Kapitalmarkt

Ein Jahr Pfandbriefgesetz was hat es gebracht?

Anlässlich des ersten Geburtstages stellt sich beim Nachwuchs meistens
die Frage, läuft er schon? Übertragen auf das Pfandbriefgesetz
(PfandBG), das am 19. Juli 2005 in Kraft getreten ist, ist dessen
erster Jahrestag mithin willkommene Gelegenheit zur Standortbestimmung
und Anlass für ein erstes Resümee. In dem Gesetzentwurf der
Bundesregierung für ein Pfandbriefgesetz heißt es: "Mit dem
Pfandbriefgesetz werden die rechtlichen Vorgaben zur Emission von
Pfandbriefen grundlegend modernisiert und den maßgeblich veränderten
äußeren Rahmenbedingungen und Marktgegebenheiten angepasst".
\
Investoren begrüßen PfandBG
\
Hinter dieser sehr generell gehaltenen Erklärung verbergen sich
bedeutende Entwicklungen in der deutschen Kreditwirtschaft und auf den
internationalen Kapitalmärkten, die sich auf den Pfandbrief auswirkten
und zum Handeln zwangen: die Abschaffung der Gewährträgerhaftung und
die Modifizierung der Anstaltslast, die zunehmende Bedeutung
gemischter gegenüber reinen Hypothekenbanken, die
Internationalisierung des Pfandbriefabsatzes und der Pfandbriefidee
mit dem Entstehen ausländischer Covered Bonds und der daraus folgenden
Intensivierung des Wettbewerbs. Wurden mit dem Pfandbriefgesetz die
von der Bundesregierung verfolgten Ziele erreicht?
\
Ob die "Operation Pfandbrief" gelungen ist oder nicht, beantwortet am
besten der Markt. Daran gemessen lässt das Ergebnis keine Wünsche
offen. Investoren und Ratingagenturen haben den neuen, einheitlichen
Gesetzesrahmen positiv aufgenommen. Seit dem Inkrafttreten des PfandBG
kam es zu keinen Downgradings, aber zu einigen Verbesserungen von
Pfandbriefratings. Selbst im Fall der AHBR blieben die
Pfandbriefratings stabil. Es war also richtig, dass der Gesetzgeber
die im Hypothekenbankgesetz (HBG) angelegten und bis zuletzt
modernisierten Sicherungsmechanismen, insbesondere die Abschottung der
Deckungsmassen im Fall einer Krise des Emittenten, in das PfandBG
übernommen hat.
\
Vor allem im Ausland, wo Investoren nicht den gleichen Einblick in die
komplexen Strukturen des deutschen Bankensystems haben, wurden die
Reduzierung der gesetzlichen Regelungen zur Emission von Pfandbriefen
von drei auf eins und die erweiterten Publizitätspflichten der
Pfandbriefbanken begrüßt. Der Blick auf die Einstandspreise der
Emittenten am Pfandbriefmarkt zeigt, dass sich mit Inkrafttreten des
Pfandbriefgesetzes keine Verschiebungen, das heißt weder dauerhafte
Preisaufschläge nochabschläge am Sekundärmarkt für Pfandbriefe
eingestellt haben.
\
Eine Reduzierung der Einstandskosten konnte nicht erwartet werden.
Denn das PfandBG wurde nicht geschaffen, um Qualitätsprobleme zu
beheben. Der Pfandbrief war bereits vor Inkrafttreten des PfandBG ein
Qualitätsprodukt und es galt, seine besondere Qualität angesichts des
genannten Anpassungsbedarfs unbedingt zu bewahren.
\
Auswirkungen auf die Primärmarktaktivität
\
Zwölf Monate nach Inkrafttreten des PfandBG lassen sich (noch) keine
Auswirkungen auf das Niveau der Emissionstätigkeit erkennen. Der
Erstabsatz von Pfandbriefen war 2005 leicht rückläufig, der
Nettoabsatz im nunmehr fünften Jahr negativ. Das heißt der
Pfandbriefumlauf hat sich seit seinem Höhepunkt bei 1 106 Milliarden
Euro im Jahr 2000 kontinuierlich auf nunmehr 976 Milliarden Euro
verringert. Den Umstand, dass es diesbezüglich zu keiner Trendumkehr
gekommen ist, als Versagen des PfandBG zu interpretieren wäre indes
falsch.
\
Es wird zuweilen vergessen, dass der Pfandbrief ein
Refinanzierungsinstrument darstellt und die Emissionstätigkeit somit
vom Aktivgeschäft abhängt. So ist zu bedenken, dass das dynamische
Wachstum des Öffentlichen Pfandbriefs in den neunziger Jahren ein
Resultat des wiedervereinigungsbedingten Finanzbedarfs der
öffentlichen Hand und zuweilen sehr ambitioniertem Emissionsverhaltens
war. Der Beginn des 21. Jahrhunderts war dagegen in Deutschland
konjunkturbedingt von einer insgesamt gedämpften Kreditnachfrage
geprägt.
\
Die zunehmende Emissionstätigkeit von Landesbanken und Sparkassen, mit
der allgemein gerechnet worden war, hat sich noch nicht realisiert.
Die Landesbanken haben sich vor Verlust der staatlichen
Garantiemechanismen noch mit Liquidität eingedeckt, so dass insgesamt
nur wenig Refinanzierungsbedarf besteht. Der Anteil des Pfandbriefs an
den in diesem Jahr dennoch von Landesbanken und einigen Sparkassen
über den Kapitalmarkt aufgenommenen Geldern ist jedoch beträchtlich
und unterstreicht, dass die Bedeutung des Pfandbriefs in deren Funding
zunehmen wird.
\
Refinanzierungsregister - wertvolle Ergänzung des PfandBG
\
Marktbeobachter gehen davon aus, dass ein weiteres Gesetzesvorhaben,
das im Herbst 2005 vollendet wurde, dem Pfandbriefmarkt, insbesondere
dem Hypothekenpfandbrief, nachhaltige Impulse liefern wird. Wollte bis
dato ein pfandbriefemittierendes Institut die von einer anderen Bank
ausgereichte Hypothekenfinanzierung über einen Hypothekenpfandbrief
refinanzieren, bedurfte es der zeit- und kostenintensiven Übertragung
von Forderung und Grundpfandrecht auf das Pfandbriefinstitut. Das nun
im Kreditwesengesetz aufgenommene Refinanzierungsregister erlaubt
Kreditinstituten Immobilienfinanzierungen und diese sichernde
Grundpfandrechte treuhänderisch und insolvenzfest für Pfandbriefbanken
oder Zweckgesellschaften zu halten. Damit entfällt das Erfordernis der
Übertragung von Forderung und Grundpfandrecht.
\
Ausgehend von einem Volumen von etwa 900 Milliarden Euro allein an
grundpfandrechtlich gesicherten Wohnungsfinanzierungen in Deutschland,
von denen nur rund 17 Prozent über Hypothekenpfandbriefe refinanziert
sind, lässt sich leicht erahnen, welches immense Potenzial an
deckungsfähigen Krediten sich auf den Bilanzen nicht
pfandbriefemittierender Kreditinstitute befindet und bisher der
Pfandbriefrefinanzierung nicht oder nur schwer zugänglich war. Einige
Banken haben bereits ein Refinanzierungsregister angelegt, andere
bereiten die Einrichtung vor. Es wäre deshalb sehr zu begrüßen, wenn
die noch nicht erlassene Refinanzierungsregister-Verordnung nunmehr
schnell verabschiedet werden würde, damit die Kreditinstitute
abschließend Rechtssicherheit für die Anlegung der
Refinanzierungsregister erhielten.
\
Bedeutung des Pfandbriefs für Emittenten gewachsen
\
Vor Inkrafttreten des PfandBG war eine der viel diskutierten Fragen,
ob sich die überschaubare Gruppe der Emittenten wesentlich vergrößern
und dadurch die Homogenität am Pfandbriefmarkt beeinträchtigt werden
würde. Diese Frage kann man heute mit einem klaren Nein beantworten.
Die Anzahl der Pfandbriefemittenten hat sich nicht maßgeblich
verändert. Es erweist sich, dass die Investitionen für den Erwerb und
die Aufrechterhaltung einer Pfandbrieflizenz durchaus ins Gewicht
fallen und rein opportunistisch motivierte Emissionspläne unrentabel
sind.
\
Das PfandBG erfüllt damit seinen Zweck. Denn es war keineswegs das
Ziel, die Nutzung des Pfandbriefs durch möglichst viele Institute auf
Kosten der Qualität des Pfandbriefs zu erreichen. Vielmehr sollte die
Pfandbriefemission allen Kreditinstituten zu den gleichen Bedingungen
zugänglich gemacht werden. Die einzuhaltenden Bedingungen aber müssen
die hohe Qualität sichern.
\
Der Nutzen einer Investition in eine Pfandbrieflizenz ist bei
dauerhafter und nachhaltiger Emission besonders groß, das heißt er
steigt mit wachsender Bedeutung des Pfandbriefs für die
Geschäftsstrategie einer Bank. Im Umkehrschluss lässt sich sagen, dass
der Pfandbrief für alle Pfandbriefemittenten eine besondere Bedeutung
hat und die Pflege und Entwicklung des Pfandbriefmarktes deshalb weit
oben auf deren Agenda steht. Der Erhalt dieses institutsübergreifenden
Interesses am Pfandbrief ist für den Markt wünschenswert und kann auch
als Erfolg des PfandBG gesehen werden.
\
Obwohl die Zahl der Pfandbriefbanken sich seit Inkrafttreten des
PfandBG nicht maßgeblich verändert hat, hat es die Konsolidierung in
der Kreditwirtschaft insgesamt doch vorangetrieben und die Anzahl der
Institute verringert. Denn die Abschaffung des Spezialbankprinzips hat
in einigen Fällen die Reintegration der Pfandbriefaktivitäten, die
zuvor in eigenen Hypothekenbanktöchtern gebündelt waren, in die
jeweiligen Mutterinstitute bewirkt, ein Prozess, der noch nicht zum
Abschluss gekommen sein dürfte. Dass Deutschland mit dem PfandBG als
Emissionsbasis an Attraktivität gewonnen hat, wird durch die
Rückgewinnung vom Emissionsgeschäft, das zuvor in das Ausland
verlagert worden war, unterstrichen.
\
Die Pfandbriefbanken, insoweit sie ehemalige Hypothekenbanken und
Schiffsbanken sind, haben mit dem PfandBG die zugegebenermaßen warme,
aber eben doch enge Jacke des HBG und des Schiffsbankgesetzes
abgelegt. Das heißt, dass sie außerhalb des Pfandbriefgeschäftes jedes
Bankgeschäft nach Maßgabe der bankrechtlichen Voraussetzungen
betreiben dürfen. Pfandbriefbanken nehmen den neuen Spielraum an.
\
Neu gewonnener Spielraum
\
Die Institute nutzen ihr Expertenwissen in der Immobilien-, Staats-
und Schiffsfinanzierung, um ihre Marktstellung in noch stärkerem Maß
international zur Geltung zu bringen und ihr Angebot durch ergänzende
Dienstleistungen abzurunden. Sie erschließen Ertragspotenziale auf
ausländischen Märkten systematisch und umfassend und weiten den
Auslandsanteil ihrer Deckungsmassen, aber auch des
Außerdeckungsgeschäfts, kontinuierlich aus. 2005 wurden bereits 43
Prozent des Immobilienfinanzierungsgeschäfts der vdp-Mitglieder im
Ausland generiert. In der Staatsfinanzierung lag dieser Anteil bei 34
Prozent des Neugeschäfts.
\
Im Jumbo-Markt wurde der Pfandbrief im letzten Jahr bei Neuemissionen
erstmals von den spanischen Cedulas auf den zweiten Platz verwiesen.
Als Zeichen der Schwäche des PfandBG ist dies sicherlich nicht zu
werten. Die positive Entwicklung des Cedulas-Marktes ergibt sich aus
der Dynamik der spanischen Immobilienmärkte und der sich immer weiter
verbreitenden Nutzung des Produkts durch spanische Banken.
\
In Deutschland stellt sich diesbezüglich, wie bereits ausgeführt, die
Situation ganz anders dar. Ein Blick auf die Einstandssätze am
Covered-Bond-Markt zeigt deutlich, dass der Pfandbrief zu den von
Investoren meistgeschätzten Covered Bonds zählt. Zudem sei darauf
hingewiesen, dass deutsche Emittenten im letzten Jahr die günstigen
Refinanzierungsmöglichkeiten über den traditionellen Pfandbrief
nutzten.
\
Zuweilen wird befürchtet, der Pfandbrief könnte an Bedeutung
verlieren, weil Sparkassen sich statt über den Pfandbrief über den
luxemburgischen Lettre de Gage refinanzieren könnten. Denn das
luxemburgische Hypothekenbankgesetz ermöglicht die Indeckungnahme
ungarantierter Sparkassenbriefe als öffentliche Deckungswerte zur
Emission von Lettre de Gage Publique, so wie dies vor dem 19. Juli
2005 auch in Deutschland möglich war. Diese Befürchtung erscheint
übertrieben.
\
Luxemburger Konkurrenz?
\
Eine hohe Konzentration solcher Deckungswerte in den Deckungsmassen
luxemburgischer Emittenten würde die Ratingagenturen veranlassen, die
Überdeckungsanforderungen zum Erreichen eines AAA anzuheben, so dass
die Rentabilität dieser Geschäfte in Frage gestellt würde. Ein
Geschäftsmodell, das alleine auf der Indeckungnahme solcher
Forderungen basiert, dürfte somit nicht tragfähig sein. Darüber hinaus
dürfte der Lettre-de-Gage-Markt aufgrund seiner überschaubaren Größe
dauerhaft keine echte Ausweichmöglichkeit für Pfandbriefemittenten
sein.
\
Wie die zurzeit vorangetriebene Novellierung des irischen Gesetzes
über Asset Covered Securities (ACS), das unter Fachleuten als eines
der strengsten Gesetze gilt, zeigt, kann das PfandBG so schlecht nicht
sein. Denn in das ACS-Gesetz sollen einige der Sicherungsmechanismen
des PfandBG übernommen werden.
\
Das PfandBG gibt einen gesetzlichen Mindeststandard vor, dessen
Erfüllung verbindlich ist. Die darin festgelegten Normen sind ein
Ergebnis jahrzehntelanger Fortentwicklung der Vorgängergesetze
insbesondere des HBG. Auch die nicht gesetzlich normierten Produkt-
und Marktstandards haben sich über die Zeit entwickelt.
\
Dieses permanente Vorantreiben der Qualitätsstandards beruht auf der
Bündelung der Interessen der Pfandbriefemittenten in einem
fokussierten Verband, der den kontinuierlichen Austausch mit den
Ministerien, der Aufsicht und dem Markt betreibt. Die konsequente
Marktpflege und die Festigung der führenden Stellung des Pfandbriefs
im internationalen Wettbewerb ist nur dank der aktiven Beteiligung der
Emittenten an den diesbezüglichen Aktivitäten denkbar.
\
Die Einführung eines einheitlichen Gesetzesrahmens für
Pfandbriefbanken bot die einmalige Gelegenheit, erstmals eine
bankengruppenübergreifende Organisation der Interessen der
Pfandbriefemittenten anzugehen. Der vdp bietet seitdem allen
Pfandbriefemittenten ein Forum, um gemeinsam die Pfandbriefqualität zu
wahren und die Infrastruktur des Marktes weiterzuentwickeln.
\
Seit dieser Öffnung hat sich die Basis der im vdp vertretenen
Pfandbriefinteressen verbreitert. Auch dies ein Zeichen der
zunehmenden Bedeutung, die der Pfandbrief für seine Emittenten hat. Es
ist zu hoffen, dass sich diese Entwicklung im Interesse aller
Pfandbriefemittenten fortsetzt.
\
Richtige Weichenstellung für die Zukunft
\
Für den Pfandbrief - so hieß es vor Jahresfrist noch feststellend -
bedeute das PfandBG eine Zäsur. Heute wissen wir außerdem, dass mit
dem PfandBG die Weichen für die Zukunft des Pfandbriefes richtig
gestellt wurden. Der Systemwechsel, insbesondere die Aufhebung des
Spezialbankprinzips einerseits und der Wegfall der staatlichen
Haftungsmechanismen andererseits, ist ohne Einbußen der
Pfandbriefqualität bewerkstelligt worden.
\
Die gute Aufnahme durch die Investoren bestätigt das. Das PfandBG hat
damit den Finanzplatz Deutschland im Allgemeinen vorangebracht und den
Pfandbriefbanken im Besonderen den Weg in die Zukunft aufgezeigt.
\
Die Antwort auf die eingangs zitierte Frage kann mit Blick auf den
Pfandbrief nur lauten: Er läuft und läuft und läuft. Und das ist im
hohen Alter von 237 Jahren schließlich kein selbstverständlicher
Befund. Das PfandBG hat seinen Anteil daran.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X