Messeausgabe 2010

Krisenbewältigung auf den Immobilienmärkten - was ist zu tun?

Um es vorab klar zu sagen: Es gibt keine Immobilienkrise. Das, was der Immobilienwirtschaft - neben vielen anderen Wirtschaftsbereichen - in den vergangenen Jahren widerfahren ist, ist die Folge eines ungesunden und ungehemmten Kapitalflusses. Die Krise ist nicht in der Immobilienwirtschaft selbst entstanden, vielmehr war diese Ziel globaler Finanzakteure auf der Suche nach Leverage getriebenen Renditen, und manchen Investoren erschien ein leeres Gebäude fast noch wertvoller als eines, das noch Mietverträge mit einer Restlaufzeit von drei bis fünf Jahren aufwies. Die Folgen sind bekannt.

Dennoch hat sich aus der Kapitalmarktorientierung der Immobilie eine Verzahnung mit den Kapitalmärkten ergeben, die sich nicht rückgängig machen lässt, und insofern muss auch der Immobilienmarkt mit den Folgen der Krise zurechtkommen. Und er kommt damit besser zurecht, als viele es prognostiziert hatten. Letztendlich entwickeln sich die weltweiten Kapitalmärkte, die sogenannte Realwirtschaft im Allgemeinen und die Immobilienwirtschaft im Besonderen aktuell und in absehbarer Zukunft nicht synchron. Es existieren nach wie vor enge Verflechtungen untereinander, allerdings lassen sich auch gewisse Abkopplungstendenzen erkennen, die zu einer sogenannten "neuen oder wiederentdeckten Normalität" führen.

Verunsicherung So fragt man sich zum Beispiel in Anbetracht der historisch niedrigen Kapitalmarktzinsen, warum die Wohneigentumsquote angesichts eines möglichen Hypothekenkredits mit 10-jähriger Laufzeit zu drei Prozent nicht in die Höhe schnellt? Warum nutzen Investoren den aktuell vorhandenen Spread zwischen Immobilienrenditen und Fremdfinanzierungszinsen nicht, um Leverage-Effekte zu nutzen? Oder warum gibt es aufgrund der derzeit höchst attraktiven Risikoprämie (gemessen an der Renditedifferenz zwischen Staatsanleihen und Anfangsrenditen) keinen Run auf gewerbliche Immobilien?

Die Beantwortung dieser Fragen mag im jeweiligen Einzelfall komplex sein, letztendlich aber lassen sich die Antworten auf einen Nenner bringen: Unsicherheit. Unsicherheit darüber, ob der aktuelle Wirtschaftsaufschwung nicht nur ein Strohfeuer ist und ein Rückfall in die Rezession droht, Unsicherheit darüber, warum denn die Europäische Zentralbank angesichts der guten Wirtschaftszahlen die Zinsen nicht wieder anhebt? Verunsicherung ist generell eine schlechte Basis für Investitionen, und solange ein gewisses Maß an Sicherheit nicht wieder die Oberhand gewinnt, werden Entwicklungen auftreten und Entscheidungen getroffen, die rational betrachtet konträr zu dem laufen, was angesichts der Zahlen und Fakten eigentlich hätte passieren sollen.

Damit wird aber auch eine wichtige Erkenntnis deutlich, die gegenwärtig zum Beispiel auch die Aktienmärkte prägt: Anleger - ob privat oder institutionell - können sich immer weniger auf altbekannte Zyklen verlassen. Investieren wird komplexer und damit müssen auch Modelle und Analysen umgestellt und angepasst werden, insbesondere wenn es darum geht, aus historischen Trends Ableitungen für die Zukunft zu erarbeiten. Dies gilt im Besonderen für die gewerblichen Immobilienmärkte, deren Benchmark für Preis- beziehungsweise Wertentwicklung in der Vergangenheit fast ausschließlich durch die Mietpreisentwicklung bestimmt wurde. Das hat sich geändert und mit der Behandlung der Immobilie als Kapitalmarktprodukt haben sich dementsprechend auch die preisbestimmenden Einflussgrößen geändert.

Aus "buy and hold" ist "buy, manage and sell" geworden, in dessen Vordergrund bei vielen Investoren möglichst kurzfristige Wertsteigerungen stehen. Diese

Strategien fanden in Deutschland in den Jahren 2005 bis 2007 ihren Höhepunkt. Nicht alle Strategien sind aufgegangen und mit der Wirtschafts- und Finanzkrise hat eine Rückbesinnung auf das stattgefunden, was den eigentlichen Wert einer Immobilie ausmacht: den Mieter. Insofern könnte man durchaus selbstkritisch und überspitzt fragen: War denn nicht "früher doch alles besser"?

Wert eines Mieters

Darüber zu sinnieren, ist müßig und die Frage lässt sich so auch nicht beantworten, denn auch bei der Rückbesinnung auf den Mieter stehen finanzwirtschaftliche Aspekte mittlerweile im Fokus, und waren zum Beispiel Banken in der Vergangenheit typische "1a-Mieter", so stehen manche Eigentümer dieser Klientel mittlerweile auch skeptisch gegenüber. Mit anderen Worten, Benchmarks aus dem Kapitalmarkt wie Bonitäten, Risikoeinstufungen oder Ratings bestimmen den "Wert eines Mieters" und damit letztendlich den Wert der Immobilie.

Wo stehen wir also in der Diskussion über den aktuellen Wert der Immobilien und wie werden sich die Märkte entwickeln? Wenn man sich die Entwicklung auf den deutschen gewerblichen Investmentmärkten ansieht, so stellt man fest, dass sich der Aufwärtstrend, der sich seit Herbst vergangenen Jahres erkennbar zeigt, fortgesetzt und verfestigt hat.

Zwar lag das Quartalsergebnis (Q2 2010) mit 4,4 Milliarden Euro rund 600 Millionen Euro unter dem des ersten Quartals, doch war angesichts der im Frühjahr aufkeimenden Verunsicherung wegen der Verschuldungskrise der (süd)europäischen Staaten realistischerweise auch nicht mehr erwartet worden.

Die Diskussionen über die möglichen Veränderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen bei Offenen Immobilienfonds, in deren Folge einige Fonds erneut schließen mussten, hatten die allgemeine Verunsicherung weiter erhöht. In Anbetracht dieser Umstände erscheint die Höhe des Transaktionsvolumens in einem positiven Licht. Es spricht aber im Herbst 2010 vieles für die Immobilie.

- Zum einen ist die Immobilie als Investitionsgut attraktiv wie selten, denn es fehlt an rentablen Alternativen. So liegt zum Beispiel der Abstand zwischen Bürorenditen und 10-jährigen Staatsanleihen bei über 200 Basispunkten.

- Zum anderen hat sich Deutschland als Investitionsstandort auf der internationalen Bühne zurückgemeldet. Das Vertrauen in die deutsche Wirtschaft ist weiterhin sehr hoch, und die an Sicherheit interessierten institutionellen Investoren finden in deutschen Immobilien das, was sie suchen. Damit kehrt die Internationalität zurück und die aktuelle Schwäche des Euro gegenüber dem Dollar verleiht den "Nicht-Euro-Investoren" einen für sie angenehmen Währungseffekt.

Ein Gesamtjahresergebnis von bis zu 20 Milliarden Euro Transaktionsvolumen dürfte erreichbar sein. Neben dem günstigen Kapitalmarktumfeld hat sich auch die Möglichkeit der Fremdkapitalbeschaffung in den vergangenen Wochen

und Monaten entspannt und wird dafür sorgen, dass auch größere Objektvolumina gestemmt werden können. Hinzu kommt, dass sich die immobilienwirtschaftlichen Fundamentaldaten im weiteren Verlauf des Jahres aufhellen werden. Dies wird neben den günstigen Kapitalmarktdaten die Investitionsbereitschaft weiter erhöhen.

Core im Fokus

Der Fokus der Investoren richtet sich nach wie vor auf Core-Investments. Der daraus resultierende Nachfragedruck führt dazu, dass die Büro-Spitzenrenditen (Nettoanfangsrenditen) zum Ende des 1. Halbjahres weiter nachgegeben haben, im Schnitt sanken sie über alle Hochburgen um fünf Basispunkte von 5,24 auf 5,19 Prozent. Diese Spitzenrendite gilt für Objekte mit einer erstklas-sigen Ausstattung, das Objekt muss zu einer der Gebäudequalität entsprechenden Marktmiete vermietet sein, die gewichtete Restlaufzeit der Miet-verträge beträgt zehn Jahre. Abweichungen von dieser Core-Definition führen zu entsprechenden Renditeaufschlägen.

Weicht zum Beispiel die Lage von dem geforderten Top-Standard ab, liegt der Rendite-Spread im Schnitt von "prime" und dem so definierten "secondary" Objekt aktuell bei rund 70 Basispunkten. Seit Anfang 2009 hat sich dieser Abstand sogar noch vergrößert und bestätigt damit den Trend, dass sich der deutsche Investmentmarkt hinsichtlich der Preisentwicklung stärker ausdifferenziert. Auf den Büromärkten zeigte sich nach zwei Jahren mit rückläufiger Entwicklung im ersten Halbjahr 2010 wieder eine positive Wertentwicklung. Aggregiert nahm der Kapitalwert-Index um rund 4,5 Prozent zu. Dieser Anstieg ist allein den Rückgängen der Spitzenrendite geschuldet, während es bei den Spitzenmieten noch vereinzelte Einbußen zu beobachten gab.

Das starke Interesse an Core-Immobilien erstreckt sich nicht nur auf die Büromärkte. Auch in anderen Immobiliensegmenten ist diese Nachfrage zu spüren, dies hat entsprechende Auswirkungen auf die Renditeentwicklung. Die Spitzenrenditen für Shopping Center, Fachmarktzentren und Lager/Logistik-Immobilien sind zwar im zweiten Quartal konstant geblieben, hatten jedoch schon im ersten Quartal um je 25 Basispunkte abgenommen. Die Spitzenrenditen für Geschäftshäuser in den besten Einkaufslagen der "Big-7" reduzierten sich sowohl im ersten als auch im zweiten Quartal leicht. Für den weiteren Verlauf des Jahres dürfte es in allen Segmenten weiteres Potenzial für Renditerückgänge geben.

Angesichts der übereinstimmenden Investitionsstrategien der Investoren, der aus dem Boden sprießenden Core-Fondskonstruktionen und der vorhandenen Liquidität, muss die Frage gestellt werden: Kann das so weitergehen? Nein. Zum einen wird irgendwann der Punkt erreicht sein, an dem die Renditen für Core-Produkte nicht weiter sinken werden, weil sie dann so teuer geworden sind, dass sie selbst für "Buy and hold"-Investoren nicht mehr attraktiv sind.

Zum anderen beginnt sich der Vermietungsmarkt aus der Starre zu befreien, die Flächennachfrage zieht langsam wieder an und mit ihr beginnen sich die Mieten, wieder nach oben zu entwickeln. Langsam zwar und auch hier zunächst für die besten Objekte und die besten Lagen, aber damit sollte das zurückkehren, was weiter oben als Blokkade angesprochen wurde: Vertrauen. Zumindest das Vertrauen, welches sich auf die Marktentwicklung bezieht. In dessen Folge werden auch andere Investoren mit anderen Strategien (Core plus, Value add) zurückkehren, die den Investmentmarkt weiter beleben werden. Dann werden auch die Renditen für Objekte "abseits von Core" sinken, eine Rückkehr zu einer Annäherung auf unter 50 Basispunkte wie 2007 erwartet Jones Lang Lasalle allerdings mittelfristig nicht.

Insgesamt befindet sich der deutsche Investmentmarkt aber in einer vergleichsweise besseren Verfassung als viele andere Märkte weltweit. Eine Preisblase hat es ebenso wenig gegeben wie einen Zusammenbruch der Vermietungsmärkte aufgrund steigender Arbeitslosigkeit. Wenn wir auch keinen Investmentboom erwarten, so sehen wir eine weitere Belebung der Nachfrage.

Neben den verbesserten Fundamentaldaten werden voraussichtlich auch 2011 die Zinsen weiterhin niedrig bleiben, was die Finanzierung von Immobilientransaktionen positiv beeinflussen sollte. Allerdings bleiben die Banken respektive deren Bereitschaft und deren Möglichkeiten (aufgrund von steigenden Eigenkapitalanforderungen), Kredite zu vergeben oder zu verlängern, ein limitierender Faktor. Entsprechend verharren die Risikoaufschläge weiterhin auf hohem Niveau mit Auswirkungen auf die Transaktionsgröße und die Verfügbarkeit von Produkten. In- und ausländische eigenkapitalstarke Investoren wie Versicherungen, Pensionskassen, Immobilienfonds und private Investoren werden allerdings auch im nächsten Jahr keine Kreditklemme spüren und den Investmentmarkt prägen.

Die in der Überschrift formulierte Frage "Was ist also zu tun?" impliziert eine direkte Aufforderung an die handelnden Akteure, aktiv zu werden. Da aber, wie oben ausgeführt, mittlerweile wesentliche Elemente von außerhalb auf die eigentliche Immobilienwirtschaft einwirken, reduziert sich die Antwort auf die Frage auf einen - wenngleich sehr wesentlichen - Aspekt: Ohne Mieter bleiben Immobilien wertlos, da kann noch so sehr gehebelt oder mit Zins-Spreads gearbeitet werden.

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