Rechtsfragen

Insolvenz im Ausland: Folgen für die Beteiligten?

Endstation Insolvenz: Diese Situation ist für Gläubiger bereits kompliziert, wenn sie sich mit einem deutschen Insolvenzverfahren konfrontiert sehen. Ohne anwaltliches Spezial-Know-how droht Gläubigern ein erheblicher Verlust von Rechtspositionen und Vermögenswerten. Befindet sich der Schuldner in einem ausländischen Insolvenzverfahren verkompliziert sich die Situation weiter. Neben sprachlichen Hürden muss der Gläubiger auch mit einer fremden Rechtsordnung und Marktpraxis umgehen. Kenntnisse des Gläubigers aus dem deutschen Insolvenzverfahren sind dabei auf die ausländischen Verfahren nicht übertragbar. Zudem stellt sich die Frage, ob seine deutschen Sicherheiten von der Insolvenz des Schuldners im Ausland berührt werden oder ob der Weg der Zwangsverwertung in Deutschland weiterhin offen steht.

COMI-Regelung

Hat der Gläubiger ein Vertragsverhältnis mit einem ausländischen Schuldner begründet, dürfte ihn das Insolvenzverfahren im Ausland nicht überraschen. Welche praktischen Auswirkungen ein ausländisches Insolvenzverfahren letztlich doch mit sich bringt, mussten viele Gläubiger im Rahmen der Lehman-Pleite erfahren. Trotz der Internationalisierung der Märkte hatten viele Gläubiger keinerlei einschlägige Erfahrung mit Insolvenzverfahren in New York und Großbritannien und waren sicher auch von der schleppenden Abwicklung überrascht.

Andere kamen im Rahmen der Finanzkrise auch mit weniger bekannten Rechtsordnungen wie Island oder Dänemark in Berührung, wo verschiedene Banken insolvent wurden. Die Insolvenz eines Schuldners im Ausland kann einen Gläubiger aber auch unvorbereitet treffen. Wurde die vertragliche Bindung mit einem deutschen Unternehmen eingegangen, hat dieses jedoch seinen Sitz (center of main interest oder kurz COMI) ins Ausland verlegt, ist nun die Insolvenzordnung dieses Staates ausschlaggebend.

Einige Unternehmen nutzen die COMI-Regelung, welche auf einer europäischen Richtlinie beruht, zum sogenannten Forum-Shopping. Es wird also versucht, unter den Mantel der Rechtsordnung zu schlüpfen, welche dem Schuldner den vermeintlich günstigsten Ausgang eines insolvenzrechtlichen Verfahrens verspricht. In letzter Zeit versuchten aber auch Gläubiger, dieses Instrument zu nutzen und den Schuldner vertraglich auf einen COMI festzulegen, um ihn damit einer für sie günstigen Rechtsordnung zu unterwerfen. So rückte jüngst Luxemburg mit seiner sehr gläubigerfreundlichen Insolvenzordnung in den Fokus.

Für die Immobilienwirtschaft enden die Wege in eine ausländische Insolvenz oftmals in Luxemburg, den Niederlanden und zum Teil auch in England, da Special-Purpose-Vehicle-Strukturen oft in diesen Jurisdiktionen aufgesetzt werden. Welche Auswirkungen dies bei einer fehlgeschlagenen Investition hat, wird vielen Beteiligten erst klar, wenn sich eine Insolvenz ankündigt. Für viele ist dann die ausländische Rechtsordnung eine große Unbekannte und wird anfänglich entsprechend skeptisch bewertet. Dabei muss ein Insolvenzverfahren im Ausland nicht zwangsläufig zu einem schlechteren Resultat als ein deutsches Insolvenzverfahren führen.

Für Schuldner ist wichtig zu wissen, wann sie Insolvenz anmelden müssen oder können und welche Verfahren jeweils zur Verfügung stehen. Gläubiger müssen sicherstellen, dass ihre Rechte im Insolvenzverfahren bestmöglich gewahrt sind und abwägen, ob es nicht wirtschaftlich vorteilhafter ist, ihre Sicherheiten an deutschen Vermögensgütern zwangsweise und außerhalb des Insolvenzverfahrens durchzusetzen, sofern dies nach der anwendbaren Insolvenzordnung möglich ist.

Großherzogtum Luxemburg

Ein Unternehmen mit COMI in Luxemburg ist insolvent, wenn es seinen Zahlungsverpflichtungen bei deren Fälligkeit nicht nachkommt und nicht mehr kreditwürdig ist. Grundsätzlich stehen das Konkursverfahren, die Kontrollierte Geschäftsführung sowie der Zahlungsaufschub als Verfahren zur Liquidation oder Restrukturierung eines Unternehmens zur Verfügung.

Das Konkursverfahren (faillite) - das einzige der Verfahren, was neben dem Schuldner auch von einem Gläubiger initiiert werden kann - zielt auf die Liquidation des Unternehmens ab. Der Konkursschuldner ist bei Vorliegen des Insolvenzgrundes verpflichtet, innerhalb von einem Monat nach Eintritt des Insolvenzgrundes vor dem örtlich zuständigen Handelsgericht ein entsprechendes Anerkenntnis abzugeben.

Mit Konkursfeststellung verliert der Schuldner die Befugnisse, über sein Vermögen zu verfügen. Vom Gericht wird ein Konkursverwalter mit der Verwaltung, Verwertung der Vermögenswerte und der Verteilung der daraus erzielten Erlöse auf die Gläubiger beauftragt. Die Konkursfeststellung führt zudem zur Aussetzung von Einzelvollstreckungshandlungen. Hiervon ausgenommen sind jedoch Pfandrechte, Finanzsicherheiten und Grundpfandrechte. Danach können Grundschulden an deutschen Immobilien weiterhin im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden.

Auch in Luxemburg ist es üblich, eine Verwaltungs- und Verwertungsvereinbarung - ähnlich einer kalten Zwangsverwaltungsvereinbarung in Deutschland - mit dem bestellten Insolvenzverwalter abzuschließen. Dabei können die Stundensätze für die laufende Verwaltung zwischen den Parteien verhandelt werden. Bei der Gebühr des Insolvenzverwalters im Falle der Verwertung der Immobilie gibt es in Luxemburg jedoch ein festgeschriebenes Gebührensystem, dessen Einhaltung vom Insolvenzgericht grundsätzlich überwacht wird. Danach gibt es bei geringeren Verkaufserlösen festgeschriebene Sockelbeträge. Steigt der Verkaufserlös über 2,5 Millionen Euro, erhält der Insolvenzverwalter eine Gebühr von einem Prozent vom Verkaufserlös.

Luxemburg verfügt nur über eine überschaubare Anzahl von Insolvenzverwaltern, die größere Insolvenzen betreuen können. Es ist deshalb keine Überraschung, dass diese inzwischen eine sehr eingespielte Praxis haben, auch wenn es sich um Insolvenzen handelt, die große Immobilienportfolios in Deutschland betreffen.

Neben dem Konkursverfahren steht für einen Schuldner auch noch das Verfahren der Kontrollierten Geschäftsführung (gestion contrôlée) zur Verfügung. Dieses zielt auf die Restrukturierung des Unternehmens oder eine geordnete Verwertung der Vermögenswerte des Unternehmens ab. Es kann nur durch den Schuldner selbst initiiert werden. Voraussetzung ist, dass die Kreditwürdigkeit des Schuldners erschüttert ist oder er sich in Zahlungsschwierigkeiten befindet. Allerdings bedarf es der Zustimmung der Mehrheit der Gläubiger, die zugleich mehr als 50 Prozent der ausstehenden Verbindlichkeiten repräsentieren.

Mit Eröffnung des Verfahrens wird ein Verwalter mit der Ausarbeitung eines Sanierungsplans oder einem Plan zur geordneten Verwertung der Vermögenswerte beauftragt. Dieser Plan wird dem Gericht und den Gläubigern vorgelegt sowie in der Luxembourg Gazette veröffentlicht. Die Gläubiger können dem Plan nach Veröffentlichung desselben innerhalb von 15 Tagen zustimmen oder widersprechen. Während der Kontrollierten Geschäftsführung wird das Unternehmen in Eigenverwaltung unter Aufsicht eines oder mehrerer Bevollmächtigten/Verwalter geführt.

Als drittes Verfahren zielt der Zahlungsaufschub (sursis de paiement) darauf ab, dem Schuldner durch Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen Zeit zur Wiederherstellung seiner Zahlungsfähigkeit einzuräumen. Hiervon ausgenommen sind jedoch Pfandrechte, Finanzsicherheiten und Grundpfandrechte. Die Mehrheit der Gläubiger, die zugleich 75 Prozent der ausstehenden Verbindlichkeiten repräsentieren, müssen dem Zahlungsaufschub zustimmen.

Niederlande

In den Niederlanden liegt ein Insolvenzgrund vor, wenn der Schuldner die Zahlungen eingestellt hat. Die Konkursordnung der Niederlande (Faillissementswe) kennt für Unternehmen zwei verschiedene Insolvenzverfahren.

Das alleinige Ziel des Konkursverfahrens besteht in der Liquidation des vorhandenen Vermögens zur Befriedigung der Gläubiger. Der Konkursantrag kann vom Schuldner, vom Gläubiger oder auch von der Staatsanwaltschaft aus Gründen des öffentlichen Interesses gestellt werden. Durch das Urteil, mit dem der Schuldner zum Konkursverfahren zugelassen wird, verliert er die Befugnis, sein Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen.

Das Vergleichsverfahren erfolgt demgegenüber zum Zwecke der Sanierung und nicht der Liquidation. Es kann nur durch den Schuldner initiiert werden. Für die Sanierung steht ein Zeitraum von maximal eineinhalb Jahren zur Verfügung, wobei eine Verlängerungsmöglichkeit besteht. Für Verwaltungshandlungen oder Verfügungsgeschäfte während des Vergleichsverfahrens benötigt der Schuldner eine entsprechende Bevollmächtigung durch den jeweiligen Vergleichsverwalter.

Sobald das Gericht ein Insolvenzverfahren eröffnet hat, ernennt es sowohl einen Konkursrichter als auch einen Konkursverwalter (im Konkursverfahren) oder einen Vergleichsverwalter (im Vergleichsverfahren). Den Konkurs- oder Vergleichsverwaltern obliegt die Aufsicht darüber, dass der Schuldner seine gesetzlichen Verpflichtungen erfüllt, sowie die Verwaltung und Liquidation der Masse.

Der Gläubiger ist hinsichtlich der Durchsetzung der Rechte aus einem Grundpfandrecht während des laufenden Verfahrens grundsätzlich nicht beschränkt. Ein Verwalter kann dem Gläubiger doch einen zeitlichen Rahmen setzen, in dem der Gläubiger seine Sicherheit verwerten muss.

Auch mit niederländischen Verwaltern schließen Gläubiger immer häufiger Verwaltungs- und Verwertungsvereinbarungen ab und zunehmend sind niederländische Verwalter bereit, ähnliche Vereinbarungen zu akzeptieren wie deutsche Insolvenzverwalter. Hinsichtlich der Vergütung eines Verwalters hat sich in der niederländischen Praxis eine allgemein akzeptierte Vergütungsordnung, die Separatistenregeling eingebürgert. Diese ist nicht bindend und grundsätzlich können Verwalter und Gläubiger Vergütungsfragen frei verhandeln.

Nach der Separatistenregeling erhält der Verwalter von den laufenden Mieteinnahmen zehn Prozent für die allgemeine Verwaltung der Immobilie. Bei einer Verwertung hängt die Gebühr für den Verwalter vom erbrachten Aufwand bei der Verwertung und dem Verkaufserlös ab. Liegt der Verkaufserlös unter 450 000 Euro sind verschiedene Prozentsätze geregelt. Im Falle von höheren Erlösen, die bei Immobilien regelmäßig anfallen, sind die Gebühren des Verwalters frei verhandelbar.

England und Wales

In Großbritannien sind die Zahlungsunfähigkeit (Cash-Flow-Test) und die Überschuldung (Balance Sheet Test) Insol venzgründe für Unternehmen. Jedoch sieht diese Rechtsordnung keine zwingenden Folgen für den Fall des Vorliegens von Insolvenzgründen vor.

Es gibt, anders als in Deutschland, keine festgelegte zeitliche Frist, innerhalb derer das Unternehmen handeln muss. Allerdings macht sich der Geschäftsführer strafbar, wenn er die Geschäfte weiterführt, obwohl er davon ausgehen muss, dass eine Insolvenz unvermeidlich ist, und er andererseits nicht alles unternommen hat, um das Ausfallrisiko der anderen Seite zu minimieren.

Demgegenüber ist der Geschäftsführer dann zur Fortführung des Geschäftsbetriebes berechtigt, wenn er die berechtigte Aussicht hat, dass er ein Arrangement mit seinen Gläubigern treffen kann.

Für einen gesicherten Gläubiger, der die Rechte aus seiner Sicherheit durchsetzen möchte, besteht die Wahl zwischen Administration und Receivership. Hat ein Gläubiger eine sogenannte Qualifiying Floating Charge, also nach englischem Recht ein Sicherungsrecht über alle maßgeblichen Vermögensgegenstände des Unternehmens, ist er berechtigt, einen Administrator zu benennen.

Der Administrator wird vom Gericht bestellt und vertritt die Interessen aller Gläubiger. Die Administration ist ein formaler Insolvenzprozess, der die Rettung des Unternehmens zum Ziel hat. Während ihrer Dauer kann ein Gläubiger seine Forderungen nicht durchsetzen (Moratorium), es sei denn, er erhält auf Antrag eine Erlaubnis des Administrators oder des Gerichts.

Hat ein Gläubiger nur ein Sicherungsrecht an einem Vermögens(an)teil des Unternehmens, kann er im Rahmen eines Receivership einen Receiver benennen. Dieser wird den belasteten Vermögensgegenstand verwerten beziehungsweise die laufenden Einnahmen einziehen und an den Gläubiger, jedoch nur an diesen, verteilen. Dies ist kein formaler Insolvenzprozess und anderen Gläubigern steht es frei, parallel eigene gegebenenfalls weitergehende Maßnahmen gegen den Schuldner einzuleiten.

Soweit einem als Gläubiger ein Company Voluntary Arrangement (kurz CVA) begegnet, handelt es sich um eine freiwillige Vereinbarung zwischen dem Unternehmen und seinen Gläubigern, die nicht das Bestehen von Insolvenzgründen voraussetzt, gleichwohl aber das Überleben des Unternehmens bezweckt. Es findet eine Gläubigerversammlung beim Gericht statt. Bei Erfüllung bestimmter Abstimmungserfordernisse wirkt das CVA dann für und gegen die ungesicherten Gläubiger des Unternehmens, nicht jedoch gegen die gesicherten Gläubiger.

Im Gegensatz hierzu steht insoweit das in die Schlagzeilen gekommene Scheme of Arrangement. Dieses Verfahren zielt ebenfalls auf die freiwillige Restrukturierung und das Überleben des Unternehmens ab. Seine Wirkungen binden jedoch alle Gläubiger, soweit diese Teil des Scheme sind.

Ein weiterer formaler Insolvenzprozess ist die Liquidation. Bei der Compulsory Liquidation kann jeder Gläubiger eines Unternehmens beim Gericht eine Petition zur Liquidation einreichen. Ein bestellter Liquidator verwertet sodann die Assets, verteilt die Erlöse und schließt das Unternehmen. Alternativ gibt es auch die Voluntary Liquidation, die kein gerichtliches Verfahren darstellt und innerhalb bestimmter Grenzen durchgeführt werden kann.

Mit Ausnahme im Rahmen der Administration sowie der Compulsory Liquidation können Gläubiger ihre deutschen Sicherungsrechte auch während des Verfahrens durchsetzen, soweit nicht die Aussetzung der Verwertung auf Antrag angeordnet wurde. Oftmals wird ein Scheme of Arrangement oder CVA mit einer Administration verbunden. In diesem Fall gilt das Moratorium ebenfalls und der Gläubiger ist an der Durchsetzung seiner Forderung gehindert.

Genügend Instrumente

Auch ausländische Insolvenzordnungen halten genügend Instrumente für alle Beteiligten bereit. Bedrohlich wirkt zunächst meist die fehlende Kenntnis der fremden Rechtsordnung und vor allem der Marktpraxis. Dieses Phänomen ist übrigens auch bei ausländischen Gläubigern zu beobachten, die sich mit einem deutschen Insolvenzverfahren konfrontiert sehen. Die Internationalisierung der Transaktionen auch in der Immobilienwirtschaft wird jedoch vermehrt zu gescheiterten Investitionen mit ausländischem Insolvenzbezug führen. Dies muss jedoch nicht die Endstation sein.

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