100, dann sind diese seitdem in Japan auf 123 gestiegen, in den USA auf 165, in Frankreich auf 225, in den Niederlanden auf 303, in Spanien auf 358 und in Großbritannien auf 387. Die Rendite "nach Inflation" ist also selbst in den USA äußerst ernüchternd. In Deutschland liegen die Hauspreise heute inflationsbereinigt nur noch bei 87 Prozent der Hauspreise von 1970 - die Hausbesitzer haben also eine negative Rendite zu verbuchen.

Tatsache ist, dass deutsche Wohnimmobilien in den vier Jahrzehnten von 1970 bis 2010 im Durchschnitt nicht einmal den Geldwertverlust durch die schleichende Inflation kompensieren konnten. Nebenbei bemerkt: Wer seine Immobilie verkaufte, musste einen noch größeren realen Verlust hinnehmen, weil die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen nicht nach realen Wertsteigerungen erfolgt, sondern auf Basis nominaler Preissteigerungen. Natürlich gelten diese Aussagen nur für den Durchschnitt der Immobilien in einem Land, im konkreten Einzelfall können sich jedoch je nach Standort deutliche Abweichungen nach oben oder unten ergeben.

So treten beispielsweise erhebliche und zum Teil auch sehr überraschende Unterschiede zutage, wenn man die vom Jahr 1980 an vorliegenden Daten zu Einfamilienhäusern in einzelnen deutschen Städten vergleicht. Dass die Preise in Bochum real nicht gestiegen seien, hätte man vielleicht erwartet: Indexiert man die realen Preise von 1980 mit 100, dann lagen sie 2009 in Bochum nur noch bei 70,9. Ähnlich schlecht standen Hausbesitzer in Bielefeld oder Münster da, wo die Preise 2009 nur noch bei 72,5 beziehungsweise 76,9 Prozent der Preise von 1980 lagen.

Aufholpotenziale in der Zukunft?

Allerdings schnitten auch die häufig gepriesenen Metropolregionen nicht immer besser ab. So ergab sich für Stuttgart, bekannt für hohe Hauspreise, im Jahr 2009 nur noch ein Indexwert von 71,8, da die realen Hauspreise dort seit zwei Jahrzehnten kontinuierlich fallen. Auch in Düsseldorf erzielten die Hausbesitzer mit einem Indexwert von 97,5 keinerlei reale Wertsteigerungen. Etwas besser sah es für Besitzer von Einfamilienhäusern in Frankfurt am Main aus, wo der Indexwert 2009 bei 112,6 lag. Hier konnte also wenigstens die Inflation leicht überkompensiert werden. Noch deutlicher ausgeprägt war dieser Effekt in München, das 2009 einen Indexwert von 127 erreichte.

Noch ernüchternder fällt das Ergebnis aus, wenn man die Opportunitätskosten in Form der entgangenen Verzinsung einer möglichen Alternativanlage einbezieht. Allerdings müsste man bei Eigenheimbesitzern auch die gesparte Miete als Rendite hinzurechnen. Und da die "gesparte Miete" steuerfrei ist, hat sich der Immobilienkauf für Eigenheimbesitzer zumindest in Städten wie Frankfurt am Main oder München unter dem Strich wohl gelohnt.

Wenn die Wertentwicklung selbst genutzter Wohnimmobilien in Deutschland bislang im Durchschnitt nicht vor Inflation schützen konnte, muss das natürlich nicht unbedingt heißen, dass dies auch für die Zukunft gilt. Denn im Vergleich mit allen anderen großen Industrieländern haben sich die Hauspreise in Deutschland am schlechtesten entwickelt. Manches spricht für einen Nachholbedarf in den nächsten Jahren, zumal die Zahl der Wohnungsfertigstellungen mit nur noch 159000 im vergangenen Jahr einen Tiefststand erreicht hat. Dennoch werden selbst Optimisten allenfalls für einige ausgewählte Regionen Wertsteigerungen erwarten, die deutlich über der Inflation liegen.

Es bleibt also festzuhalten: Sowohl für Gewerbeimmobilien als auch für Wohnimmobilien lässt sich mit Blick auf die reale Miet- und Kaufpreisentwicklung der letzten Jahrzehnte kein genereller Inflationsschutzeffekt nachweisen - vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Und eine andere Entwicklung in der Zukunft ist zwar möglich, aber keineswegs sicher.

Umso besorgniserregender ist es, wenn es gegenwärtig zu teilweise nicht mehr nachvollziehbaren Preisentwicklungen am Immobilienmarkt kommt, die explizit auf die Befürchtung einer zunehmenden Geldentwertung und auf die pauschale Annahme, Immobilien böten einen Inflationsschutz, zurückgeführt werden. So werden Mehrfamilienhäuser in München inzwischen teilweise zu mehr als dem 30-fachen der Jahresmiete gehandelt. In Berlin wurden erste Transaktionen für Zinshäuser im eher schwierigen Stadtteil Neukölln zum 16-fachen abgewickelt, obwohl in diesem Bezirk noch vor nicht allzu langer Zeit selbst das 12-fache als ambitioniert galt.

Den Käufern, so argumentieren die Makler, gehe es gar nicht mehr um die Rendite, sondern nur noch darum, ihr Vermögen vor einer befürchteten Währungsreform oder Inflation in Sicherheit zu bringen. Dabei gibt es bislang in Deutschland keine Anzeichen dafür, dass eine hohe Inflation tatsächlich unmittelbar bevorstünde, auch wenn dies häufig behauptet wird. Doch die Vermögensverluste infolge zweier Inflationen und einer Währungsreform im letzten Jahrhundert haben sich als traumatische Erfahrungen ins kollektive Unterbewusstsein der Deutschen eingebrannt und beeinflussen das Denken und Handeln bis heute.

Alternativen zu Immobilienanlagen

Doch selbst wenn die Skeptiker Recht behielten: Wäre es dann rational, "um jeden Preis" sein Geld in Immobilien zu investieren? Sollte es wirklich eine Inflation geben, dann würden die Wohnungsmieten allenfalls mit erheblicher Verzögerung reagieren. Warum sollte man ein Mehrfamilienhaus erwerben, das bei Berücksichtigung von Transaktionskosten und nicht umlagefähigen Nebenkosten der Immobilie vielleicht nur noch eine Rendite von zwei Prozent bringt? Wer bereit ist, extrem geringe Renditen zu akzeptieren, könnte beispielsweise indexierte Bundesanleihen erwerben, die immerhin einen 100-prozentigen Inflationsschutz bieten.

Wer freilich - so wie manche Untergangspropheten - einen Staatsbankrott Deutschlands befürchtet, dem erscheinen Bundesanleihen natürlich als zu "unsicher". Solche Anleger sollten sich jedoch auch daran erinnern, dass der Staat inflationäre Gewinne von Immobilienbesitzern in schwierigen Zeiten keineswegs unangetastet gelassen hat. Zu erinnern ist hier an die Steuerpolitik in der Weimarer Republik: Damals schöpfte der Gesetzgeber die durch die Inflation erzielten Gewinne von Immobilienbesitzern durch verschiedene neu eingeführte Steuern wieder ab.

Inflationsangst und Steuerspartrieb

Mit diesen Überlegungen sei nichts gegen eine Anlage in Mehrfamilienhäuser gesagt, denn in der Tat sprechen viele Argumente dafür, dass nach einer langen Phase der Stagnation in den nächsten Jahren sowohl die Mieten als auch die Preise von Wohnimmobilien steigen werden. Immobilieninvestoren sollten jedoch bedenken, dass sie nur dann von diesen Entwicklungen profitieren können, wenn die Preissteigerungen der nächsten zehn oder fünfzehn Jahre nicht bereits vorweggenommen werden, indem zu extrem überhöhten Multiplikatoren gekauft wird.

Bliebe noch die eingangs gestellte Frage nach dem angemessenen Stellenwert von Inflationsschutzaspekten bei der Investitionsentscheidung. Hier ergibt sich eine interessante Parallele zu steuerlichen Aspekten: Steuervorteile und Inflationsangst waren in Deutschland stets zwei entscheidende Motive für Investitionen in Immobilien. Doch wer allzu einseitig unter dem Aspekt des "Steuersparens" investierte, wurde oft enttäuscht. Und es ist zu befürchten, dass auch jene Investoren, die sich allzu einseitig von der postulierten Inflationsschutz-Eigenschaft von Immobilien leiten lassen, ihre Entscheidungen später bereuen werden. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn Immobilien in Erwartung einer stark steigenden Inflation mit extrem hohem Fremd-kapital-Hebel erworben werden, weil man glaubt, die Schulden würden durch die Geldentwertung "weginflationiert".

Die Parallelen zu den steuergetriebenen Investments der 90er Jahre sind allzu offensichtlich: Damals konnten die "Verlustzuweisungen" für viele Anleger gar nicht hoch genug sein. Und da eine hohe Fremdfinanzierung die steuerlichen Verluste weiter in die Höhe trieb, finanzierten manche Anleger ihre Immobilien zu 100 Prozent ohne dabei zu bedenken, dass eine höhere Fremdkapitalquote auch immer mit einem höheren Risiko einhergeht.

Darüber hinaus gibt es eine weitere Parallele zwischen steuerinduzierten und inflationsinduzierten Investments: Oft waren die Steuervorteile bereits in den hohen Immobilienpreisen eingepreist, sodass eher der Verkäufer als der Käufer davon profitierte. Ebenso verhält es sich heute, wenn die für die Zukunft erwarteten inflationsbedingten Preissteigerungen einer Immobilie bereits im heutigen Kaufpreis eskomptiert sind.

Nur das Sahnehäubchen

Was die Inflationsschutz-Eigenschaft von Immobilien angeht, so gilt dasselbe, was seinerzeit zu Recht auch mit Blick auf die Steuervorteile gesagt wurde. Eine Immobilie muss aus sich heraus wirtschaftlich sein, und zwar sowohl ohne Steuervorteile wie auch ohne bereits eingepreiste inflationsbedingte Wertsteigerungen. Bei Anlagemotiven, die außerhalb der Immobilie liegen seien dies nun die Steuern oder die Inflation -, besteht die Gefahr, dass sie immobilienwirtschaftliche Kriterien in den Hintergrund treten lassen und die Sicht des Anlegers auf die wesentlichen Werthebel einer Immobilieninvestition trüben. Inflationsbedingte Wertsteigerungen, sofern sie eintreten, sollten allenfalls das "Sahnehäubchen" bei einem Immobilieninvestment darstellen. Eine Investition, die sich ohne dieses "Sahnehäubchen" als Fehlinvestment darstellt, ist auch mit diesem keine gute Entscheidung.

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