Schwerpunkt Bewertungsfragen

Ist Online-Handel ein Werttreiber für Logistikimmobilien?

Der Logistikmarkt ist ein Schwergewicht der deutschen Wirtschaft und stellt mit einem Jahresumsatz von 228 Milliarden Euro im Jahr 2012 und über 2,8 Millionen Beschäftigten (Quelle Fraunhofer SCS) nach der Automobilindustrie die zweitgrößte Branche hierzulande. Deutschland ist aufgrund seiner zentralen Lage, sehr guten Infrastruktur, seiner Wirtschaftsstärke, seiner Bevölkerungsstärke sowie seiner Gateway-Funktion der größte und bedeutendste Logistikmarkt in Europa. Frankreich und das Vereinigte Königreich folgen mit 126 Milliarden Euro beziehungsweise 100 Milliarden Euro Logistikmarktvolumen erst mit weitem Abstand.

Durch eine kontinuierliche Entwicklung des Logistikmarktes mit Steigerungsraten von über 25 Prozent seit 2005 ist die Branche in den Fokus von Investoren geraten. Logistik ist eine relativ junge Anlageklasse, obwohl Investitionen bereits Mitte der neunziger Jahre getätigt wurden. Spätestens ab 2008 hat sich die Assetklasse als Investmentprodukt etabliert und zu einer attraktiven Alternative zu Büro- und Einzelhandelsimmobilien entwickelt.

Höhere Rendite als Büros

Logistikimmobilien bieten bei einem niedrigen Leerstandsniveau stabile Cash-Flows und sichern dem Anleger höhere Anfangsrenditen als andere Immobilienklassen. Der Abstand zu Büro- beziehungsweise Einzelhandelsimmobilien liegt zwischen 1,75 und 2,5 Prozent. Logistikimmobilien wurden in den vergangenen Jahren immer stärker nach gefragt. Attraktive Total Returns (Gesamt renditen), geringe Volatilitäten und Diversifizierungseffekte zur Risikoreduzierung in den Portfolios haben gerade bei institutionellen Investoren mit hohem Anlagedruck wie Versicherungen, Versorgungswerken, Pensionskassen und Private-Equity-Fonds aus Deutschland, dem angelsächsischem Raum und Nordamerika die Nachfrage stark steigen lassen.

Während in den Jahren 2007 bis 2011 Logistikimmobilien einen Anteil von rund sieben Prozent am gewerblichen Transaktionsvolumen in Deutschland hatten, lag ihr Anteil im Jahr 2012 bereits bei neun Prozent und stieg Anfang 2013 auf zehn Prozent. Diese Entwicklung lässt immer mehr Investoren Logistikinvestments realisieren, was inzwischen aufgrund begrenzter Produktverfügbarkeit zu deutlichen Preissteigerungen geführt hat. Für drittverwendungsfähige Logistikimmobilien mit attraktiver Vermietung an guten Standorten liegen die Renditen teilweise bereits unter sieben Prozent und haben somit wieder das Vorkrisenniveau von 2007 erreicht.

Die Dynamik der Logistikbranche ist ungebrochen. Fortschreitende Globalisierung, veränderte Kundenerwartun. gen (Stichwort "same-day-delivery") sowie der Trend zum Onlinehandel führen zu einem tendenziell steigenden Bedarf an Lager- und Logistikflächen. Hieraus erwachsen neue Herausforderungen und Fragen für Investoren, Banken und Bewerter: Haben sich die Ansprüche an die Lage und Struktur der Objekte verändert und welches sind die wichtigsten Standortkriterien? Welche Auswirkungen hat der Boom im E-Commerce auf die Werthaltigkeit von Logistikimmobilien?

Mit diesen Fragen hat sich die Fachgruppe "Logistikimmobilien" der Hypzert auseinandergesetzt und auf der Expo Real 2013 in München ihre 2. Auflage der Studie "Bewertung von Logistikimmobilien" veröffentlicht. Die aus erfahrenen Gutachtern und Experten aus dem Logistikimmobilienmarkt zusammengesetzte Gruppe hat hierin Logistikmärkte und aktuelle Trends analysiert, Standort-, Grundstücks- und Gebäudeanforderungen dargelegt, Logistikarten beschrieben, Logistikimmobilien kategorisiert und die wichtigsten Parameter der Bewertung erläutert.

Erstmals erfolgt in der Studie ein Blick auf weitere europäische Logistikmärkte. Zudem wurden Ausführungen zum Thema Brandschutz ergänzt. Integriert wurde ebenfalls ein Abschnitt zu Hochregallagern inklusive der beispielhaften Ableitung von Mietansätzen für die Bewertung. Sogenannte Typenblätter liefern eine übersichtliche Darstellung relevanter Kennzahlen für die unterschiedlichen Logistik-Objektarten. Eine Checkliste fasst die wichtigsten Prüfkriterien für die Bewertung zusammen. Auf der Homepage der Hypzert kann die aktuelle Studie abgerufen werden.

Das Internet hat den Einzelhandel und damit direkt die Logistikbranche revolutioniert. Allein 67 Millionen Web-Nutzer in Deutschland und Menschen, die aufgrund einer gestiegenen Lebensalterszeit länger aktiv und konsumfreudig sind, verbringen immer mehr Zeit im Web auf der Suche nach Informationen, Kommunikation und Kaufabschlüssen. Und der Boom hört nicht auf. Seit Beginn der E-Commerce-Ära im Jahr 1999 stieg der Umsatz allein in Deutschland von 1,25 Milliarden Euro auf geschätzte 33,5 Milliarden Euro im Jahr 2013. Es wird weiterhin von Steigerungsraten von jährlich 20 Prozent und mehr ausge gangen.

Begünstigt wird diese Entwicklung von mobilen Endgeräten und dem Siegeszug der Tablet PC, mit denen immer mehr Menschen von unterwegs bestellen und für überproportionale Umsatzsteigerungen sorgen. Zudem spielen soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter mit ihren Empfehlungsfunktionen eine zunehmend wichtige Rolle für Online-Shops. Die Weiterentwicklung des Multi-Channnel-E-Commerce zu Omnipräsenzen - in dem der Kunde an dem Ort, an dem er sich gerade aufhält, gezielt zum Kauf aufgefordert wird, unterstützt diesen Trend.

Herausforderungen für die Logistikbranche ergeben sich zudem durch steigende Kundenerwartungen an eine schnellere oder zeitgenauere Belieferung der online bestellten Ware oder Lieferung der bestellten Ware an unterschiedliche Orte wie zum Beispiel zuhause, am Arbeitsplatz oder bei Abholstationen. Große Auswirkungen auf logistische Abläufe hat das Retourenmanagement. Durch eine hohe Rückgabequote von durchschnittlich 50 Prozent (bei Schuhen sogar 80 Prozent) werden umfangreiche Tätigkeiten erforderlich, die eine reibungslose Eingliederung der Ware in den Lagerbestand ermöglichen.

Flächenbedarf und Standorte

Die bisherige klassische Lieferkette über Zentrallager und Regionallager zum stationären Einzelhandel (B2B-Logistik) verändert sich zugunsten der Individuallogistik, wo der Kunde direkt durch KEP-Dienstleister vom Zentrallager aus beliefert wird (zum Beispiel Amazon, Zalando). Diese Individualisierung führt zu einem deutlichen Anstieg des Waren- nund Paketaufkommens und erfordert erheblich prozessuale Veränderungen in der Lieferkette (Supply Chain), was wiederum Auswirkungen auf Logistikimmobilienkonzepte und Standorte mit sich bringt.

Die Abwicklung des steigenden Anteils von E-Commerce am Gesamteinzelhandelsvolumen erfordert allein in Deutschland bis 2017 rund 1,5 Millionen Quadratmeter zusätzliche Logistikflächen. Die Online-Aufträge werden in sogenannten E-Fulfillment Centern abgewickelt, in denen neben der reinen Lagerung auch alle Zusatzleistungen wie zum Beispiel Retourenemanagement, Marketing, Kommissionierung, Verpackung und Versand durchgeführt werden.

Zur Erfüllung aller Kundenwünsche und zur Vermeidung von Mehrfachsendungen muss überwiegend das gesamte Sortiment vorgehalten werden. Dies erfordert Hallengrößen von 60 000 bis über 100 000 Quadratmeter Hallenfläche, was bei einer Grundstücksauslastung von 50 Prozent zu erforderlichen Grundstücksflächen von nicht selten mehr als 200 000 Quadratmetern führt. Zusätzlich müssen noch nicht bebaute Flächen für mögliche Expansionen mit berücksichtigt werden.

Der personalintensive Betrieb mit nicht selten zwischen 2 000 und 3 000 Mitarbeitern in einer Schicht bedingt zusätzliche Anforderungen an Grundstück und Standort. Folgende Rahmenbedingungen sind wesentlich bei der Grundstückswahl:

- ausreichende Zahl an Arbeitskräften in der Region,

- starke Vernetzung des öffentlichen Nahverkehrs,

- gute Verkehrsanbindung und vor allem die Nähe zu Autobahnen oder Autobahnkreuzen,

- Bereitschaft der Kommunen, Logistikansiedlungen zu unterstützen,

- Baugenehmigungen ohne wesentliche Lärmeinschränkungen im 24-Stundenund 7-Tage-Betrieb.

Doch gerade in den bekannten Top-Logistikregionen ist inzwischen die Flächenverfügbarkeit so gering, dass großflächige Neubauprojektentwicklungen nicht mehr realisiert werden konnten. Zudem ist an diesen Standorten auch die Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte bereits eingeschränkt. Zusätzlich limitierend wirken die gesetzlich verankerten Einschränkungen des bundesweiten Flächenverbrauchs, sodass es gerade in der Nähe der großen Ballungsräume kaum noch zur Ausweisung großflächiger Industriegebiete kommt. Zudem stehen Einwohner lärmintensiven Ansiedlungen immer kritischer gegenüber, sodass auch vermehrt mit Einschränkungen in der Nutzung zu rechnen ist.

Als Folge dieser Flächenknappheit dürften die Mieten dauerhaft stabil bis leicht steigend sein und somit die Nutzungsdauer von Logistikimmobilien wieder ansteigen lassen. Dies wirkt sich unmittelbar werterhöhend im Rahmen der Beleihungs- oder Marktwertermittlung aus. Ältere Immobilien mit entsprechenden Nutzungsgenehmigungen und ausreichender Gebäudequalität werden ebenfalls an Wert gewinnen und von dieser Entwicklung profitieren.

Größere Projektentwicklungen werden künftig außerhalb der Top-Logistikstandorte, mit Entfernungen zur nächsten größeren Stadt von rund 40 km und an Standorten mit ausreichender Flächenverfügbarkeit und entsprechendem Arbeitskräftepotenzial realisiert. Logistikstandorte wie die Regionen Bielefeld, Münster/Osnabrück, das Sachsendreieck (Dresden, Halle/Leipzig, Chemnitz/Zwickau) sowie die Regionen Kassel und Erfurt eignen sich hierfür besonders.Der mit dem E-Commerce verbundene starke Anstieg des Paketaufkommens von aktuell 2,6 Milliarden per annum auf prognostiziert vier Milliarden per annum im Jahr 2025 erfordert neue Verteilnetze und eine Erhöhung der Kapazitäten von Paket- und Verteilzentren (Umschlag- beziehungsweise Cross-Dock-Anlagen). Große KEP-Dienstleister wie DHL, Hermes und andere realisieren gerade über 100 neue Immobilien in diesem Segment. Neben Verteilzentren in unmittelbarer Nähe der E-Fulfillment-Center werden weitere sogenannte Urban Hubs (3 000 bis 6 000 Quadratmeter) als logistische Knotenpunkte zur Bündelung der innerstädtischen Warenverteilung benötigt. Da hierfür Baurecht in innerstädtischen Lagen nur noch schwer zu erreichen ist, werden ältere Immobilien wieder sehr begehrt.

Bisher galten Umschlagimmobilien als Spezialimmobilie und wurden nicht der Assetklasse "Logistikimmobilien" zugerechnet. Hohe Mieten aufgrund eines enormen Flächenbedarfs im Verhältnis zur Hallengröße sowie die Ungewissheit der Nachvermietbarkeit bei ablaufenden Mietverträgen haben bisher zur Zurückhaltung von institutionellen Investoren geführt. Eine inzwischen höhere Transparenz im Bereich der Renditen und Mieten in Verbindung mit der prognostizierten Entwicklung des Online-Handels erhöht die Nachfrage nach diesem Hallentyp und somit die Drittverwendungsfähigkeit deutlich. Somit erfährt auch dieses Immobiliensegment eine Werterhöhung durch die Zunahme des Online-Handels.

Logistikimmobilien (Distributionshallen), die unter dem Aspekt der Drittverwendungsfähigkeit und somit flexibel in der Nutzung errichtet wurden, erfüllen grundsätzlich auch die Voraussetzungen um den Online-Handel abzuwickeln. Das manuelle Picking (Einsammeln) der bestellten Ware, der höhere Umfang an Value-added-Dienstleistungen sowie die Abwicklung des Retourenmanagements erfordern eine deutlich höhere Anzahl an Mitarbeitern.

Anforderungen an Grundstück und Gebäude

Hierdurch steigt der Bedarf an Pkw-Stellplätzen, erhöhen sich die Anforderungen an den ÖPNV, steigen die Ansprüche an Heizen und Kühlen sowie Tagelicht, werden mehr Büro- und Sozialflächen als üblich benötigt und erhöhen sich somit die bisher üblichen Anforderungen an eine drittverwendungsfähige Logistikimmobilie. Zur optimalen Ausnutzung der Halle werden zwei oder drei Ebenen benötigt, was Hallenhöhen von zehn bis 14 Meter bedingt. Zudem werden größere Mezzaninflächen zur Abwicklung der Retouren gebraucht. Diese Voraussetzungen können meist nur bei neuen Projektentwicklungen realisiert werden.

Neben einem seit Jahren kontinuierlich steigendem Logistikmarkt erfährt die Branche durch die enormen Zuwächse im E-Commerce einen zusätzlichen Schub. Eine gleichbleibende oder steigende Nachfrage wird bei eingeschränkter Flächenverfügbarkeit zu stabilen respektive leicht steigenden Mieten führen und somit zur Wertsteigerung beziehungsweise Wertstabilität von Logistikimmobilien beitragen. Ältere Immobilien in guten stadtnahen Lagen mit entsprechendem Baurecht werden an Bedeutung gewinnen und ebenfalls verstärkt nachgefragt sein.

Umschlagimmobilien (Cross-Dock-Anlagen) werden zu einem unverzichtbarem Bestandteil der Supply Chain (Lieferkette) und sich von einer Spezialimmobilie möglicherweise zu einer Standard-Logistikimmobilie entwickeln. Die laufende Beobachtung der Marktentwicklungen und der Güterströme sowie die richtige Einschätzung der Standorte (Stichwort: Lage-Lage-Lage) wird trotz der enormen Entwicklungen im E-Commerce für Investoren, Banken und Gutachter eine dauerhafte Herausforderung bleiben.

Bodo Hollung , Gesellschafter, Geschäftsführer , LIP Invest GmbH
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