Schwerpunkt Einzelhandelsimmobilie

Dem Kunden auf der Spur - "Zukunftslabore" in Shoppingcentern

"In Zukunft kaufen die Kunden sowieso nur noch im Internet, der Laden in der Innenstadt gehört dann der Vergangenheit an: offline stirbt, online lebt!". Zukunftsvisionen wie diese bestimmen inzwischen die mediale Berichterstattung. Doch stimmen diese Prognosen wirklich? Verdrängt der Online-Handel tatsächlich das klassische Einzelhandelsgeschäft? Und wie orientiert sich eigentlich der Kunde innerhalb der Onlineund Offline-Einkaufswelt? Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, haben Roland Berger Strategy Consultants und die ECE in einer umfassenden Studie rund 42 000 Konsumenten deutschlandweit zu ihrem Einkaufsverhalten befragt. Zusätzlich führten fast 2 000 Studienteilnehmer einen Monat lang persönliche Einkaufstagebücher. Darin hielten sie ihre Ausgaben genau fest - inklusive Kaufzeitpunkt, Produktgruppe und Vertriebskanal.

Die Analyse sämtlicher Daten förderte Überraschendes zutage. So ist der Anteil des Online-Handels zwar viel größer als angenommen: Sieben Prozent der Online-Käufe generieren 16 Prozent des gesamten Handelsumsatzes - Tendenz steigend. Doch für den stationären Händler mit seinem Ladengeschäft besteht trotzdem überhaupt kein Grund, vor der Online-Konkurrenz die Segel zu streichen. Denn: Zwei Drittel der Konsumenten sind Stammkunden im stationären Handel - das heißt, sie kaufen alle zwei Wochen und häufiger in der Innenstadt oder im Shoppingcenter ein.

Dagegen bestellen nur 13 Prozent der Konsumenten regelmäßig im Internet. Diese Zahlen belegen, wie wichtig der stationäre Handel nach wie vor für die Menschen ist. Zudem zeigt sich, dass neben der Kaufhäufigkeit auch der Anteil an Spontankäufen im Laden deutlich höher ist als im Netz. Ein wichtiger Wettbewerbsvorteil in einer Welt, in der die meisten Bedürfnisse der Kunden erst einmal wieder geweckt sein wollen, bevor sie befriedigt werden können.

Bedeutung des Preises

Eine weitere bemerkenswerte Erkenntnis: Der Preis ist nicht das entscheidende Kriterium für die Wahl des Einkaufkanals. Vielmehr punktet der traditionelle Handel mit persönlicher Beratung und Information vor Ort und mit der Möglichkeit, die Produkte im Laden anzuschauen, auszuprobieren und sofort mitzunehmen. In einer Multichannel-Einkaufswelt ist es also für den stationären Handel entscheidend, jene Kaufmotive der Kunden zu kennen, die mehr zählen als der Preis, anstatt sich einen Preiswettbewerb mit dem günstigsten Web-Anbieter zu liefern.

Auch ist der stationäre Handel weit davon entfernt, nur das Schaufenster für Online-Händler zu sein. Ganz im Gegenteil. Einkäufe, die online vorbereitet, dann aber im Geschäft getätigt werden, generieren einen elfmal höheren Umsatz als im umgekehrten Fall. Das "Showrooming" stellt für den stationären Handel also keine Bedrohung dar, sondern ist vielmehr eine Chance, die Nase vorn zu haben. So ist etwa festzustellen, dass selbst Hightech-Unternehmen wie beispielsweise Apple, die ganz auf das Internet setzen, große, repräsentative Flagshipstores in den wichtigsten Zentren eröffnen.

Eine weitere Überraschung: Selbst in der jungen Generation der "Digital Natives", die mit dem Internet aufgewachsen ist, gibt es eine große Gruppe von Konsumenten, die fast ausschließlich in traditionellen Läden einkauft, obwohl diese Kundengruppe täglich mehrere Stunden im Netz verbringt. Ihnen ist in erster Linie das emotionale Erlebnis beim Einkauf wichtig - vor allem gemeinsam mit Freunden.

Der stationäre Handel in Deutschland kann Kundenbedürfnisse befriedigen, die der Online-Handel noch nicht oder gar nicht wird befriedigen können. Allerdings müssen die Handelsunternehmen die Wünsche und Einkaufsbedürfnisse ihrer Kunden besser verstehen, um ihnen passende Angebote zu unterbreiten. Dabei kann eine Multichannel-Strategie hilfreich sein, die die Online- und Offline-Welt sinnvoll kombiniert. Um das Potenzial des Internets zu nutzen, muss nicht immer gleich ein eigener Online-Shop eröffnet werden. Schon die Information im Internet, ob ein Artikel im Ladengeschäft verfügbar ist, kann für viele Kunden ein starker Besuchsimpuls sein. Die Zukunft liegt also in der intelligenten Verzahnung digitaler Kanäle mit dem stationären Geschäft.

Gestützt auf die Ergebnisse der Studie hat die ECE im Alstertal-Einkaufszentrum in Hamburg und am Limbecker Platz in Essen sogenannte "Future Labs" gestartet. In diesen Zukunftslaboren werden neue interaktive Service-Angebote getestet - vom virtuellen Wegeleitsystem über eine Vielzahl von Social-Media-Verknüpfungen bis hin zu interaktiven Spielflächen. Die Testcenter sollen als Experimentierfelder für neue technische Trends und Ideen dienen. Entwicklungen, die den Kunden gefallen, werden weiterverfolgt und auch in anderen Shoppingcentern eingesetzt. Was nicht ankommt, verschwindet wieder aus dem Programm und wird durch neue Ideen ersetzt.

"Future Labs" in Hamburg und Essen

Die zentrale Frage der Testlabore lautet: Was können wir von den Online-Händlern lernen? Dabei ist eines gewiss: Auf das richtige Timing kommt es an. Entscheidend ist es, potenziellen Kunden maßgeschneiderte Informationen zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung zu stellen. Hierfür wurde - als ein Baustein neben anderen - eine kostenlose Applikation für Smartphones entwickelt, die individuell über Angebote, Veranstaltungen und Neuigkeiten informiert. Ein Punkte-Sammel- und Gutschein-System runden dieses Angebot ab.

Eine weitere Neuheit der "Future Labs" ist die "Mall Wall" - ein hochauflösender, vier mal vier Meter großer Mega-Bildschirm in der Ladenstraße, auf dem die Besucher mit Hilfe eines speziell entwickelten Touchscreens interaktiv agieren können. Zur Auswahl stehen zum Beispiel Modetipps, soziale Medien, Bloggerforen, Spiele und sogenannte "Augmented Reality"-Animationen, bei denen der Betrachter eine durch virtuelle Simulationen erweiterte Wirklichkeit erleben kann. Ein Angebot speziell für Kinder ist die interaktive Spielfläche "Reise der Riesen". Hier geht es für die Spielteilnehmer darum, auf einem Touchscreen, der am Boden verlegt ist, herumflitzende Autos oder Münzen einzufangen.

Als neue Art der Shop-Suche bietet das 3D-Wegeleitsystem "Your Way2go" die Möglichkeit, sich den schnellsten Weg zum gesuchten Store als 3D-Animation per QR-Code aufs Handy zu laden oder sofort am Bildschirm zeigen zu lassen. Ebenfalls neu ist "Gloria" - ein virtueller Mall Avatar. Die Nutzer kommunizieren mit der virtuellen Shoppingcenter-Führerin interaktiv über Touchscreen und Bildschirm. "Gloria" weiß alles über das Center, gibt nützliche Tipps und versendet Videobotschaften. Auch das "Info Gate" ist neu. Hier beantworten Servicemitarbeiter via Live-Videostream Fragen der Besucher - beispielsweise zu den Shops im Center oder zu den Abfahrtzeiten von Bussen und Bahnen. Neben diesen interaktiven Informationsmöglichkeiten bleibt aber die bisherige Kundeninformation mit persönlichen Ansprechpartnern bestehen.

Ein weiterer Baustein der "Future Labs" ist die "Multi Media Lounge" - ein Ort, an dem die Centerbesucher in entspannter Atmosphäre die neuesten Technologien von Samsung kennenlernen können, Tablets testen oder im Internet surfen. Darüber hinaus steht der bislang größte in Deutschland aufgestellte 3D-Fernseher (70 Zoll) von United Entertain zum Test bereit - und das ohne 3D-Brille.

Wer möchte, meldet sich am "Social- Check-in"-Terminal bei Facebook an und zeigt der Community, wo er sich gerade aufhält. Am "Photobuzzer" haben die Kunden darüber hinaus die Möglichkeit, ein Porträtfoto zu schießen und dieses anschließend auf die Facebook-Seite des Centers und die "Mall Wall" zu stellen. Außerdem bieten die Testcenter Wlan-Empfang - die Nutzer können sich per SMS registrieren lassen und erhalten einen Zugangscode. Und wem bei so vielen Aktivitäten der Saft ausgeht, der kann sein Smartphone oder Tablet an der Ladestation mit Energie versorgen.

Die reale Welt

Neben diesen vielen technischen Neuerungen arbeitet die ECE aber auch in der "realen Welt" an der Verbesserung des Serviceangebots: So sind in den beiden Versuchscentern beispielsweise sogenannte XXL-Parkplätze eingerichtet worden - damit wird das Parken sowie das Be- und Entladen für Autofahrer mit viel Platzbedarf in Zukunft bequemer und komfortabler.

Die Ergebnisse der Studie und die ersten Erfahrungen mit den "Future Labs" zeigen sehr deutlich, dass gerade Shoppingcenter die allerbesten Voraussetzungen bieten, die nützlichen Aspekte der Online-Welt in eine einzigartige Offline-Welt zu transferieren. Durch eine intelligente Verknüpfung der sich bietenden Möglichkeiten können die Kunden in der realen Centerwelt ein inspirierendes Einkaufserlebnis genießen, das es im Netz so nicht gibt.

Die Studie "Dem Kunden auf der Spur" kann kostenlos heruntergeladen werden unter: www.ece.de/multichannelstudie

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