Schwerpunkt Einzelhandel

Neue Einkaufsformen - neue Verkaufskonzepte

Rund die Hälfte aller Deutschen erledigt zumindest einen Teil ihrer Einkäufe im Internet. Allein im Jahr 2011 bestellten nach Angaben des Statistischen Bundesamts mehr als 42,3 Millionen Menschen mindestens einmal Waren im Netz. Das entspricht einem Anteil von 74 Prozent der Internetnutzer ab einem Alter von zehn Jahren. In der für Händler besonders wichtigen Altersgruppe der 25- bis 44-Jährigen gehörten 89 Prozent zur Gemeinde der Onlineshopper. Doch auch bei Älteren gehört der Einkauf via Internet mittlerweile dazu: Immerhin 57 Prozent der über 65-Jährigen hat 2011 mindestens einmal online eingekauft - gegenüber dem Vorjahr bedeutet das ein Plus von zwölf Prozentpunkten. Der Onlinehandel verzeichnet entsprechend steigende Umsätze: 29,5 Milliarden Euro waren es zum Halbjahr 2012 und damit mehr als doppelt so viele wie noch im Jahr 2005.

Für den stationären Einzelhandel ist die Konkurrenz aus dem Netz eine der größten Herausforderungen. Das klassische Phänomen, von dem vor allem Anbieter von Elektronikartikeln wie Computer oder Unterhaltungselektronik zu berichten wissen: Kunden kommen ins Geschäft, um sich die gewünschten Waren anzusehen, zu vergleichen und sich kompetent beraten zu lassen. Anschließend kaufen sie ihre Auswahl dann aber im Onlinehandel.

Multi-Channel-Ansätze und neue Store-Konzepte gefragt

Mit Multi-Channel-Ansätzen, also der Verzahnung des stationären Angebots mit eigenen Onlinekanälen, versuchen Händler gegenzusteuern. Das Angebot eines Onlineshops, der über WLAN vom jeweiligen Geschäft aus erreichbar ist, oder die umgekehrte Möglichkeit des "Click and Collect Stores", bei dem Kunden online einkaufen und bezahlen, und die gekaufte Ware dann im Geschäft abholen, sind nur zwei Beispiele.

In diesem Zusammenhang dienen stationäre Geschäfte oftmals als Plattformen oder Showrooms für die jeweiligen Marken, deren Image über neue Store-Konzepte inszeniert wird. Anbieter wie Apple, Abercrombie & Fitch oder Hollister aus den USA setzen ebenso wie Luxusanbieter auf eine besondere Atmosphäre im Geschäft, beispielsweise über den Einsatz von Duftelementen, Themen- oder Lichtkonzepte oder laute Musik. Wer heute ein Geschäft aufsucht, der tut dies nicht allein der Produkte wegen, sondern zunehmend auch, weil ihm ein besonderes Shoppingerlebnis geboten wird. Ein Erlebnis, das Kunden so im Internet nicht finden können.

Bezogen auf den deutschen Immobilieninvestmentmarkt und das Segment Einzelhandel profitieren insbesondere solche Objekttypen von den neuen Entwicklungen, die Einkaufen als Erlebnis inszenierbar machen. Ein Beispiel dafür sind moderne Shoppingcenter oder Einzelhandelsobjekte in repräsentativen Einkaufslagen, die entsprechend flexibel gestaltbare Handelsflächen anbieten. Doch hier sind interessante Anlagemöglichkeiten längst nicht mehr einfach zu finden. Das hängt schlichtweg mit einer Verknappung des Angebots von erstklassigen Einzelhandelsobjekten zusammen: Hochwertige Gebäude in den Top-Einkaufsstraßen oder moderne Shoppingcenter mit starken Marken als Mieter und langfristigen Mietverträgen kommen derzeit kaum auf den Markt, denn wer solch begehrte Objekte bereits besitzt, gibt sie nicht mehr her.

Neue Projektentwicklungen befinden sich ebenfalls nur sehr wenige in der Pipeline. Langwierige Planungsprozesse, komplexe Finanzierungsbedingungen, erhöhte Eigenkapitalanforderungen und eine defensive Anlagestrategie institutioneller Investoren führen dazu, dass spekulative Projekte im derzeitigen Markt kaum gefragt sind. Investoren suchen nach etablierten Top-Immobilien an wirtschaftlich gesunden Einzelhandelsstandorten. Diese Fixierung auf Core-Objekte dürfte im Zuge der fortdauernden Eurokrise auch im Investitionsjahr 2013 weiterhin anhalten.

Hybride Malls als Alternative

Dabei würde sich ein genauer Blick auf die einzelnen Marktbereiche lohnen, denn Deutschland hat hier zwei durchaus interessante Teilsegmente zu bieten, in denen Objekte zwar aufgrund einer rigorosen Genehmigungspraxis ebenfalls vergleichsweise rar sind, die den Trend zum Erlebnis-Shopping jedoch erfolgreich aufgreifen. An erster Stelle ist das relativ neue Konzept der "Hybride Malls" zu nennen, eine moderne Weiterentwicklung der klassischen Fachmarktzentren oder Retailparks.

Hybride Malls setzen dem Trend entsprechend auf einen verbesserten Einkaufskomfort für den Kunden, Stichwort Convenience, in Kombination mit einem Nahversorgungsangebot für den täglichen Bedarf. In solchen, zumeist großflächigen Objekten sind verschiedene Shop-Konzepte aus sich ergänzenden Branchen untergebracht. Bei klassischen Fachmarktzentren waren - meist in unmittelbarer Umgebung eines großen Supermarktes - mehrere Fachmärkte um einen Parkplatz angesiedelt, die häufig jeweils über einen separaten Eingang verfügten und zudem ohne einheitliches Center Management weitgehend unabhängig voneinander agierten.

Das neue Konzept der Hybride Malls vereint diese Geschäfte nun in einem gemeinsamen, architektonisch anspruchsvoller gestalteten Gebäude mit modernen Designelementen, einem kompetenten Center Management, ergänzendem Gastronomie- und Freizeitangebot sowie einem zielgruppenspezifischen Marketingplan. Den Kunden wird hier nicht nur eine moderne und ansprechende Einkaufsatmosphäre geboten, Hybride Malls sind zudem meist gut zu erreichen, da sie häufig an Einfallstraßen außerhalb der innerstädtischen Zentren angesiedelt sind.

Das Konzept befindet sich hinsichtlich der Mietstruktur in Deutschland, wie in den meisten europäischen Ländern, noch im Aufbau. In klassischen Fachmarktzentren werden bislang vorrangig Haushaltswaren, Artikel für den Heimwerkerbedarf, Möbel, Lebensmittel und Elektronik angeboten, während der Modebereich meist nur mit Discount- An bietern vertreten ist. Mit der Weiterentwicklung des Sektors ist hier jedoch zukünftig mehr Vielfalt zu erwarten. Denn die Akzeptanz der Zentren bei anderen Händlern steigt, und die Mieten sind im Vergleich durchaus günstig.

Hinzu kommt, dass das deutsche Planungsrecht die Umwandlung klassischer Retailparks in derartige Hybride Malls vergleichsweise begünstigt. So ist es in Deutschland kaum noch möglich, eine Baugenehmigung für Shoppingcenter außerhalb der städtischen Zentren zu erhalten.

Bestandsentwicklungen, wie beispielsweise der Umbau ehemaliger SB-Warenhausstandorte zu Hybride Malls, stellen vor diesem Hintergrund eine interessante Investmentalternative mit attraktiven Nettoanfangsrenditen dar. Momentan liegen diese zwischen 5,90 und 6,50 Prozent, bei Mietvertragslaufzeiten zwischen fünf und fünfzehn Jahren. Etablierte Shoppingcenter in A-Lagen liegen im Vergleich dagegen bei lediglich etwa 5,25 Spitzenrendite, ab solute Top-Standorte gar unterhalb von fünf Prozent.

Ein zweites spannendes Marktsegment im Einzelhandel sind Factory-Outlet-Center (FOC), die Markenware im Direktvertrieb mit durchgängigen Preisnachlässen von 30 bis 70 Prozent zu wesentlich günstigeren Preisen anbieten als der klassische Einzelhandel. Neben den günstigen Angeboten bietet das FOC den Besuchern mit ihren Erlebniswelten über den reinen Einkauf hinaus in besonderem Maße eben jenes Shopping-Erlebnis, das Kunden heute einfordern. Neben reinen Verkaufsflächen finden die Besucher zumeist auch verschiedene Gastronomie-Angebote und Kinderunterhaltung in den Outlets, die in der Regel aus 60 bis 100 verschiedenen Markengeschäften bestehen.

Factory-Outlet-Center auf dem Vormarsch

Die Center der neuesten Generation sind meist als kleine Dörfer konzipiert, deren anspruchsvolle Architektur Elemente des jeweils traditionellen Baustils der Region aufgreift und so für eine zusätzliche regionale Verankerung sorgt. Ein weiterer wesentlicher Erfolgsfaktor ist die Ansprache unterschiedlicher Zielgruppen. So richtet sich das Angebot an Qualitätskäufer ebenso wie an Schnäppchenjäger und bedient auch jene sogenannten Smart-Shopper, die besonderen Wert auf ein optimales Preis-Leistungs-Verhältnis legen und dafür sogar weitere Wege in Kauf nehmen.

Sind FOC in den meisten europäischen Ländern bereits ein fester Bestandteil der Einzelhandelslandschaft, so hinkt Deutschland der Entwicklung hinterher: Hierzulande gibt es, je nach Definition, lediglich neun oder zehn solcher Outlets. Im Vereinigten Königreich sind es dagegen 35 Center, und auch in verschiedenen südeuropäischen Staaten ist die FOC-Dichte deutlich höher als in Deutschland. Grund hierfür ist das strenge deutsche Baurecht, das vergleichsweise hohe Auflagen an die Entwickler stellt. Der Bedarf ist jedoch groß: Momentan befinden sich nach Angaben des Marktforschers Ecostra etwa 14 Center in Planung. Bis Mitte des Jahrzehnts, so rechnen Experten, werde der Markt auch in Deutschland gesättigt sein.

Die Besucherzahlen in den bereits bestehenden deutschen Outlets sind durchweg hoch. Diese Beliebtheit bei den Endkunden macht die Verkaufsflächen im FOC für Markenhersteller attraktiv, zumal die Bundesrepublik für viele Anbieter einer der größten Zielmärkte in Europa ist. Zuletzt hatte Hugo Boss Mitte Oktober 2012 einen neuen Flagship-Store im Designer Outlet Berlin eröffnet. Auch Designer wie Michael Kors, die bislang in Europa noch nicht so bekannt sind, zeigen hohes Interesse an einer Expansion im deutschen Outlet-Segment.

Aus Investorensicht sprechen neben der hohen Drittverwendungsmöglichkeit der vorhandenen Flächen vor allem die guten Zahlen für das Teilsegment: Factory-Outlets gehören - trotz einer häufig geringerwertigen Bausubstanz - zu den sich am stärksten entwickelnden Immobiliensektoren des vergangenen Jahrzehnts. Selbst in den Krisenjahren konnten in diesem Segment stabile Renditen im zweistelligen Prozentbereich erreicht werden. Investoren, die sich im deutschen Einzelhandelssegment nach geeigneten Investitionsobjekten umsehen, finden dank innovativer, erlebnisorientierter Konzepte also durchaus spannende Anlagemöglichkeiten - auch abseits von Core und den Top-Einkaufsstraßen. Der Beitrag basiert auf einem Vortrag des Autors auf dem 3. CoRE Handelsimmobilientag in München.

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