Immobilienderivate

Neue Handelsmöglichkeiten an der Terminbörse Eurex

Der globale Immobilienmarkt ist seit einiger Zeit von hoher Volatilität geprägt. Die jüngste Finanzkrise in Verbindung mit einer rückläufigen Weltkonjunktur hat sowohl den Bereich der Gewerbe- als auch der Wohnimmobilien getroffen und vielfach zu einem signifikanten Preisverfall geführt. In Anbetracht der hohen Werte, die weltweit in Immobilien investiert sind - sei es in einer Vielzahl von Anlageportfolios oder als Aktiva in den Bilanzen von Unternehmen -, kommt der Möglichkeit eines aktiven Managements von Preisänderungen1) bei Immobilien eine wachsende Bedeutung zu.

Vorteile derivativer Instrumente im Immobilienmarkt

Ein direkter Handel mit Immobilien ist in der Regel mit vergleichsweise hohen direkten und indirekten Transaktionskosten verbunden und daher wenig geeignet, das Preisrisiko eines Immobilienportfolios aktiv zu managen. Immobilienderivate stellen eine geeignete Alternative dar. Es handelt sich dabei um Instrumente, deren Preise sich an der Wertentwicklung zugrunde liegender Immobilien bemessen und diese ohne die Notwendigkeit einer Direktinvestition in die Basiswerte handelbar machen. Die Vorteile eines Handels in Immobilienderivaten im Vergleich zu anderen Formen direkter oder indirekter2) Immobilienanlagen sind evident:

- vereinfachter Risikotransfer zwischen Investoren,

- signifikant reduzierte Kosten gegenüber einer Direktinvestition (Grunderwerbskosten, Versicherung) et cetera,

- Möglichkeit kurzfristiger und liquider Anlagen im Immobilienmarkt,

- gezieltes Risikomanagement für Absicherungszwecke und Diversifizierung von Immobilien- und Anlageportfolios im Allgemeinen3),

- Möglichkeit einer positiven Partizipation an fallenden Immobilienpreisen.

Organisierte Märkte für Immobilienderivate

Typische Marktteilnehmer im Markt für Immobilienderivate sind neben Investmentbanken und Hedgefonds - als den üblicherweise in Derivatemärkten engagierten Akteuren - etwa Hypothekenbanken, Baufirmen und Immobilienfonds. Der potenzielle Anwendungsbereich erstreckt sich aber auch bis in das Immobilienmanagement von Industrieunternehmen und auf große Privatvermögen mit umfangreichen Immobilienanlagen.4)

Als Vorreiter für den Handel mit Immobilienderivaten ist der britische Markt zu sehen, der sich im Jahr 2004, mit seither beachtlichen Wachstumsraten, etablieren konnte.5) Auch wenn Immobilienderivate bislang vorwiegend außerbörslich (zum Beispiel in Form von Immobilienswaps und -forwards) gehandelt wurden, ist der organisierte Terminbörsenhandel nicht neu: Ein erster Versuch mit derartigen Kontrakten an der ehemaligen London Futures and Options Exchange (London Fox) im Jahr 1991 scheiterte nach kurzer Zeit wegen mangelnden Interesses der Marktteilnehmer.6) In den USA werden an der Chicago Mercantile Exchange (CME) seit 2006 Finanzderivate in Form von Futures und Optionen angeboten, die es ermöglichen, das Preisrisiko von Immobilien zu handeln. Die Familie der S&P/Case-Shiller Home Price Indices (CSI) dient dabei als Grundlage und misst die Preisentwicklung im Markt für Wohnimmobilien in US-amerikanischen Großstädten.7)

Eine weitere Form von Quasi-Immobilienderivaten sind "Macro Shares": Hierbei handelt es sich um börsengehandelte Wertpapiere, die die Preisentwicklung von Immobilien - im Speziellen Wohnimmobilien in den USA, gemessen mit Hilfe des S&P/Case-Shiller Composite-10 Home Price Index - widerspiegeln. Die Papiere sind dabei vollständig durch US-Staatsanleihen und vergleichbare Sicherheiten unterlegt.8) An der International Real Estate Securities Exchange (IRESE) als vollständig internetbasierter Marktplattform können Investoren mit Hilfe von "Real Estate Notes" und "Real Estate Options" Anteile an konkreten Immobilienobjekten handeln.9) Im Februar 2009 wurden nunmehr in Europa Immobilien-Futures an der Terminbörse Eurex als einem der weltgrößten Handelsplätze für standardisierte Derivate eingeführt.

IPD-Indizes als Referenzgrößen

Von entscheidender Bedeutung für den Handel mit Derivaten sind eindeutig definierte und verlässlich bewertbare Basiswerte. Die Standortgebundenheit von Immobilien und die damit einhergehende hohe Intransparenz von Immobilienwerten stellen besondere Herausforderungen dar. Immobilienindizes als eine mögliche Form von Basiswerten sehen sich mit dem Problem der in der Regel fehlenden Nachbildbarkeit und eingeschränkten Repräsentativität konfrontiert.10) Im Immobilienmarkt stellt IPD

(Investment Property Databank) einen der weltweit führenden Anbieter von Analysen zur Wertentwicklung von Immobilien dar und berechnet unter anderem eine breite Palette von Immobilienindizes, derer sich zum Beispiel viele Fonds und Investoren als Richtgrößen bedienen. Aufgrund ihres hohen Grades an Konsistenz und Transparenz sind die IPD-Indizes geeignete Basiswerte für Immobilienderivate und finden daher für die Immobilien-Futures an der Eurex Verwendung.11)

Der Leitindex "IPD UK Annual All Property Index" misst seit 1980 die jährlichen ungehebelten12) Gesamterträge (im Wesentlichen die Veränderung im Immobilienwert zuzüglich Netto-Mieterträgen) von Direktanlagen in Immobilien in Großbritannien und Nordirland. Ende 2007 etwa repräsentierte der Index mehr als 12 000 Immobilien im Wert von rund 250 Milliarden Euro, entsprechend zirka 60 Prozent des Immobilienmarktes im Vereinigten Königreich. Der nahezu ausschließliche Fokus liegt hierbei auf Gewerbeimmobilien (Bürogebäude, Shoppingcenter et cetera), Wohnimmobilien machen nur einen verschwindend kleinen Anteil am Index aus.13) Abbildung 1 zeigt den Wertverlauf des im jährlichen Rhythmus - auf Basis monatlicher zeitgewichteter Renditen - bestimmten Index.

Nach einem nahezu ungebrochenen Aufwärtstrend - mit Ausnahme der Periode der späten achtziger und frühen neunziger Jahre - haben die Jahre 2007 und 2008 im Zuge der weltweiten Finanzkrise einen scharfen Einbruch beim Preisniveau von Immobilien herbeigeführt. Die durchschnittliche Indexveränderung im Zeitraum 1980 bis 2008 lag bei etwa 9,2 Prozent per annum.14)

Immobilien-Futures an der Eurex

Die Immobilien-Futures an der Eurex sind jährliche Kontrakte, die auf dem innerhalb eines Kalenderjahres erzielten Gesamtertrag des IPD UK Annual All Property Index basieren.15) Die Spezifikationen im Detail sind in Abbildung 2 zusammengefasst.

Mit dem Kauf von Futureskontrakten (Long-Position) wird von einem steigenden Immobilienindex während des zugrunde liegenden Kalenderjahres profitiert; das Gegenteil gilt für den Verkauf von Futureskontrakten (Short-Position).16) Um zum Beispiel ein bestehendes Portfolio von Immobilien gegen einen Preisverfall in der näheren Zukunft zu schützen, sind daher Futureskontrakte zu verkaufen, die sich etwa auf das aktuelle und/oder nächstfolgende Kalenderjahr beziehen. Jeder Kontrakt hat eine Nominalgröße von 50 000 Britischen Pfund und einen Nennwert von 100. In der Praxis ist so das Eingehen einer Verkaufsposition in 20 Kontrakten bei einem Futurespreis von 100 gleichbedeutend mit einer Absicherung eines Immobilienportfolios im Gegenwert von einer Million Britischen Pfund.

Dabei gilt es zu beachten, dass eine solche Wertabsicherung umso effektiver funktioniert, je besser das reale Immobilienportfolio durch den IPD UK Annual All Property Index repräsentiert wird.17) Verlieren das Immobilienportfolio und der Index dann über die Zeit an Wert, zum Beispiel jeweils 20 Prozent, sinkt der Gegenwert der 20 Futureskontrakte auf 20 mal 50 000 mal 80/100, das heißt 800 000 Britische Pfund. Der Verkäufer dieser Kontrakte erhält damit - abgerechnet über die Terminbörse - von der Gegenpartei eine Ausgleichszahlung in Höhe von 200 000 Britischen Pfund, die im Idealfall einer perfekten Absicherung den Verlust des real gehaltenen Immobilienportfolios genau kompensiert.

Es ist zu berücksichtigen, dass im Falle einer Absicherung gegen einen Preisverfall auch eine Partizipation an steigenden Preisen ausgeschlossen wird, da in diesem Szenario der Verkäufer der Futureskontrakte seinerseits der Gegenpartei eine Ausgleichszahlung leisten muss.18) Eine lediglich "einseitige" Absicherung erfordert Instrumente wie Optionen, die von der Eurex bisher für den Immobilienmarkt nicht angeboten werden.

Bisherige Preisentwicklung

Abbildung 3 zeigt die Entwicklung der Preise für Immobilien-Futures seit ihrer Einführung im Februar 2009. Der im März 2010 fällige Futureskontrakt für 2009 zeigt mit einem Preis um 80 die vom Markt erwartete negative Preisentwicklung am britischen Immobilienmarkt im zugehörigen Referenzjahr 2009. Der Futureskontrakt für das Folgejahr repräsentiert mit Preisen um 100 eine neutrale Erwartung für 2010, während die Kontrakte bezogen auf die späteren Jahre einen prognostizierten Aufwärtstrend im Immobilienmarkt widerspiegeln. Es gilt zu beachten, dass das Handelsvolumen und der daraus resultierende Open Interest, das heißt die Anzahl derjenigen Kontrakte, die von den Marktteilnehmern in Summe bereits eingegangen worden sind und damit potenzielle zukünftige Transaktionen/Liquidität repräsentieren, bislang gering war - zwischen einem und etwa 100 Kontrakten pro Laufzeit.19)

Ausfallsicherheit und Liquidität als wichtige Determinanten

Insbesondere vor dem Hintergrund eines in der jüngeren Vergangenheit signifikant gestiegenen Ausfallrisikos auch namhafter Banken, die üblicherweise als Kontraktpartner im außerbörslichen Direkthandel mit Immobilienderivaten auftreten, bietet das zentralisierte Clearing der standardisierten Eurex-Futureskontrakte einen entscheidenden Vorteil. Mit einer zentralen und äußerst ausfallgesicherten Gegenpartei für alle Geschäfte kann das Kontrahentenrisiko signifikant reduziert werden.

Daneben ist die Liquidität der Futures eine entscheidende Anforderung, da Marktteilnehmer ihre Positionen gegebenenfalls kurzfristig ändern müssen. Auch die Eignung des Futuresmarktes als Quelle für Preisindikationen ist an eine hinreichende Liquidität gebunden. Hierzu trägt im Falle der Immobilien-Futures zum Beispiel die geringe Kontraktgröße bei. Zudem bietet die Eurex teilnemenden Großbanken die Möglichkeit, bis Ende 2010 als "Designated Market Maker" für die neuen Futureskontrakte zu agieren und dabei insbesondere Liquidität für den Handel zu gewährleisten.

Ausblick

Mit der Einführung von Immobilienderivaten strebt die Eurex an, die Vorteile börsengehandelter Kontrakte für die Akteure im derzeit außerbörslichen Markt für Immobilienderivate zu erschließen sowie neue Marktteilnehmer und Liquidität für dieses Segment zu gewinnen. Trotz des bisher geringen Handelsvolumens dürfte die Einführung von Immobilien-Futures als wichtiger Schritt zur Vervollständigung des Marktes gesehen werden. Zentrale Probleme könnten noch darin liegen, dass viele Marktteilnehmer ihre Immobilienpreisrisiken nicht aktiv managen und noch nicht von dem terminbörslichen Handel überzeugt sind. Auch ist die Auswirkung der generellen Verunsicherung über die Immobilienpreisentwicklung im Rahmen der jüngsten globalen Finanzkrise und die unsichere Bewertung von Mortgage Backed Securities (MBS) und vergleichbaren Instrumenten nicht eindeutig absehbar. Die weitere Entwicklung des Marktes bleibt daher mit Spannung abzuwarten.

Auf Basis geeigneter Nachfrage plant die Eurex für die Zukunft die Einführung weiterer Immobilien-Futures auf Sektorindizes (Gewerbe-, Wohn- und Industrieimmobilien) sowie internationale Indizes wie etwa für Deutschland und Frankreich. Auch könnten die bisher jährlichen Kontrakte durch weitere Laufzeiten ergänzt werden.

Literatur

Beracha, E.; Hirschey, M.: When Will Housing Recover? Financial Analysts Journal, Vol. 65, March/April 2009, S. 36-47.

Eurex: Rundschreiben 014/09 vom 23. Januar 2009 (a). Eurex: Produkte 2009, Februar 2009 (b).

Hofer, T.: Die vdp-Transaktionsdatenbank als Basis für Immobilienpreisstatistiken, Immobilien & Finanzierung, 03/2009, S. 90-91.

IPD: The IPD Index Guide - Edition Four, September 2008.

Köppel, M.; Kruse, S.: Ist der deutsche Kapitalmarkt reif für Immobilien-Derivate?, Betriebswirtschaftliche Blätter, 05/2008.

Kajuth, F.: Preisindizes für Wohnimmobilien: Konzeption und Ergebnisse, Immobilien & Finanzierung, 03/2009, S. 85-87.

Schacht, U.; Wimschulte, J.: German Property Investment Vehicles and the Introduction of G-REITs: An Analysis, Journal of Property Investment & Finance, Vol. 26, 2008, S. 232-246.

Syz, J.: Property Derivatives - Pricing, Hedging and Applications, Wiley & Sons, 2008.

Fußnoten

1) Im Folgenden wird ausschließlich auf "Preise" Bezug genommen, ohne diese von "Werten" zu differenzieren.

2) Indirekte Anlagen umfassen zum einen verbriefte Anteilspapiere und zum anderen immobilienbesicherte Gläubigerpapiere. Vgl. zu einer näheren Klassifizierung auch Köppel/Kruse (2008) und Schacht/Wimschulte (2008).

3) Eine geringe beziehungsweise negative Korrelation von Immobilien zu anderen Anlageklassen und ein in der Regel hoher Schutz vor Inflation sind primäre Motive für die Beimischung von Immobilien im Portfoliokontext. Vergleiche auch Köppel/Kruse (2008).

4) Zu weiteren Hintergrundinformationen und Details zu Immobilienderivaten siehe auch Syz (2008).

5) Für die im Folgenden diskutierten IPD-Indizes wird der Nominalwert derivativer Kontrakte hierauf per Mitte 2008 auf rund elf Milliarden Britische Pfund geschätzt. Allein auf die britischen Indizes wurden im ersten Halbjahr 2008 Kontrakte mit einem Nominalwert von mehr als fünf Milliarden Britischen Pfund abgeschlossen. Vergleiche IPD (2008).

6) Siehe Köppel/Kruse (2008).

7) Siehe zu Immobilienindizes am Beispiel von Wohnimmobilien auch Kajuth (2009). Vergleiche zu einer kritischen Diskussion der S&P/Case-Shiller Home Price Indices etwa Beracha/Hirschey (2009).

8) Vergleiche http://www.macroshares.com zu weiteren Hintergrundinformationen.

9) Vergleiche http://www.irese.com.

10) Siehe zu Anforderungen an Immobilienindizes und -statistiken auch Köppel/Kruse (2008) und Hofer (2009).

11)Für den deutschen Markt ermittelt IPD unter anderem den Deutschen Immobilien Index (Dix). Siehe zu einer näheren Diskussion auch Köppel/Kruse (2008).

12) "Ungehebelt" bedeutet, dass von einer vollständigen Eigenkapital-Finanzierung des Kaufpreises ausgegangen wird.

13) Vergleiche zu Details der IPD-Indexfamilie und den zugehörigen Berechnungsformeln IPD (2008).

14) Zum Vergleich: Die anhand des Consumer Price Index (CPI) gemessene Inflation in Großbritannien lag im Zeitraum 1988 bis 2008 bei 2,7 Prozent per annum.

15) Hinsichtlich der genauen Veröffentlichungstermine für die Indizes legt sich IPD nicht explizit fest, sondern sagt lediglich zu, die Indizes "so schnell wie möglich" nach Ende der Referenzperiode zu publizieren. Die Zeitverzögerung für die jährlichen Indizes beträgt üblicherweise einige Monate; die erwarteten nächsten Veröffentlichungstermine für alle Indizes können auf der Website von IPD eingesehen werden.

16) Der Kauf beziehungsweise Verkauf ist dabei ein rein "virtuelles" Geschäft zwischen zwei Partnern, das über die Terminbörse - anonymisiert - eingegangen und abgerechnet wird. Da beide Parteien das Geschäft zum gegenwärtigen "fairen" Marktpreis abschließen und sich Zahlungsverpflichtungen erst bei einer zukünftigen Preisbewegung ergeben, ist der Abschluss einer Futuresposition nicht mit dem Austausch eines Kaufpreises verbunden. Die Terminbörse verlangt lediglich eine Sicherheitsleistung (Margin) für mögliche kurzfristig auftretende Preisschwankungen.

17) Es verbleibt somit ein "Basisrisiko", das heißt dasjenige Risiko, dass das zur Absicherung eingesetzte Instrument keine vollständig gegenläufige Wertentwicklung verzeichnet.

18) In der Praxis werden Gewinne und Verluste aus Futurespositionen handelstägig von der Terminbörse abgerechnet, sodass sich bei Fälligkeit der Kontrakte oder deren vorzeitiger Auflösung keine gegebenenfalls hohen Einmalzahlungen ergeben.

19) Im Falle fehlenden Handelsvolumens beziehungsweise fehlender Kauf-/Verkaufskurse legt die Eurex den täglichen Schlussabrechnungspreis geeignet fest.

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