Marktpotenziale

Mittel- und Top-Städte im Performancvergleich

Investoren und Wohnbestandshalter setzen in Deutschland zumeist auf die vermeintliche Gourmet-Strategie: Ihr Kapital fließt zum Großteil in die Top-7-Städte und dort in vielen Fällen in zentral gelegene Immobilien. Sie glauben, sich mit dieser Investitionsstrategie die attraktivsten Angebote zu sichern. Wahre Filetstücke gibt es jedoch auch abseits dieser Top-Standorte. Viele Mittelstädte glänzen als wirtschaftliche Regionalzentren mit Bevölkerungswachstum und oftmals besseren Renditeaussichten, während das Risiko für Wohninvestitionen vergleichbar ist oder sogar geringer ausfällt.

Einige Immobilienunternehmen haben bereits erkannt, dass eine ausschließlich auf die Top-Standorte ausgerichtete Strategie nicht der Weisheit letzter Schluss sein kann. Beispielsweise vergrößerten die TAG Immobilien AG und die Westgrund AG ihre Portfolios. TAG erwarb jüngst knapp 3 000 Wohneinheiten im Osten und Nordosten Deutschlands, unter anderem in Dresden, Chemnitz und Berlin. Der Großteil des gesamten Wohnportfolios befindet sich in Thüringen und Sachsen. Westgrund investiert ebenfalls verstärkt in diesen Bundesländern. Ende 2013 erweiterte die Gesellschaft ihr Portfolio um mehr als 1 200 Wohneinheiten, die sich schwerpunktmäßig in Dresden, Leipzig und dem Umland befinden. Auch in anderen Regionen sind Wohnbestandshalter wie die LEG Immobilien AG bereits in Mittelstädten aktiv. Die etwa 95 000 Wohnungen des Unternehmens verteilen sich auf 160 Standorte in ganz Nordrhein-Westfalen. Ein erheblicher Teil des Wohnportfolios des Bestandshalters Vitus liegt ebenfalls in NRW, zudem gehören dem Unternehmen etwa 10 800 Wohneinheiten in Bremen und mehr als 9 200 in Kiel.

Anleger müssen aber neben den Renditemöglichkeiten auch die Risikofaktoren kennen, zu denen für die meisten Top-Städte die nötigen Informationen vorhanden sind. Doch abseits der Metropolen gab es bisher nur vereinzelte Analysen. Eine von Wüest & Partner durchgeführte Studie zeigt, dass es sich für Investoren und Bestandshalter durch aus lohnt, Immobilien in Mittelstädten zu erwerben. Ziel der Untersuchung war es unter anderem, eine bessere Datenbasis für die Chancenbewertung von Wohninvestments in Städten "aus der zweiten Reihe" zu schaffen. Mit Hilfe verschiedener Faktoren wurden die Chancen und Risiken der Wohnimmobilienmärkte der 81 größten deutschen Städte - die sieben Top-Standorte und weitere 74 Mittelstädte mit mehr als 100 000 Einwohnern - analysiert und daraus Risiko-Rendite-Profile abgeleitet.

Große Ertragsdifferenzen

Die höchsten Erträge lassen sich mit 9,9 Prozent in Halle/Saale, Hagen und Chemnitz erzielen. Vor allem die neuen Bundesländer und das Ruhrgebiet schneiden bei der durchschnittlichen Anfangsrendite sehr gut ab. In NRW kommen beispielsweise Recklinghausen auf 9,8 Prozent, Herne auf 9,6 Prozent und Duisburg auf 9,4 Prozent. Im Osten Deutschlands liegen auch Magdeburg (9,6 Prozent) und Cottbus (9,5 Prozent) über der Neun-Prozent-Marke. Die niedrigsten Renditen gibt es hingegen in den Top-Städten München (4,3 Prozent), Hamburg (5,0 Prozent), Stuttgart (5,2 Prozent) und Berlin (5,7 Prozent). Alle Top-7-Städte befinden sich unter den zehn renditeärmsten Standorten.

In den Top-Städten lag der durchschnittliche Ertrag im Jahr 2013 bei 5,4 Prozent, im Vergleichszeitraum 2006 waren es noch 7,1 Prozent gewesen. Für die sekundären Großstädte fällt der Renditerückgang geringer aus: 2013 betrug der Mittelwert der Anfangsrendite 8,0 Prozent, 2006 hatte er bei 8,6 Prozent gelegen. Der Renditeabstand zwischen den Top-Standorten und den Mittelstädten ist somit deutlich gewachsen: von 1,5 Prozentpunkten auf mehr als 2,6 Prozentpunkte. Allerdings zeigt die Spannweite der Renditen in Mittelstädten von 5,8 bis 9,9 Prozent auch, dass die Chancen sehr unterschiedlich verteilt sind und jeder Standort separat bewertet werden muss.

Risikofaktoren

Die mögliche Rendite, die mit einem Wohninvestment erwirtschaftet werden kann, ist nur eine Seite der Medaille. Auf der anderen steht das Risiko, das mit dem Immobilienerwerb und -besitz verbunden ist. Im ersten Schritt der Risikoberechnung ist es wichtig zu erfahren, wie es um das Mietniveau einer Stadt bestellt ist. Ist es relativ hoch, besteht für Bestandshalter ein erhöhtes Konkurrenzrisiko, da sich der Standort auch für Neubau anbietet. Weisen große Teile des Wohnungsmarktes ein niedriges Mietniveau auf, ist die Konkurrenz gering, da Neubau nur in bestimmten Bereichen wirtschaftlich ist.

In etwa einem Drittel der 81 untersuchten Städte beträgt der Median der Angebotsmieten acht Euro oder mehr. Darunter befinden sich alle Top-7-Städte, wobei München mit 14,49 Euro erwartungsgemäß die Spitzenposition belegt. Darauf folgen Frankfurt am Main mit 12,12 Euro und Wolfsburg mit 10,91 Euro. Ein sehr geringes Konkurrenzrisiko finden Wohnbestandshalter hingegen in Bremerhaven (4,62 Euro), Salzgitter (4,90 Euro) und Mönchengladbach (5,67 Euro) vor. Um die wirtschaftliche Situation der Städte erfassen zu können, wurde zum einen die jeweilige Arbeitslosenquote einbezogen. Zum anderen wurde aus dem Haushaltseinkommen und der durchschnittlichen Angebotsmiete eines Standorts die Wohnkostenbelastungsquote errechnet.

Je geringer diese Quote ist, desto höher ist das Potenzial für Mieterhöhungen. Die fünf Städte mit der geringsten Quote liegen allesamt in NRW. In Remscheid muss ein Haushalt etwa 15 Prozent des Einkommens für die Miete aufwenden, ähnlich ist es in Mülheim an der Ruhr (15,2 Prozent), Recklinghausen und Hagen (jeweils 15,5 Prozent) sowie Solingen (16,1 Prozent). Die Städte mit den niedrigsten Arbeitslosenquoten liegen wiederum mit Ingolstadt, Erlangen, Regensburg, Würzburg sowie Reutlingen in Bayern und Baden-Württemberg.

Auch für die Bewertung des Wohnungsmarktes wurden zwei Indikatoren herangezogen: der Versorgungsgrad und die Leerstandsquote. Für Ersteren wurden die Zahl der Bestandswohnungen und die Zahl der Haushalte ins Verhältnis gesetzt. Ein leichter bis deutlicher Nachfrageüberhang herrscht in 48 Städten. Dort liegt der ermittelte Prozentsatz unter 100 Prozent. Dazu zählen zum Beispiel Freiburg (83,6 Prozent), Hamburg (87,8 Prozent), Bremen (94,9 Prozent) und München (96,4 Prozent). Bei den leer stehenden Wohnungen, basierend auf Empirica-Daten, reicht die Spanne von 0,6 Prozent in München bis 11,7 Prozent in Salzgitter. Insgesamt weisen 50 Städte einen eher geringen Leerstand von unter drei Prozent auf, unter anderem Ingolstadt (0,8 Prozent), Trier (1,7 Prozent) und Bremen (2,5 Prozent).

Besonders wichtig für Wohnbestandshalter und Investoren ist die historische sowie die zukünftige Bevölkerungs- beziehungsweise Haushaltsentwicklung. Nimmt die Zahl der Haushalte absehbar zu, empfiehlt sich eine Investition. Aber auch in Städten mit abnehmender Einwohnerzahl können Bestandshalter in ausgewählten Gebieten attraktive Erträge erwirtschaften.

In den Jahren 2006 bis 2011 sind 50 der 81 untersuchten Städte gemessen an der Bevölkerungszahl gewachsen, zu den Gewinnern zählen Münster (plus 7,2 Prozent), Potsdam (plus 6,8 Prozent) und München (plus 6,5 Prozent). Dieses Bild ergibt sich auch bei den historischen Haushaltszahlen: 52 Städte wuchsen, 29 schrumpften. Am stärksten stieg die Zahl zwischen 2008 und 2013 in Freiburg (plus 7,8 Prozent). Einen leichten Zuwachs gab es beispielsweise in Berlin (plus 1,7 Prozent) und Kiel (plus 1,9 Prozent). Das Schlusslicht ist Cottbus mit einem Minus von 4,7 Prozent.

Auch zukünftig wird die Mehrheit der 81 untersuchten Städte Zuwächse bei den Ein- und Zwei-Personen-Haushalten verbuchen können. Laut der Prognose des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung müssen lediglich zwölf Städte mit einem Rückgang rechnen. Zulegen konnten beispielsweise Potsdam (plus 17 Prozent), Reutlingen (plus 15,7 Prozent) und Oldenburg (plus 14,3 Prozent). Am stärksten einbüßen wird voraussichtlich Chemnitz mit einem Minus von 9,6 Prozent. Unter den Top-7-Städten werden Berlin (plus 2,7 Prozent) und Frankfurt am Main (plus 6,3 Prozent) die geringsten Wachstumsraten prognostiziert. Die beschriebenen Kennzahlen wurden gewichtet und für jede Stadt zu einer Risikobewertung zusammengeführt. Dabei wurde die Bevölkerungs- und Haushaltsentwicklung mit 50 Prozent erheblich stärker gewichtet als die anderen Kennzahlen.

Profilanalyse: Gewinner und Verlierer

Die Abbildung 2 zeigt, wie sich die sekundären Großstädte (schwarz) und die Top-7-Städte (orange) in der Untersuchung geschlagen haben. Die 61 sekundären Großstädte, die innerhalb des orangen Quadrats liegen, weisen bei höheren Renditen ein geringeres Investmentrisiko auf als Berlin, die Top-Stadt mit dem höchsten Risiko. 27 Mittelstädte haben dabei sogar ein geringeres Risiko als die risikoärmste Top-Stadt Düsseldorf.

Insgesamt weisen die Top-Städte ein ungünstiges Verhältnis zwischen Risiko und Rendite auf. Der höchste Risikofaktor entfällt dabei mit 3,3 auf Berlin, bei einer durchschnittlichen Rendite von 5,7 Prozent. Die Mittelstädte Bochum und Bremen bieten bei einem ähnlichen Risikofaktor (beide 3,2) eine deutlich höhere Rendite von 9,1 Prozent beziehungsweise 7,4 Prozent. Die stärksten Erträge unter den Top-Städten gibt es mit 5,9 Prozent in Düsseldorf und Köln, die Standorte sind aber ebenfalls vergleichsweise risikobehaftet (Faktor 2,8 beziehungsweise 3,1). Das beste Risiko-Rendite-Profil hat Paderborn mit einer Rendite von 8,0 Prozent und einem Risikofaktor von 2,0. Es folgen Heilbronn (7,1 Prozent, Faktor 1,9) und Leverkusen (9,4 Prozent, Faktor 2,6). Erst auf Platz 71 von 81 kommt mit Düsseldorf die erste Top-Stadt.

Investoren entschieden sich in den vergangenen Jahren vor allem für Wohnimmobilien in den Top-7-Städten, wodurch die Renditen dort spürbar zurückgegangen sind. Immer mehr weichen daher auf Mittelstädte aus. Zwar hat auch dort die Rendite bereits leicht nachgegeben, sie liegt dennoch auf einem höheren Niveau als in den Top-Städten - in der Mehrzahl bei einem vergleichbaren oder geringeren Investmentrisiko. Für Bestandshalter, die ihr Portfolio vergrößern wollen, erscheint es daher angebracht, auch in geeigneten Mittelstädten nach Immobilien zu suchen. Die allgemein vorherrschende Auffassung, dass Investitionen in sekundären Großstädten in jedem Fall mit einem erheblichen Risiko einhergehen, kann durch die Untersuchung widerlegt werden. Wichtig bleibt dabei selbstverständlich die Beurteilung des Einzelfalls durch genaue Analyse des spezifischen Makro- und Mikrostandorts.

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