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Investitionschancen in deutschen Mittelstädten

Sicherheit ist derzeit bei vielen Immobilieninvestoren das oberste Gebot. Denn die Euro-Finanzkrise hat das Vertrauen vieler institutioneller Anleger erschüttert und das Bedürfnis nach stabilen Immobilienanlagen verstärkt. Das große Interesse an Deutschland in Kombination mit dem äußerst niedrigen Zinsniveau hat daher in den vergangenen Monaten die Renditen für Immobilieninvestitionen in die sieben größten deutschen Städte Hamburg, Berlin, Düsseldorf, Köln, Frankfurt, Stuttgart und München vielfach weiter sinken lassen. Dadurch unterschreiten die Renditen für Geschäftshäuser in den Spitzenlagen von München mit 3,8 Prozent (2011) mittlerweile schon die 4-Prozent-Schwelle.

Zunehmendes Interesse an kleineren Standorten

Ähnlich schwierig ist die Lage auf den Wohnimmobilienmärkten der Top-7-Standorte. Gemessen an den Erträgen aus Mieteinnahmen sind renditebezogene Investments auf diesen Preisniveaus mittlerweile schwer darstellbar. Trotzdem bleibt das Investoreninteresse für die A-Standorte ungebrochen: Die Hälfte des rund 51 Milliarden Euro umfassenden Transaktionsvolumens entfiel 2011 auf diese Standorte. Entscheidende Gründe für diese Präferenz sind neben deren absoluter Größe und damit Verfügbarkeit von Investitionsobjekten sowie der Marktliquidität nicht zuletzt auch die deutlich höhere Transparenz.

Das Interesse für kleinere Standorte ist zwar gemessen an den Aktivitäten in den großen Metropolen immer noch recht verhalten, nimmt aber inzwischen deutlich zu. Zu Recht - bedenkt man, dass im Vergleich zu anderen europäischen Ländern eine wesentliche Stärke Deutschlands in seiner dezentralen Struktur mit einer Vielzahl unterschiedlicher wirtschaftlicher Schwerpunkte liegt. Neben den sieben Metropolen gibt es hierzulande 73 weitere Städte mit mehr als 100 000 Einwohnern. Rund 16 Millionen Menschen leben in diesen sogenannten B- und C-Städten - das entspricht rund 20 Prozent der Gesamtbevölkerung.

Die Frage bleibt, ob die Investorenzurückhaltung auch durch entsprechende Immobilienmarkt-Kennzahlen und wirtschaftliche Fundamentaldaten erklärbar ist. Nein, wie eine Analyse von 25 exemplarisch ausgewählten deutschen B- und C-Standorten der Immobilienberatung Wüest & Partner im Auftrag der TLG Immobilien ergab.

In zwei Stufen wurden jeweils für die Nutzungsarten Wohnen, Büro und Einzelhandel statistische und immobilienmarktbezogene Daten ausgewertet. Zunächst ist aus den Daten zu Demografie, Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Erreichbarkeit und Bautätigkeit ein Rating in Hinblick auf das Immobilien-Investitionsrisiko erstellt worden. Im zweiten Schritt wurden in Abhängigkeit von der Nutzungsart Immobilienmarkt-Kennzahlen wie Mieten, Leerstand, Wohnkostenbelastung, Flächenproduktivität, Flächenangebot pro Kopf und nutzungsartspezifische Investitionsrisiken erhoben und zu Rendite-Risiko-Profilen verdichtet.

Wohnungen: höhere Renditen bei vergleichbaren Risiken

Für das Segment Wohnen kommt die Analyse anhand mehrerer Faktoren zu folgendem Schluss: Die Mietpotenziale in den B- und C-Städten sind im Vergleich zu den A-Standorten höher. Die Wohnkostenbelastungsquoten liegen dort beispielsweise zwischen 17,8 Prozent (Heilbronn) und 28,3 Prozent (Rostock), im Durchschnitt bei 22,1 Prozent. Der Durchschnittswert liegt bei den Top-7-Standorten jedoch bei 25,3 Prozent - die Mieter geben dort also schon heute einen höheren Anteil ihrer Kaufkraft für das Wohnen aus. Der Quotient zwischen Wohnungen und Haushalten beschreibt den Grad der Wohnraumversorgung. Er liegt in Aachen und Bielefeld mit 91 Prozent am niedrigsten (Nachfrageüberhang) und erreicht in Chemnitz einen Spitzenwert von 118 Prozent (Angebotsüberhang). Wohnungsangebot und Wohnkostenbelastungsquote korrelieren allerdings nicht zwingend miteinander.

Die Analyse der für Investoren besonders relevanten erzielbaren Nettoanfangsrenditen bei B- und C-Standorten zeigt in den untersuchten Städten für die Nutzungsarten Wohnen ein differenziertes Bild. Hier reichen die Renditen von 6,1 Prozent in Regensburg bis zu 9,9 Prozent in Chemnitz. Die Spanne liegt damit bei 3,4 Prozentpunkten und spiegelt so die unterschiedlich hohen Standortrisiken deutlich in den erzielbaren Renditen wider. Der Mittelwert liegt bei 8,0 Prozent. Die Schwächen eines Standorts wie Chemnitz werden durch entsprechend hohe Rendite ausgeglichen, die für risikobereitere Investoren interessant sein können. Bei den A-Standorten sind die Renditen zwar homogener - sie schwanken lediglich zwischen 4,5 und 6,0 Prozent. Der Mittelwert liegt aber mit 5,5 Prozent deutlich unter den erzielbaren durchschnittlichen Renditen in B- und C-Standorten.

Die Renditen geben nur sehr eingeschränkt Auskunft über die Chancen einer Immobilieninvestition. Setzt man diese allerdings in Bezug mit dem Investitionsrisiko, ergibt sich ein interessantes Bild: Beim Vergleich der Risiko-Rendite-Profile fällt auf, dass die Renditen trotz ähnlicher spezifischer Risiken deutlich auseinanderfallen. So wird beispielsweise das vergleichbare Investitionsrisiko von 3,0 für die Städte Regensburg, Potsdam, Nürnberg, Kiel, Erfurt, Magdeburg und Duisburg vom Markt mit Renditen von 6,1% (Regensburg) bis 9,5% (Magdeburg) bewertet. Das heißt, dass das Marktrisiko in Regensburg deutlich geringer eingeschätzt wird als in Kiel, Erfurt und vor allem Magdeburg. Die Top-7-Städte weisen vergleichbare Risiken auf, versprechen dabei jedoch deutlich geringere Renditen (siehe Abbildung 1).

Das beste Risiko-Rendite-Verhältnis innerhalb der untersuchten Gruppe von Städten bei der Nutzungsart Wohnen hat Bielefeld, da eine geringe Wohnkostenbelastung, eine deutliche Unterversorgung mit Wohnraum und gute demografische Zukunftschancen zu einem geringen Investitionsrisiko führen. Alle Zeichen deuten auf einen hohen und noch steigenden Wohnungsbedarf bei aktuell geringen Mieten. Die Chance für zukünftige Mietsteigerungen scheint hoch. Gleichzeitig werden in der Stadt vergleichsweise hohe Renditen erzielt. Demgegenüber hat etwa Regensburg aufgrund seiner wirtschaftlichen und demografischen Situation zwar das beste Standortranking, zeigt aber eine sehr hohe Mietbelastung der Haushalte und geringen Renditen. Somit ist der Standort zwar im Sinne eines Investitionsrisikos positiv einzuschätzen, das Rendite-Risiko-Profil erscheint verglichen mit den anderen 24 Städten jedoch schlechter, weil Regensburg der Standort mit dem geringsten Potenzial unter den untersuchten Städten ist.

Büros: Mietbelastung und Leerstand geringer

Ein ähnliches Bild lässt sich beim Segment Büroimmobilien aufzeigen: Die Mietbelastung bezogen auf die Büro-Flächenproduktivität ist in den untersuchten Städten deutlich geringer als an den Top-7-Standorten. Trotz vergleichbarer Risiken gibt es unter den B- und C-Standorten allerdings deutliche Abweichungen bei den Renditen. Die Marktgrößen sind naturgemäß deutlich geringer als an A-Standorten. Um Klumpenrisiken zu vermeiden, konzentrieren sich große und institutionelle Investoren daher bislang auf die A-Standorte. Dafür nehmen sie geringere Renditen in Kauf, die durch einen stärkeren Bieterwettbewerb zustande kommen.

Die Renditen bei den B- und C-Standorten reichen von 5,7 Prozent, ebenfalls in Regensburg, bis 8,7 Prozent in Chemnitz. Der Mittelwert der Nettoanfangsrenditen für Büroobjekte in guten Lagen der untersuchten B- und C-Städte liegt mit 6,7 Prozent deutlich niedriger als für Wohn immobilien. Das ist insofern bemerkenswert, als der Nutzungsart Wohnen in der Regel ein geringeres Risiko beigemessen wird als der Nutzungsart Büro. B- und C-Standorte mit niedrigen Leerständen von unter vier Prozent sind Heilbronn, Aachen, Duisburg, Lübeck und Bielefeld. Das geringste Investitionsrisiko für Büroimmobilien besteht in Kassel, insbesondere wegen der geringen Mietbelastung, dem geringen Leerstand und den insgesamt guten Zukunftsaussichten.

Die Nettoanfangsrenditen für Büroimmobilien variieren an den A-Standorten lediglich um 80 Basispunkte. Der Mittelwert liegt bei 5,5 Prozent und damit um mehr als 100 Basispunkte unter dem Mittelwert der Renditen in den untersuchten B- und C-Standorten. Somit wird deutlich, dass an B- und C-Standorten im Durchschnitt höhere Renditen erzielt werden können - bei zum Teil vergleichbaren Risiken. Höhere Risiken an den B- und C-Standorten werden durch adäquat höhere Renditen kompensiert. Daher erscheinen eine Reihe von B- und C-Standorten als durchaus attraktive Alternative zu den etablierten A-Standorten.

Einzelhandel: teure Spitzenlagen

Die Einzelhandelsflächen pro Kopf variieren stark zwischen 0,96 Quadratmetern pro Kopf in Duisburg und 3,40 Quadratmetern pro Kopf in Augsburg. Die spezifische Einzelhandelsfläche zeigt eine engere Spanne von 1,02 bis 2,55 Quadratmetern pro Einwohner. Die Spitzenmieten in 1a-Lagen beginnen bei 40 Euro pro Quadratmeter (Magdeburg) und erreichen bis zu 210 Euro pro Quadratmeter (Dortmund, Hannover).

Beim Risiko-Rendite-Profil zeigt sich auch im Segment Einzelhandel eine Spreizung der Renditen: Das geringste Investitionsrisiko besteht für die Nutzungsart Einzelhandel in Dortmund. Hier ist die bereinigte Einzelhandelsfläche pro Kopf sehr gering und die Spitzenmiete ist bei einer adäquaten Rendite hoch. Rostock erreicht durch eine hohe Durchschnittsrendite von 8,5 Prozent ein attraktives Rendite-Risiko-Verhältnis, das im Vergleich der 25 Städte im oberen Drittel liegt, während sich die südlich gelegenen Zentren Nürnberg und Augsburg durch ihren hohen Bestand an Einzelhandelsfläche pro Kopf im unteren Mittelfeld der Rendite-Risiko-Profile wiederfinden.

Zusammenfassend zeigt der Vergleich der Risiko-Rendite-Profile, dass es B- und C-Städte gibt (insbesondere die südlichen Städte Nürnberg, Regensburg und Karlsruhe), die sowohl in der Rendite und auch in den Risiken mit A-Städten vergleichbar sind. Ganz überwiegend weisen B- und C-Städte allerdings ein besseres Risiko-Rendite-Verhältnis als die A-Städte auf, da sie entweder bei vergleichbaren Risiken höhere Renditen erzielen oder bei ähnlichen Renditen geringere Risiken aufweisen.

Bessere Risiko-Rendite-Verhältnisse

Ein "zweiter Blick" ist daher lohnenswert, denn die Immobilienmärkte der Mittelstädte sind spannend, die Investorenzurückhaltung häufig unbegründet. Vor allem für Investoren, die nicht mehr mit allen anderen um die Rosinen in den Metropolen konkurrieren möchten und dennoch ähnlich sichere Alternativen mit höherem Aufwärtspotenzial suchen. Wer eine risikoarme Immobilie in innerstädtischen Lagen sucht, findet solche Objekte auch in vielen Mittelstädten im ganzen Bundesgebiet. Wichtige Investitionsvoraussetzung ist allerdings eine intensive Beschäftigung mit den jeweiligen Marktgegebenheiten, nicht zuletzt wegen der eingeschränkten Verfügbarkeit von verlässlichen Daten.

Dagegen punkten Mittelstädte mit ihrer Stabilität. Denn die Wahrscheinlichkeit von Mietausfällen bei Gewerbe- und Wohnimmobilieninvestments ist gering, weil es an diesen Standorten zumeist keine spekulativen Projektentwicklungen gibt. Die Unternehmen vor Ort schließen deshalb langfristige Mietverträge ab. B-Standorte erscheinen daher vielfach deutlich stabiler als A-Standorte. Und das in nicht seltenen Fällen mit höheren Renditen - bei vergleichbaren Risiken - verbunden. Es mag allerdings dahingestellt bleiben, ob die höheren Renditen in einigen der untersuchten Städte angemessen sind oder gegebenenfalls eine (unbegründete) Vorsicht der Investoren an den jeweiligen Standorten widerspiegeln.

Nicht zu unterschätzen bleibt jedoch ein wichtiges limitierendes Kriterium in vielen Mittelstädten: die geringere Liquidität im Vergleich zu den großen Metropolen. Und das liegt vor allem bezogen auf den Bürosektor an der eingeschränkten Verfügbarkeit von großvolumigen Objekten. Entsprechend geringer ist hier die Nachfrage von institutionellen Großinvestoren und damit der Wettbewerb um gute Objekte, was sich letztlich aber wiederum in höheren Renditen widerspiegelt.

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