Bausparen

Neukonzeption des Bausparsicherungssystems

Als bauspartechnisches Sicherungssystem im Sinne der nachfolgenden Ausführungen wird ein System von Regeln betrachtet, das geeignet erscheint, beim Betrieb von Bausparkollektiven langfristig die kollektive Liquidität und das kollektive Ergebnis zu sichern, um zum einen durch Bereitstellung kollektiver Liquidität die Leistungsversprechen gegenüber den im Bestand befindlichen Bausparern zu erfüllen und zum anderen die Erbringung dieser Leistung durch angemessene Erträge und damit wirtschaftliche Absicherung der Bausparkasse zu ermöglichen.

Heutiges bauspartechnisches Sicherungssystem

Derzeit besteht dieses System im Wesentlichen aus einer Reihe von - sich im Laufe der Zeit wandelnden - Regeln zur Konstruktion von Bausparprodukten, einer bestimmten Menge an Nebenbedingungen im Hinblick auf die Steuerung von Risiko, Ergebnis und Liquidität für Bausparkassen sowie aus dem Fonds zur bauspartechnischen Absicherung (FbtA).

Dieser FbtA ist im Bausparkassengesetz verankert; die Regeln für Zuführung und Entnahme finden sich in der Bausparkassenverordnung von 1990 und sind im Wesentlichen entstanden unter dem Eindruck und den Erfahrungen der 1980er Jahre, in denen das Hauptproblem von Bausparkassen die fehlende kollektive Liquidität und die daraus resultierende Wartezeitverlängerung war. Abgeleitet aus dem damals recht hohen Spread zwischen Kapitalmarktzinsniveau und kollektivem Darlehenszins waren die heute gültigen Regelungen der Zuführung zum FbtA auch geprägt von einem indifferenten "Gerechtigkeitssinn", dem zur Folge Mehrerträge aus der Anlage der vorübergehend nicht zuteilbaren Zuteilungsmittel (Schwankungsreserve) nicht der Bausparkasse, sondern dem Kollektiv zustehen sollten.

Beide Elemente zusammen führten zur Bildung des FbtA, dessen Zuführungspflicht endet, wenn er dem Volumen nach drei Prozent der Bauspareinlagen erreicht hat. Sinn und Zweck dieses FbtA ist die Verkürzung der Wartezeiten in den Fällen, in denen die Regelsparer desjenigen Tarifs, der den größten Anteil im nicht zugeteilten Bestand einer Bausparkasse aufweist, ein individuelles Sparer-Kassen-Leistungsverhältnis (iSKLV) von mehr als 1,0 aufweisen.

Bis zum Jahre 1998 waren Zuführungen zum FbtA vor der Ermittlung der Körperschaftssteuer abzusetzen. Seit dem sind sie nach Steuern zu bilden, vergleichbar den Zuführungen zur Reserve nach § 340f HGB, ohne jedoch deren Eigenkapitalcharakter zu haben. Die (unversteuerten) Beträge im FbtA waren in den Jahren 2002 bis 2006 nachzuversteuern. Diese heute noch gültigen Regelungen lassen außer Acht, dass sich die Produktlandschaft bei Bausparkassen seit 1990 erheblich verändert hat.

Neue Tarifformen bei Bausparkassen

Beginnend mit den ersten Optionstarifen aus den 1980er Jahren bis hin zu den "Tauschtarifen" mit der Möglichkeit extrem niedriger Darlehenszinsen (Niedrigzinstarife) haben sich die Kriterien sowohl zur Zuführung als auch zur Entnahme aus dem FbtA zunehmend überlebt, im Gegenteil, sie wirken derzeit eher kontraproduktiv.

So führt zum Beispiel ein hoher Bestand an so genannten Niedrigzinstarifen zu einem unrealistisch niedrigen durchschnittlichen Darlehenszinssatz im nicht zugeteilten Vertragsbestand und damit zu einer unangemessen hohen Zuführungspflicht zum FbtA. Andererseits weisen eben diese Niedrigzinstarife als eine Darstellungsform der Tauschtarife systemimmanent grundsätzlich ein iSKLV größer 1,0 auch für Regelsparer aus, sodass eine Bausparkasse nach der heutigen Rechtslage bei einem überwiegenden Anteil von Niedrigzinstarifen im nicht zugeteilten Vertragsbestand den FbtA auflösen müsste, obwohl im Kollektiv keinerlei Liquiditätsbedarf besteht. Inwieweit dieser Schritt bilanzpolitisch klug wäre, sei dahingestellt.

Kollektive Zinsspanne als Sicherungsziel Durch die Einführung der sogenannten Tauschtarife ist mittlerweile - im Sinne einer dritten Betrachtungsdimension - über das Zeit-mal-Geld-System des Bausparens hinaus die Komponente "Kollektive Zinsspanne" betroffen. Die Niedrigzinstarife als Ausprägung der Tauschtarife "tauschen" eine Mehrleistung des Bausparers im Zeit-mal-Geld-System gegen eine verringerte Zinszahlung in der Darlehensphase, das heißt eine verringerte kollektive Zinsspanne, ein.

Damit tritt als langfristig zu sichernder Sachverhalt neben der kollektiven Liquidität - wie im alten System im Fokus - die kollektive Zinsspanne gleichberechtigt neben die bisherigen Kriterien. Ein den heutigen Verhältnissen angepasstes bauspartechnisches Sicherungssystem muss daher sowohl kollektive Liquidität wie auch kollektive Zinsspanne als Steuerungsziel aufweisen und sollte, wie auch im heutigen System vorgesehen, atypische Zustände aus Anlaufeffekten durch Abschöpfungsverfahren glätten und die Möglichkeiten bieten, periodenverschobene Aufwendungen und Erträge für ein Kollektiv auszugleichen. Ein solches zukunftsorientiertes bauspartechnisches Sicherungssystem kann nur sinnvolle Ergebnisse liefern, wenn die Steuerungsgrößen aus dem heutigen Zeit-mal-Geld-System in Steuerungsgrößen eines dreidimensionalen Zeit-mal-Geld-mal-Zinsspanne-Systems überführt werden.

Übernahme der MaRisk-Philosophie

Als weitere Problemebene in dieser Betrachtung spielen die - 1990 noch unbekannten - Risikobetrachtungen gemäß MaRisk eine erhebliche Rolle. In das heutige Regelwerk der MaRisk ist der FbtA nicht zweifelsfrei einzubetten.

Eine Bausparkasse kann ihn nicht als Ergänzungskapital im Sinne der Reserve gemäß § 340f HGB verwenden. Für die Risikodeckungsmasse im Rahmen des Risikomanagements steht er formal nicht zur Verfügung, da die Situationen, in denen er zur Risikominimierung auch herangezogen werden müsste, nicht mit den Entnahmevorschriften des FbtA übereinstimmen. Viele Bausparkassen setzen den FbtA dennoch im Rahmen ihrer Risikodeckungsmasse an, was fraglos sinnvoll ist; keine Bausparkasse jedoch verfügt über praxisrelevante Risikosituationen, in denen der FbtA zur Risikoabschirmung in den nächsten Jahren eingesetzt werden darf, sieht man einmal von der Generalklausel "mit Zustimmung der BaFin" ab.

Entnahme auch zur Ertragsstabilisierung

Bezüglich der Neuregelung der Zuführung zum Fonds sind sich beide Bausparkassenverbände mit der BaFin über eine Anpassung der Bausparkassenverordnung im Grundsatz einig, allenfalls Details bedürfen noch einer Abstimmung.

Der Hauptbedarf im Rahmen einer Neuregelung besteht daher in einer Neujustierung der Entnahmesituationen. Diese Neuregelung der Entnahmesituation darf sich daher nicht ausschließlich auf die Betrachtung der Liquiditätssituation eines Kollektivs, sondern muss sich folgerichtig auch auf die Ergebnisseite eines Kollektivs, mithin auf die Zinsspanne, ausweiten lassen. Im Rahmen dieser Neuregelung sind auch die mit der Einführung neuer Produktgenerationen verbundenen

- Mengeneffekte aus Neugeschäftsprogression,

- zeitverschobene Zinsspanneneffekte und

- Tausch- beziehungsweise Optionstarife zu berücksichtigen.

Zurzeit wird zur Berechnung der Mehrerträge der gewichtete kollektive Darlehenszins zugrunde gelegt. Die Gewichtung erfolgt anhand der Tarifverteilung der Bausparsummen im nicht zugeteilten Bestand. Diese Vorgehensweise bildet die Situation der Bausparkasse nicht sachgerecht ab, da Erträge nicht von Bausparsummen, sondern von Bauspareinlagen verursacht werden. Die Effekte von Niedrigzinstarifen sind nicht berücksichtigt.

Bestandsgewichtung über Bauspareinlagen

Eine Neuregelung sollte die aktuelle Situation der Bausparkasse besser erfassen. Ausgehend von den durchschnittlichen Bauspareinlagen- und Bauspardarlehenszinsen und durch Einbeziehung der Zinserträge aus der Anlage nicht in Bauspardarlehen gebundener Bauspareinlagen kann eine kollektivbedingte Zinsspanne ermittelt werden. Diese kollektivbedingte Zinsspanne sollte zur Ermittlung der Mehrerträge herangezogen werden.

Die Neuregelung sollte darüber hinaus aber insbesondere auch an die zwischenzeitlich eingeführte Grundphilosophie der MaRisk angepasst sein und in seinen absoluten Grenzwerten jeweils hausindividuell gestaltet werden können. Die dem FbtA zugeführten Mittel können dann auch in voller Höhe der Risikodeckungsmasse im Rahmen des Risikomanagementsystems zugerechnet werden.

Anerkennung als Eigenkapital

Im Zielzustand muss ein zukunftsorientiertes bauspartechnisches Sicherungssystem die oben genannten Anforderungen zur Liquiditäts- und Ergebnisstabilisierung erfüllen.

Da es sich bei diesem FbtA neuer Prägung um eine bausparkassentypische Sonderform von Rücklagen handelt, sollte der FbtA auch - schon aus steuersystematischen Gründen - als Eigenkapital, dabei eher als Ergänzungskapital, herangezogen werden können; hier bietet sich eine Einstufung als Reserve nach § 340g HGB an, da auch heute bereits der FbtA mit Bestand sowie Zuführung und Entnahme offen ausgewiesen wird.

Basis für ein neues Konzept

Es bietet sich an, als Grundlage für ein neues Konzept die Methoden und Begriffe der sogenannten "laufenden Kollektivüberwachung" (LKÜ) zu verwenden, so wie sie gemeinsam mit der BaFin im Rahmen der methodischen Abstimmung definiert wurden.

Als Basis können hierbei diejenigen Zahlenreihen herangezogen werden, die in den jährlich zu erstellenden kollektiven Lageberichten die Ergebnisse der verschiedenen Szenarien beschreiben. Dies sind als wesentliche Steuerungsgrößen zunächst die

- kollektive Zinsspanne und

- kollektiv bedingte Zinsspanne.

Grenzwerte für Zuführung zu und Entnahme aus dem FbtA lassen sich anhand von Abweichungen zu einer hausindividuell festzulegenden "Norm" für zum Beispiel die Entwicklung der kollektiv bedingten Zinsspanne ermitteln.

Im Zielzustand sollte sich ein neu gestaltetes bauspartechnisches Sicherungssystem nahtlos in die Regeln zur Anwendung der MaRisk für Bausparkassen, die laufende Kollektivüberwachung mit ihren jährlichen kollektiven Lageberichten sowie die mittel- und langfristige Planung von Bilanz und GuV im Sinne einer integrierten Steuerung von Liquidität, Ergebnis und Risiko einfügen.

Neuregelung dringend geboten

Eine Neuregelung von Zuführung und insbesondere Entnahme erscheint für den FbtA dringend geboten, um die seit 1990 neu entstandenen Sachverhalte bei Produktentwicklung und Risikosteuerung zu berücksichtigen. Sinnvollerweise sollte dies durch eine Anpassung der Bausparkassenverordnung geschehen, da diese auch heute bereits Zuführung und Entnahme regelt; eine Änderung des Bausparkassengesetzes erscheint nicht erforderlich.

Dr. Friedrich Miehe , Lehrbeauftragter , Universität zu Köln
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