Messeausgabe 2010

Nachhaltige Büroimmobilien aus Sicht eines Finanzierers

Sustainable Development oder Nachhaltigkeit fordert eine Entwicklung, die die (Lebens-)Möglichkeiten zukünftiger Generationen nicht gefährdet. Dies bezieht sich sowohl auf ökologische als auch auf soziale und ökonomische Ziele. Auch nachhaltige Büroimmobilien erfordern demnach eine ganzheitliche Betrachtungsweise und es ergeben sich daraus neue Anforderungen an Büroimmobilien und auch für Bürokonzepte. Im Folgenden soll zunächst die Bedeutung von Nachhaltigkeit grundlegend geklärt werden, da der Begriff selbst sich im Sprachgebrauch inflationär ausgebreitet und damit von seiner ursprünglichen Bedeutung entfernt hat.

Begriffsdefinition

Die für das heutige Verständnis grundlegende Definition von nachhaltiger Entwicklung findet sich im Abschlussbericht der UN-Kommission für Umwelt und Entwicklung, dem "Brundtland-Bericht" aus dem Jahr 1987. In diesem heißt es: "Die Menschheit ist einer nachhaltigen Entwicklung fähig - sie kann gewährleisten, dass die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt werden, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse zu beeinträchtigen."

Damit kommt jeder Generation die Verantwortung zu, nachfolgenden Generationen die gleichen Möglichkeiten zur Bedürfnisbefriedigung zu hinterlassen, welche sie selbst vorgefunden hat. Das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung fordert zum einen intergenerative Gerechtigkeit und verknüpft die Bedürfnisse der heutigen Generation mit den Lebenschancen der zukünftigen. Die langfristige Entwicklung ist so zu gestalten, dass sie allen gerecht wird. Gefordert ist aber auch intergenerative Gerechtigkeit mit der Verantwortung der Reichen (Staaten und Menschen) für die Ärmeren.

Die Nachhaltigkeit umfasst die Bereiche Ökologie, Ökonomie und Gesellschaft, wobei alle drei Dimensionen gleichwertig nebeneinanderstehen und zudem eng miteinander verflochten sind. Die ökologische Nachhaltigkeit verfolgt das Ziel, nachfolgenden Generationen Natur und Umwelt bestmöglich zu erhalten. Die ökonomische Nachhaltigkeit erfordert eine dauerhaft tragfähige Wirtschaftsweise, die insbesondere Folgen für die Nutzung natürlicher Ressourcen durch eine Generation hat.

Besondere Bedeutung kommt hierbei der Schonung erschöpfbarer und der Erschließung erneuerbarer Ressourcen zu. Die gesellschaftliche beziehungsweise soziale Dimension der Nachhaltigkeit zielt auf die Entwicklung einer dauerhaft lebenswerten Gesellschaft, in welcher die Menschenrechte geachtet werden und soziale Gerechtigkeit ein hohes Gut darstellt. Die Umsetzung eines nachhaltigen Gesellschaftsentwurfes löst folglich den scheinbaren Zielkonflikt zwischen den einzelnen Zielkategorien (Dimensionen) auf.

Die Definition von Nachhaltigkeit führt zu der Frage nach der Umsetzung einer entsprechenden gesellschaftlichen Konzeption. Hierbei können zwei Positionen unterschieden werden: die schwache und die starke Nachhaltigkeit.

Schwache versus starke Nachhaltigkeit

Die schwache Nachhaltigkeit geht von der Substituierbarkeit von Natur aus. Diese kann für nachfolgende Generationen durch eine höhere Menge an Gütern beziehungsweise materiellem Kapital ersetzt werden. Geht Naturkapital verloren, ist dies nur dann nachhaltig, wenn gleichzeitig vermehrt Sachwerte produziert worden sind, welche den zukünftigen Generationen zur Verfügung stehen. Die Nutzung erschöpfbarer Ressourcen der Natur entspricht demnach den schwachen Nachhaltigkeitsgrundsätzen, wenn eine entsprechende Kompensation durch eine höhere oder verbesserte Güterausstattung für die zukünftigen Generationen erfolgt.

Wird die Annahme der Substituierbarkeit von Naturkapital infrage gestellt oder gar abgelehnt, ergibt sich die Konzeption der starken Nachhaltigkeit. Jede Generation erhält treuhänderisch das jeweilige Naturkapital, welches sie an die folgende Generation intakt weitergeben soll.

Nach dem Konzept der starken Nachhaltigkeit hat jede Generation die Verpflichtung, nachfolgenden Generationen eine intakte Natur unabhängig davon zu hinterlassen, wie hoch die produzierten Wohlstandsleistungen sind. Da jede Gesellschaft und jede Produktion auf die Natur angewiesen ist, ist es erforderlich, konkrete quantitative und qualitative Umweltziele zu formulieren, um die Anforderungen der starken Nachhaltigkeit zu erfüllen.

Um zu verdeutlichen, welche Konsequenzen die Verwirklichung von Nachhaltigkeit hat, soll im Weiteren das Konzept "Zukunftsfähiges Deutschland" dargestellt werden. Im Rahmen dieser Studie wurden im Jahr 1996 entsprechende Ziele für eine nachhaltige Wirtschafts- und Lebensweise formuliert.

- Kurzfristig (bis 2010) sollte beispielsweise der Primärenergieverbrauch um mindestens 30 Prozent gesenkt werden. Tatsächlich liegt dieser in den vergangenen 15 Jahren auf konstant hohem Niveau.

- Die Nutzung von Siedlungs- und Verkehrsflächen sollte sich absolut betrachtet stabilisieren, die Inanspruchnahme neuer Flächen sollte unterbleiben. Tatsächlich schreitet die Versiegelung von Flächen weiter voran, der jährliche Zuwachs bewegt sich auf einem konstant hohen Niveau.

- Der Rückgang der CO2-Emissionen (gefordert waren 35 Prozent) ist zwar positiv zu bewerten, letztlich aber auf den einmaligen Effekt der Umstrukturierung des ostdeutschen Energie- und Industriesektors zurückzuführen.

Diese Beispiele belegen, dass es in Deutschland nach wie vor nicht gelungen ist, eine Entwicklung zu realisieren, die den Anforderungen der Nachhaltigkeit entspricht.

Anforderungen an Büroimmobilien

Eine nachhaltige Büroimmobilie ist damit mehr als ein "Green Building", welches primär ökologischen Anforderungen genügt. Gemäß der strengen Nachhaltigkeit muss der Betrachtungshorizont den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie umfassen. Er reicht damit von der Konzeption über die konkrete Planung, den Bau die Nutzungsphase bis hin zum Rückbau. Nachhaltigkeit fordert bei der Standortfrage von Büroimmobilien eine sorgfältige Entscheidung.

Für den Flächenbedarf des Projektes sollten demnach bereits versiegelte Flächen an städtischen Standorten genutzt werden. Die Zentralität ist aus Nachhaltigkeitssicht ebenfalls von Bedeutung. Lange Anfahrtswege der Mitarbeiter belasten durch ein höheres Verkehrsaufkommen und die damit verbundenen zusätzlichen Schadstoffemissionen nicht nur die Umwelt, sondern auch die Mitarbeiter selbst. Wichtig für die Projektplanung ist die Vorgabe, über den gesamten Lebenszyklus der Immobilie den Primärenergieverbrauch zu minimieren.

Beim Bau des Objektes sollte im Rahmen einer ganzheitlichen Planung die gesamte Baulogistik Transportwege minimierend aufeinander abgestimmt sein. Durch den Einsatz umweltschonender Materialien und Bauverfahren kann insbesondere den ökologischen Anforderungen entsprochen werden. Gerade die Verwendung ökologischer Baustoffe hat später große Auswirkungen auf das Raumklima und damit auf das Wohlbefinden der Mitarbeiter. In der Nutzungsphase fordert Nachhaltigkeit einen möglichst geringen Energiebedarf für Heizung, Klimatisierung und Beleuchtung sowie für die eingesetzten Geräte zur täglichen Arbeit.

Steigerung der Flächenproduktion

Dieser Bedarf sollte mit Hilfe regenerativer Energien befriedigt werden, um den CO2-Ausstoß zu senken. Weiterhin sind integrierte Ver- und Entsorgungssysteme in Verbindung mit einer modernen Gebäudeleittechnik wichtige Bausteine für die Nachhaltigkeit in der Nutzungsphase.

Nachhaltigkeit betrifft ebenfalls das Bürokonzept, das entscheidend für die Effizienz der Flächennutzung auf der einen und die Produktivität der Büromitarbeiter auf der anderen Seite ist. Schaffen Immobilie und Konzept eine "Wohlfühlatmosphäre", schlägt sich dies in einer gesteigerten Arbeitsproduktivität nieder.

Viele Beschäftigte fühlen sich beispielsweise unwohl, wenn die Fenster sich nicht öffnen lassen. Dies ist zwar von Vorteil hinsicht-lich der Energieeffizienz und damit aus ökologischen und ökonomischen Aspekten sinnvoll, mindert aber die Lebensqualität der Nutzer und damit die soziale Zielerreichung.

Der sich an die Nutzungsphase anschließende Rückbau der Immobilie sollte die Rückgewinnung der Rohstoffe ermöglichen, um diese in den Recyclingprozess einbringen zu können. Im besten Fall bleibt nach dem Rückbau des Büroobjektes entweder eine renaturierte Fläche oder der Ersatz einer überalterten Immobilie durch einen den Nachhaltigkeitskriterien besser entsprechenden Neubau.

Zunehmender Anteil

Nachhaltigkeit erfordert sowohl beim Bau als auch bei der Nutzung von Büroimmobilien höchste Ansprüche bezüglich der ökologischen, sozialen und ökonomischen Zielsetzung. An anderer Stelle wäre zu klären, ob die heute üblichen Zertifikate diesen Ansprüchen genügen.

Gleichwohl ist zu erwarten, dass ressourcenschonende und energiesparende Büroimmobilien verstärkt genutzt und nachgefragt werden. Damit wird sich das Angebot auf dem Büroimmobilienmarkt entsprechend wandeln.

Durch betriebskostenoptimierende Sanierungen können auf der einen Seite die wirtschaftliche Lebensdauer der Gebäude verlängert und so zur Wertstabilität beitragen. Auf der anderen Seite verringert sich dadurch das Risiko des Leerstandes. Veraltete konventionelle Objekte ohne Möglichkeit der Sanierung und anschließender Zertifizierung werden zunehmend Schwierigkeiten bei der Vermarktung haben.

Wachsende Bedeutung haben ökologische Aspekte auch auf dem Investmentmarkt, vor allem aber stellen diese einen wichtigen Marketingaspekt dar. So wird die Nachhaltigkeit einer Büroimmobilie zu einem gewichtigen Verkaufs- und Vermietungsargument, wenn ökologische und soziale sowie ökonomische Aspekte miteinander in Einklang gebracht werden können.

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