Messeausgabe 2010

Kompetitive Eigenschaften der REIT-Regime in der EU

In Anlehnung an das originäre US-amerikanische Vorbild ist seit Ende der neunziger Jahre international ein deutlicher Zuwachs an Real-Estate-Investment-Trust-Regimen (REIT-Regimen) zu verzeichnen. So ist es ab 2003 auch zu einer deutlichen Zunahme von REIT-Regimen innerhalb der Europäischen Union (EU) gekommen, deren 27 Mitgliedsstaaten bereits elf nationale REIT-Gesetze verabschiedet haben (vergleiche Tabelle 1). Damit wurde auch innerhalb der EU das Universum indirekter Immobilienanlagen um das State-of-the-Art-Immobilienanlageprodukt gemäß internationalen Standards erweitert und die Basis für einen europäischen REIT-Markt geschaffen. Trotz der sehr kurzen Historie des Anlagevehikels in der EU liegt die Anzahl der bestehenden Unternehmen bereits bei etwa zweidrittel des lang etablierten US-REIT-Marktes. Dennoch kann von einem "EU-REIT-Markt" nicht gesprochen werden. Induziert durch unterschiedliches nationalstaatliches Recht, die steuerliche Souveränität der einzelnen EU-Staaten und divergierende Interessenlagen, weisen die jeweiligen REIT-Regime erhebliche Disparitäten auf.

Für Immobilien-Aktiengesellschaften mit Konversionsabsichten, Non-Property Companies mit der Absicht zur Ausgliederung betrieblicher Immobilien und potenzielle REIT-Investoren stellt sich somit die Frage nach den Unterschieden der einzelnen Regime sowie deren Vor- und Nachteile im Hinblick auf ihre individuelle Interessenlage. Die Beantwortung dieser Frage hat sich eine Untersuchung des Forschungscenters Betriebliche Immobilienwirtschaft der Technischen Universität Darmstadt zur Aufgabe gemacht1); die Untersuchung umfasst alle acht REIT-Regime, auf deren Grundlage es bereits zu Unternehmensgründungen gekommen ist.

Vergleich der Anforderungen

Als konzeptionelle Grundlage der einzelnen REIT-Regime waren neben der Orientierung an bestehenden REIT-Strukturen auch spezifische nationalstaatliche Interessen von Belang. So stellen die EU-REIT-Regime einerseits darauf ab, eine möglichst vorteilhafte Position im EU-internen Wettbewerb um die Partizipation an internationalen Kapitalströmen zu erreichen.2) Andererseits sind die Strukturen maßgeblich darauf ausgelegt, Steuerverluste im "fiskalischen Wettbewerb" um Steuereinnahmen zu unterbinden.3) Hinzukommen nationalstaatliche Spezifika, die individuellen politischen Motiven geschuldet sind.4)

Die daraus resultierenden Anforderungen an den REIT-Status lassen sich grob in fünf Bereiche gliedern: formale Anforderungen, Geschäftstätigkeit, Statustests, Steuern und Sanktionen (vergleiche Tabelle 2). Der Vergleich der einzelnen Anforderungen zeigt dabei im Detail ein weitläufiges Spektrum unterschiedlichster Regelungen; starken Restriktionen mit komplexen Einzelregelungen einerseits stehen liberale Anforderungen andererseits gegenüber, die auf einzelne Regelungen teilweise völlig verzichten.

Zusammenfassend besteht bei den untersuchten REIT-Regimen weitgehend Konformität in Bezug auf Kapitalmarktfähigkeit, Geschäftstätigkeit im Bereich der passiven Immobilienanlage, hohe Dividendenausschüttungen und Steuertransparenz. Verallgemeinernd können diese als die wesentlichen konstituierenden Elemente eines REIT-Regimes in der EU betrachtet werden. Darüber hinaus stellen die einzelnen Regime entweder grundsätzlich unterschiedliche Anforderungen an den REIT-Status oder verlangen für übereinstimmende Anforderungen unterschiedliche Ausprägungen, die sich zusätzlich noch nach unterschiedlichen Bezugsgrößen richten.

Exemplarisch ist unter anderem bei REIC und UK-REIT der Gearing-Test Bestandteil der Anforderungen an den REIT-Status, während zum Beispiel SIIC oder SIIQ keine derartige Restriktion vorsehen. Weiter beschränkt der Gearing-Test der REIC die Fremdkapitalaufnahme auf 50 Prozent, wobei als Bezugsgröße das Gesamtvermögen (zu Buchwerten) dient. Dagegen besteht der Gearing-Test des britischen REITs in einer Beschränkung der Fremdkapitalkosten anhand eines Quotienten5), der auf den Gewinn als Bezugsgröße abstellt. Hinter der terminologisch suggerierten Konformität stehen somit im Detail vielfach Regelungen, die nicht nur unterschiedlich, sondern inkommensurabel sind; von einem EU-weiten Standardprodukt im eigentlichen Sinne kann daher bislang nicht gesprochen werden.

Implikationen

Für Immobilien-Aktiengesellschaften ohne REIT-Status sind vorrangig die jeweiligen Konditionen einer Konversion von Interesse. Im Gegensatz zum REIT werden Immobilien-Aktiengesellschaften gesetzlich nicht näher reglementiert, woraus sich ein weites Spektrum unterschiedlicher Geschäftsmodelle entwickelt hat. Während im Zuge der Konversion Anpassungen im formalen Bereich vergleichsweise unproblematisch sind, bestehen im Bereich der Geschäftstätigkeit und durch die konstituierenden Statustests grundlegende Unterschiede zwischen Immobilien-AG und REIT. Aus steuerlicher Sicht sind neben (individuellen) Detailfragen insbesondere auch steuerliche Anreize im Sinne von Exit-Tax-Regelungen relevant.

Naturgemäß sind die vielfältigen Wertschöpfungsaktivitäten von Immobilien-Aktiengesellschaften (zum Beispiel Geschäftsmodelle wie Trader-Developer) mit den gesetzlichen Anforderungen der REIT-Regime nur eingeschränkt kompatibel. Exemplarisch kann eine Immobilien-AG, die ergänzend zum Bestandsgeschäft Projektentwicklungen für Dritte durchführt (Investor-Developer) dieses Geschäftsmodell im besten Fall mit starken Einschränkungen fortführen (beispielsweise UK-REITs). Vielfach ist ein derartiges Geschäftsmodell mit dem REIT-Status aber grundsätzlich nicht vereinbar (REIC, SPIC). Insofern sind geringe Restriktionen auf Seiten der REIT-Regime in Richtung einer hohen Kompatibilität zur Immobilien-AG zu interpretieren und verringern die Barrieren für eine Konversion. Eine allgemein liberale Ausgestaltung der Bestimmungen zur Geschäftstätigkeit sowie der Statustests bestehen bei SICAFI, SIIC und SIIQ.

Steuerliche Konversionsanreize bestehen bei vier der acht untersuchten Regime. So sehen die Gesetzgebung von SICAFI, SIIC, UK-REIT und SIIQ jeweils eine Exit-Tax-Regelung vor, die im Falle einer Konversion die Verringerung der regulären Steuern oder deren Substitution durch eine geringere Ersatzsteuer zulässt. Ergänzend ist davon auszugehen, dass im Bereich der Sanktionen unkomplizierte und weniger umfangreiche Regelungen bevorzugt werden, die in dieser Form bei SIIC und SIIQ bestehen.

Aus Perspektive von Non-Property Companies sind REITs als Vehikel zur Ausgliederung betrieblicher Immobilien von Interesse. Vereinfachend dargestellt ermöglicht die Ausgliederung betrieblicher Immobilien das Freisetzen gebundenen Kapitals und leistet somit einen Beitrag zur Verbesserung der Liquidität. Im Zuge einer solchen Transaktion von Bedeutung sind sowohl gesetzliche Beschränkungen für das Einbringen von Immobilien als auch Anreize zur Ausgliederung. Einschränkungen für das Einbringen betrieblicher Immobilien ergeben sich bei den acht untersuchten Regimen nur in Einzelfällen aus den Statustests. So ist etwa die Kompatibilität des einzubringenden Immobilientyps mit gegebenenfalls vorhandenen Asset-Tests abzugleichen oder die Effekte der Immobilienfinanzierung auf die Kapitalstruktur des REITs im Hinblick auf Gearing-Tests zu berücksichtigen.6) Die unproblematischsten Voraussetzungen finden sich hier bei SPIC, SICAFI, SIIC und SIIQ, wobei im Prinzip alle acht Regime gute Voraussetzungen bieten. Einen steuerlichen Anreiz zur Ausgliederung von Immobilien sehen SICAFI, SIIC und SIIQ vor, deren Exit-Tax-Regelungen die Konversion in den REIT-Status und das Einbringen von Immobilien umfasst.

Aus Sicht von Investoren sind REITs vornehmlich als Kapitalanlageinstrument von Belang, welches eine Allokation in Immobilien bei weitgehender Reduzierung der typischen Unvollkommenheiten direkter Investitionen ermöglicht. Für die Attraktivität der Regime sind neben Präferenzen für bestimmte gesetzliche Ausgestaltungen insbesondere die Besteuerung der Ausschüttungen sowie gegebenenfalls vorhandene Investitionsanreize von Bedeutung.

Die gesetzliche Ausgestaltung der Regime sollte aus Sicht institutioneller Investoren den Schwerpunkt der Geschäftsaktivitäten im Bestandsgeschäft ansiedeln aber gleichermaßen Projektentwicklungen (für den eigenen Bestand) zulassen. Zudem werden Gearing- und Ownership-Tests favorisiert, die keinerlei Einschränkungen vorsehen; Distribution-Tests sollten eine hohe, jedoch keine 100-prozentige Ausschüttung festlegen.7) Insgesamt kommt diesen Investorenpräferenzen die gesetzliche Ausgestaltung der SIIC- und SIIQ-Regime sehr nahe. Die niedrigste Besteuerung von Dividenden fällt für institutionelle Investoren (Körperschaften) bei Investitionen in REIC, SPIC und FBI an. Dagegen unterliegen private Anleger (natürliche Personen) bei Ausschüttungen von REIC, SPIC und SICAFI den geringsten Besteuerungen.8) Zusätzliche Anreizstrukturen für institutionelle Investoren wurden bei zwei der untersuchten REIT-Regime geschaffen. So lässt das deutsche REIT-Gesetz an Stelle der für Versicherungsunternehmen, Pensionskassen, Versorgungswerke und andere aufsichtsrechtlich vorgeschriebenen Immobilieninvestitionen (Immobilienquote) auch Investitionen in REIT-Aktien zu. Die italienische Gesetzgebung sieht dagegen vor, dass Ausschüttungen einer SIIQ an italienische Pensions- und Investmentfonds (sowie andere SIIQs) von der Quellensteuer befreit werden.

Differenziertes Bild

Aus Perspektive der unterschiedlichen Marktteilnehmer ergibt sich somit ein differenziertes Bild. In der verdichteten Betrachtung finden Immobilien-Aktiengesellschaften für eine Konversion in den REIT-Status bei SICAFI, SIIC und SIIQ allgemein gute Voraussetzungen. Diese Regime zeichnen sich sowohl durch vergleichsweise hohe Kompatibilität im Bereich der operativen Rahmenbedingungen als auch durch eine vorhandene Exit-Tax-Regelung aus. Ebenfalls bieten diese Regime die größten Vorteile für die Ausgliederung betrieblicher Immobilien durch Non-Property Companies; dies begründet sich im Wesentlichen durch die affirmativen Bedingungen im Bereich der Statustests und der diesbezüglichen Exit Tax. Ein weniger eindeutiges Bild ergibt sich für potenzielle Investoren.

Einerseits werden die Investorenpräferenzen zur gesetzlichen Ausgestaltung von REIT-Regimen am ehesten von SIIC und SIIQ erfüllt. Andererseits unterliegen Investoren bei REIC und SPIC der geringsten Besteuerung, während für G-REIT und SIIQ zusätzliche Investitionsanreize geschaffen wurden. Für die weitläufigen Unterschiede der EU-REIT-Regime und die Vorteile von deren Angleichung entwickelt sich ein zunehmendes Bewusstsein. So sind anhand von Initiativen der EPRA und der EU-REIT-Coalition bereits erste Bemühungen in Richtung einer sukzessiven Harmonisierung zu erkennen.9) Bis zu einer allgemeinen Vereinheitlichung der Strukturen ist es an den Marktteilnehmern, bestehende Unterschiede zu ihrem Vorteil zu nutzen. Nicht zuletzt entscheiden die Marktteilnehmer so über den tatsächlichen Erfolg einzelner REIT-Regime am Markt.

Fußnoten

1) Die vollständige Untersuchung "Komparative Untersuchung der EU-REIT-Regime" kann kostenfrei über die Homepage des Forschungscenters Betriebliche Immobilienwirtschaft von Prof. Dr. Pfnür an der TU Darmstadt heruntergeladen werden (www. immobilien-forschung.de).

2) Vergleiche Knoflach, B./Körfgen, T. (2007): Grundkonzeption und Verbreitung der Real Estate Investment Trusts, Seite 4. In: Schäfer, J. (Hrsg.), REITs, München, 2007.

3) Vergleiche Hughes, F./Lewis, G. (2008): The Ideal European REIT - What does it look like?, Seite 88. In: McGreal, S./Sotelo, R. (Hrsg.), The Introduction of REITs in Europe, Wien, 2008.

4) Exemplarisch schließen die deutsche und die griechische REIT-Gesetzgebung Investitionen in (Bestands-) Wohnimmobilien aus, während die belgische und die italienische Gesetzgebung diese durch Reduzierung der Dividendenbesteuerung besonders fördern.

5) Der Quotient von Gewinnen aus der steuerlich privilegierten Geschäftstätigkeit zu Fremdkapitalkosten darf bei maximal 1,25 liegen.

6) Exemplarisch wird das Einbringen betrieblicher Wohnimmobilien (Werkswohnungen) durch die As-set-Tests des G-REITs und der REIC ausgeschlossen. 7) Vergleiche Barkow, P./Stanislawek, I. (2007): Anforderungen und Erwartungen institutioneller Investoren an G-REITs, Seite 233 ff. In: Schäfer, J. (Hrsg.), München, 2007.

8) Bezogen auf den Regelfall laufender, jährlicher Ausschüttungen inländischer REITs an inländische Gesellschafter. 9) Vergleiche EPRA (2008): European REITs and Cross-border Investment, Schiphol, 2008; ELO et al. (2009): REITs and Cross-border Property Investment, Brüssel et al., 2009.

Prof. Dr. Andreas Pfnür , Leiter des Fachgebiets Immobilienwirtschaft und Baubetriebswirtschaftslehre, Technische Universität Darmstadt
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