Schwerpunkt: Nachhaltiges Bauen

Lohnt sich Energieeffizienz noch?

Die energetische Sanierung von Wohngebäuden wird vor dem Hintergrund der angestoßenen Energiewende immer wichtiger. Dennoch kann man immer wieder Kritik seitens der Immobilienwirtschaft vernehmen. Es heißt, die Rahmenbedingungen in Deutschland seien ungünstig, der Kostendruck zu stark gestiegen und die Förderung zu unflexibel. Diese Argumente werden ins besondere bei Lagen jenseits der begehrten Metropolen ins Feld geführt. Branchenintern stellt man sich hinter vorgehaltener Hand zunehmend die Frage, ob und wie sich Investitionen in die Energieeffizienz überhaupt noch lohnen können.

Finanzierungslücke versus Synergieeffekte

Eine Vielzahl sich widersprechender Studien und Gutachten, die hierzu von verschiedenen Seiten in die Diskussion eingebracht werden, lassen die Situation derzeit verworrener denn je erscheinen. Wird die warmmietenneutrale Sanierung also zunehmend zum Mythos oder gibt es für Immobilienunternehmen dennoch Möglichkeiten, Bestände mieterfreundlich und wirtschaftlich rentabel zu sanieren?

Das Hauptargument vieler Kritiker gegen die Wirtschaftlichkeit warmmietenneutraler Sanierungen ist die umstrittene Frage nach der Finanzierbarkeit. Das Argument lautet, dass die Vollkosten einer energetischen Sanierung in der Regel weit über den eingesparten Energiekosten liegen würden.

Aufgrund des großen Deltas könne sich eine warmmietenneutrale Modernisierung erst über einen sehr langen Zeitraum amortisieren. In der Tat ergibt sich eine beträchtliche Finanzierungslücke, die den Grundgedanken einer warmmietenneutralen energetischen Ertüchtigung auf den ersten Blick unrentabel und schwer finanzierbar erscheinen lässt.

Trotzdem zeigen zahlreiche Beispiele aus der Praxis immer wieder, dass sich energetische Gebäudesanierungen warmmietenneutral und rentabel realisieren lassen. Das Wichtigste ist, dass das Objekt über die notwendigen Voraussetzungen verfügt, zum Beispiel gesunde Bausubstanz, gute Mikrolage und objektbezogener Leerstand. Finden diese bei der Planung und Umsetzung ausreichend Berücksichtigung, kann die bereits angeführte Finanzierungslücke überbrückt werden. Obwohl sicherlich nicht alle Gebäude die besagten Kriterien erfüllen, so besitzt dennoch ein nicht unerheblicher Teil des Wohnungsbestands in Deutschland das Potenzial, um eine Erhöhung der Energieeffizienz rentabel umzusetzen, ohne gleichzeitig hohe Kosten an die Mieter weitergeben zu müssen.

Hierfür darf die energetische Modernisierung allerdings nicht als isoliertes Maßnahmenpaket betrachtet werden. Nur durch die Einbindung in ein umfassendes Sanierungs- und Wertsteigerungskonzept lassen sich Synergieeffekte nutzen, die eine nachhaltige Finanzierung sicherstellen. Dabei muss den konkreten Spezifika des jeweiligen Objektes jedoch immer in einem individuellen Konzept Rechnung getragen werden. Ein beliebig übertragbares Standardschema gibt es nicht.

Schlüsselkriterium Sanierungsstand

Aller individualisierten Planung zum Trotz, gilt es eine wichtige Grundregel zu beachten: Die energetische Sanierung muss in den regulären Sanierungszyklus des Gebäudes eingebunden werden. Der Sanierungsstand bildet das entscheidende Schlüsselkriterium, denn die bestehende Finanzierungslücke kann nur durch eine Koppelung der notwendigen Investitionen mit ohnehin anfallenden Instandsetzungskosten effektiv überwunden werden. Da sich der natürliche Zyklus der Instandsetzung von Gebäuden üblicherweise über mehrere Jahrzehnte erstreckt, liegt hier eine der Hauptursachen für die anhaltenden Probleme beim Erschließen vorhandener energetischer Einsparpotenziale.

Bei Objekten ohne regulären Sanierungsbedarf können energetische Modernisierungen nur äußerst schwer finanziert werden. Nicht ohne Grund hat der jüngste Vorstoß des Bundesumweltministeriums, das die Energiestandards der neuen Energieeinsparverordnung (EnEV) 2012 auch bei Bestandsgebäuden zur Anwendung bringen will, bei Wohnungsgesellschaften zu einem Aufschrei der Entrüstung geführt.

Energieeinsparpotenziale liegen im Altbestand

Nach den ursprünglichen Plänen wäre ein Modernisierungszwang jenseits der Sanierungszyklen geschaffen worden, der eine Welle von energetischen Ertüchtigungsmaßnahmen jenseits jeder Wirtschaftlichkeit zur Folge gehabt hätte. Dies würde einen gewaltigen Rückschritt für die Branche und für das Erreichen der Klimaziele der Bundesregierung bedeuten.

Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Finanzierung ist die Realisierung des maximalen Energieeinsparpotenzials. Dabei muss sich das Gebäude vor Sanierung in einem vergleichsweise schlechten energetischen Zustand befinden. Dies trifft vor allem auf Wohngebäude zu, die vor dem Jahr 1978 und damit vor dem Inkrafttreten der ersten Wärmeschutzverordnung errichtet wurden. Im Gegensatz zu Neubauten jüngeren Datums sind diese oft nicht oder nur geringfügig gedämmt. Hier fällt für den Bestandsmieter die Spanne bei den Energiekosten vor und nach energetischer Sanierung besonders groß aus.

Gleichzeitig herrscht beim Altbestand vermehrt ein relativ schlechter Sanierungsstand, was Instandhaltungsarbeiten ohnehin notwendig macht und somit Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz stark begünstigt. Da den besagten Baualtersklassen zudem etwa zwei Drittel der Wohneinheiten in Deutschland zuzurechnen sind, bietet sich Bestandsentwicklern ein enormes Potenzial für wirtschaftlich tragfähige Investitionen in die energetische Gebäudemodernisierung.

Nutzung von Fördergeldern für Einzelmaßnahmen

Aber auch wenn sämtliche Kriterien und Rahmenbedingungen gegeben sind, bedarf es nichtsdestoweniger detaillierter Fachkenntnis und umfassender Erfahrung, um warmmietenneutrale Sanierungen erfolgreich umzusetzen. Dies liegt unter anderem daran, dass unterschiedliche zu tätigende Instandsetzungsarbeiten in der Praxis nur selten zeitlich zusammenfallen. Einzelne Gebäudesegmente wie Fassade, Dach, Fenster oder Heizungsanlage weisen meistens abweichende Erneuerungszyklen auf.

So ergibt es häufig wenig Sinn die Modernisierung sämtlicher Teilbereiche zum gleichen Zeitpunkt anzustreben, wenn dafür einzelne Sanierungen vorgezogen werden müssten. Vielmehr muss mit viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung die Situation jeder Immobilie einzeln bewertet und ein individuelles Maßnahmenpaket geschnürt werden. Die Umsetzung kompletter energetischer Maßnahmenpakete im Rahmen einer Vollsanierung mag zwar vom planerischen Standpunkt her die unkomplizierteste Lösung darstellen, die finanziell günstigste Option ist es aber in der Regel nicht. Ungeachtet des organisatorischen Mehraufwandes ist die zeitlich gestaffelte Durchführung von Einzelmaßnahmen eine sinnvolle Alternative. Obwohl die effiziente Abstimmung mehrerer versetzter Sanierungsschritte deutlich komplexer und arbeitsintensiver ist, erlaubt eine solche Vorgehensweise den Modernisierungsprozess dem spezifischen Zustand des Objektes optimal anzupassen. Durch die Aneinanderreihung mehrerer Teilsanierungen lassen sich dabei ähnliche Energieeinsparungen erreichen wie bei einer Paketumsetzung. Zudem erfahren energetische Einzelmaßnahmen ebenso wie Vollsanierungen eine Förderung durch die KfW. Diese Förderprogramme waren bis März vergangenen Jahres zwischenzeitlich ausgesetzt. Mittlerweile erfolgt im Rahmen des Programms 430 wieder eine Bezuschussung der förderfähigen Kosten von 7,5 Prozent bis zu einem Maximum von 3 750 Euro pro Wohneinheit. Dies ist ein wichtiger Schritt der Politik in die richtige Richtung, denn die alleinige Unterstützung kompletter Maßnahmenpakete wäre ein unflexibles und ineffizientes Konzept auf dem Weg zum energieeffizienten Wohnbestand.

Selbst bei günstigsten Grundvoraussetzungen und kompetenter Umsetzung bleibt die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer KfW-Förderung ein elementarer Baustein bei der Finanzierung von energetischer Gebäudemodernisierung. Hier ist Flexibilität gefragt. Denn sonst werden systematisch Fehlanreize kreiert, die der Wirtschaftlichkeit letztendlich entgegenlaufen. Obwohl die unflexiblen Maßnahmenpakete eine höhere Bezuschussung erfahren, bieten die aktuell gebotenen regulativen Spielräume Bestandshaltern dennoch vernünftige Möglichkeiten, um die energetische Sanierung wirtschaftlich und mit einer angemessenen Rendite zu gestalten.

Leerstandsreduktion durch Wertsteigerung

Trotz Förderung gilt nach wie vor: Die dauerhafte Steigerung der Mieteinnahmen stellt die Basis einer jeden Bestands investition dar. Dass der Gesetzgeber Vermietern von Wohnraum im BGB enge Grenzen für Mieterhöhungen aufzeigt ist legitim und richtig, denn Wohnraum soll für breite Schichten der Bevölkerung bezahlbar bleiben. Allzu oft wird der Blick an dieser Stelle aber nur auf die Erhöhung der Nettokaltmiete gerichtet. Dabei gibt es einen weiteren Hebel über den Vermieter bei vielen Objekten weitaus höhere Renditen erzielen können: die Leerstandsreduktion.

Insbesondere bei Gebäuden mit Sanierungsbedarf existiert häufig ein erheblicher objektbedingter Leerstand. Das hier ungenutzt schlummernde Potenzial lässt sich mit einer objektspezifischen Entwicklungsstrategie heben. Neben der Wertsteigerung der Immobilie muss also auf eine Verbesserung der Vermietbarkeit gesetzt werden. Ähnlich wie bei der energetischen Modernisierung können dabei Maßnahmen zur Wohnwertverbesserung, wie die Installation von Aufzügen oder der Anbau von Balkonen, in ohnehin anstehende Instandsetzungsarbeiten integriert werden. So können zusätzliche Synergieeffekte entstehen. Die Refinanzierung der energetischen Sanierung erfolgt bei diesem Konzept also primär über die Steigerung der Mieteinnahmen durch Neuvermietungen sowie durch warmmietenneutrale Kostenumlagen auf Bestandsmieter, um die Fluktuationsrate möglichst gering zu halten.

Ein erfolgreiches Praxisbeispiel dafür, wie solch ein Mix aus Energieeffizienzmaßnahmen und Wertsteigerung sowohl warmmietenneutral als auch rentabel realisierte werden kann, ist das Quartier "Veilchengrund" in Celle. Der 1963 errichtete Bestand von 174 Wohneinheiten wies vor dem Beginn der Sanierung durch die KWG einen erheblichen Instandsetzungsstau und eine überdurchschnittlich hohe Leerstandsquote von 38 Prozent auf. Durch die umfassende energetische Aufwertung der Wohnsiedlung konnten Einsparungen beim Verbrauch der Primärenergie von bis zu 75 Prozent realisiert werden.

So konnte die KWG einen Kaltmietenzuwachs von durchschnittlich 20 Prozent durchsetzen, ohne dass sich für Bestandsmieter relevante zusätzliche finanzielle Belastungen ergaben. Gleichzeitig waren Anfang Juni 2012 nur vier Wohnungen vakant. Insgesamt investierte die KWG 4,2 Millionen Euro in die Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen, die jährliche Ist-Miete konnte derweil von etwa 519 000 Euro in 2008 auf voraussichtlich 908 000 Euro in 2012 gesteigert werden. Darüber hinaus wurde die Fluktuationsrate aufgrund der gestiegenen Wohnqualität erheblich gesenkt.

Rechtlicher Rahmen

Während bei Bestandsinvestitionen der Spagat zwischen Energieeffizienz und Rendite durchaus realisierbar ist, sind die Sanierungsaktivitäten bei selbstgenutzten Objekten nach wie vor deutlich höher als im Mietwohnungsbestand. Hier treten deutliche Hemmnisse für die energetische Modernisierung zutage, die maßgeblich durch das Mietrecht bestimmt werden. Bei vielen Punkten könnte die derzeit geplante Mietrechtsnovelle Abhilfe schaffen. Insbesondere die Stärkung der Position des Vermieters gegen Modernisierungsblockaden einzelner Mieter und das dreimonatige Aussetzen sanierungsbedingter Mietminderungen sollten zügig umgesetzt werden. Dies würde sinnvolle Investitionsanreize setzen.

Andere diskutierte Gesetzgebungsvorhaben zur Gebäudesanierung erscheinen hingegen überambitioniert, da sie weder Mieter noch Vermieter nützen. Der gesetzliche Rahmen droht mit dem Vorschlag, die Anforderungen an den Primärenergiestandard um 30 Prozent zu erhöhen, in die vollkommen falsche Richtung zu laufen. Dies würde Investitionen eher behindern als vorantreiben.

Ebenso verfehlt erscheint der Gedanke, die Förderung durch die geplante Sanierungs-AfA an den Standard KfW-Effizienzhaus 55 zu knüpfen. Solche Vorhaben wären nur in vergleichsweise wenigen Fällen umsetzbar. Die finanzielle Unterstützung würde daher an der breiten Masse der Bestandssanierer vorbeigehen. Dabei sollte klar sein: Ohne einen adäquaten Rechtsrahmen kann weder die Energiewende noch energetische Gebäudemodernisierung gelingen.

Alles in allem kann Zweiflern, die behaupten energetische Sanierung sei nicht gleichermaßen warmmietenneutral und rentabel realisierbar, eine eindeutige Absage erteilt werden. Klar ist allerdings auch, dass diese nicht flächendeckend umgesetzt werden kann, weil hierfür eine Reihe von Faktoren zusammenkommen müssen. Dies sind zum einen objektspezifische Kriterien wie Sanierungsstand, Energieeinsparungspotenzial oder Leerstandsquote. Zum anderen muss das Konzept des Bestandsentwicklers im Bezug auf die individuellen Bedürfnisse des Objekts stimmen. Gleichermaßen bedarf es einer flexiblen Förderung und eines zuverlässigen rechtlichen Rahmens.

Die ersten beiden Faktoren liegen dabei in der Hand der Bestandshalter und Projektentwickler, die letzteren beiden in der Hand der Politik. Nur mit beiderseitigen Anstrengungen wird den Herausforderungen erfolgreich zu begegnen sein, bestehendes Energieeinsparungspotenzial zu erkennen und sinnvoll zu nutzen, um den Energie verbrauch in Deutschland nachhaltig zu senken.

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