Immobilienmärkte

Projektentwicklungen brauchen Ausgewogenheit

Projektentwicklungsprozesse sind zeit- und kapitalintensiv und daher in besonderem Maße von der Entwicklung auf den Immobilien- und Kapitalmärkten abhängig. Umso überraschender ist, dass deutsche Projektentwickler bislang verhältnismäßig gut durch die Krise gekommen sind. Bulwien Gesa zufolge sind an den deutschen Top-Standorten gegenwärtig 5,1 Millionen Quadratmeter Fläche aller Nutzungsarten im Bau und weitere 8,6 Millionen Quadratmeter projektiert.

Im Vorjahr waren es zwar insgesamt noch rund 1,5 Millionen Quadratmeter mehr - im internationalen Vergleich und im Vergleich zu den Befürchtungen, wie sich die Krise auf Projektentwicklungen auswirken könnte, sind die Einbußen aber wohl eher moderat. Besonders gut durch die Krise sind bislang vor allem solche Entwickler gekommen, die breit aufgestellt sind - und zwar in mehrfacher Hinsicht: Zum einen gilt dies im Hinblick auf die Nutzungsdiversifikation, zum anderen aber auch bezogen auf die Haltestrategie.

Nutzungen diversifizieren

Das Bürosegment gilt laut Bulwien Gesa aktuell als Verlierer bei den Projektentwicklungen und weist den größten Rückgang auf. Viele Entwickler haben auf Wohnimmobilien umgeschwenkt, die wiederum den größten Zuwachs im Vergleich der Nutzungsarten verzeichnen - denn hier ist die Investmentnachfrage gegenwärtig besonders groß. Dennoch gilt: Die Lage auf den Büromärkten ist vor allem an wirtschaftlich attraktiven Standorten wie beispielsweise München keinesfalls hoffnungslos. Im ersten Quartal 2010 nahmen Angaben von Jones Lang Lasalle zufolge die Anmietungen jenseits der 5000 Quadratmeter-Grenze im Jahresvergleich deutlich zu. Beispiele seien Mietverträge der Unternehmensgruppe Scout 24 im Münchener Osten sowie von Amazon in der Parkstadt Schwabing.

Neue Medien, Internetunternehmen sowie Berater und Handelsunternehmen sind CB Richard Ellis zufolge die wichtigsten Mietergruppen in München. Auch an anderen Standorten bieten die Büromärkte weiterhin langfristig Vermietungschancen und damit auch eine entsprechende Investmentnachfrage. Vor diesem Hintergrund gilt: Jetzt zu einseitig auf eine Nutzungsart - beispielsweise auf Wohnungen - zu setzen, könnte diese Chancen für die Zukunft verbauen. Durch den in der Regel langen Planungs- und Realisierungszeitraum von Projekten besteht bei einer zu starken Fokussierung auf das Wohnungssegment je nach Standort die Gefahr, zum Zeitpunkt der Fertigstellung den Höhepunkt der Investmentnachfragewelle bereits verpasst zu haben und Projekte zeitgleich mit einer großen Zahl von Mitbewerbern in ein vergleichsweise großes Angebot hineinzuentwickeln.

Dennoch ist es sinnvoll, den Schwerpunkt in einem gewissen Rahmen den jeweils aktuellen Entwicklungen anzupassen. So hatte die Bayerische Hausbau beispielsweise zur Zeit der starken Büroorientierung der Märkte bis etwa 2005/2006 bei damals neuen Projekten einen leichten Schwerpunkt auf Büros - er lag in den Jahren vor der Krise bei etwa 70 Prozent. Aktuell hat sich der Fokus der Bayerischen Hausbau in Richtung Wohnen verschoben - bei heutigen Projekten liegt der Schwerpunkt zu etwa 70 Prozent auf diesem Segment. Im langjährigen Durchschnitt jedoch verteilen sich die Projekte zu etwa 50 Prozent auf Büro- oder sonstige gewerbliche Immobilien und zu 50 Prozent auf Wohnimmobilien.

Haltestrategie sowohl kurz- als auch langfristig

Auch hinsichtlich der Frage nach der Strategie, ob Objekte direkt für den Verkauf oder - zunächst - für den eigenen Bestand entwickelt werden sollen, bietet es sich an, einen ausgewogenen Ansatz zu verfolgen. Für die vergangenen Monate galt: Zwar kommen Produkte, die in einer Abschwungphase entwickelt werden und zum Verkauf bestimmt sind, zeitversetzt und damit möglicherweise bereits wieder in einer Aufschwungphase auf den Markt.

Ein frühzeitiger Verkauf eines Projekts gegebenenfalls sogar vom Reißbrett - ist in einem schwachen Markt aber kaum möglich. Vor allem kleine Projektentwickler unterliegen jedoch häufig einem großen Verkaufsdruck und sind zum Teil nicht in der Lage, Projekte mit Perspektive bis zur Fertigstellung oder darüber hinaus im Bestand zu halten - insbesondere, wenn beispielsweise die Vorvermietung aufgrund eines schwachen Mietmarkts hinter den Erwartungen zurückgeblieben sein sollte.

Der Ansatz, dass Projekte längerfristig im eigenen Bestand bleiben und nicht schnellstmöglich veräußert werden sollen, setzt voraus, dass die Projekte entsprechend zukunftsfähig sind. Sie müssen auch in einigen Jahren noch "up to date" sein. Ist dies nicht der Fall, stellt dies eine Hürde für den späteren Verkauf dar. Ein Beispiel sind die energetischen Anforderungen. Die Energieeinsparverordnung (EnEV) wurde 2002, 2007 und 2009 novelliert, und für 2012 wird bereits eine weitere Verschärfung diskutiert. Für Entwickler bedeutet dies, dass die Anforderungen der jeweils gültigen EnEV übererfüllt werden sollten - die Immobilien sollten ihrer Zeit zwei bis drei Jahre voraus sein, um mögliche Verschärfungen der Anforderungen vorwegzunehmen.

Finanzierung und Abverkauf

Im Frühjahrsgutachten 2010 des Rats der Immobilienweisen heißt es, das größte Risiko für die konjunkturelle Erholung sei das Auftreten einer Kreditklemme. Zwar bestehe kein Anlass zu apokalyptischen Visionen, aber gänzlich ausgeschlossen werden könne eine Kreditklemme für dieses Jahr nicht. Zahlreiche Umfragen deuten an, dass Immobilienunternehmen in den vergangenen Monaten durchaus Schwierigkeiten hatten, Projekte zu finanzieren. Zwei Umfragen des ZIA Zentralen Immobilien Ausschusses von 2008 und 2009 beispielsweise zeigen, dass sich die Situation für Immobilienunternehmen den Bankenhilfen zum Trotz selbst bei vergleichsweise kleinen Krediten unter 100 Millionen Euro und Prolongationen bestehender Kredite in diesem Zeitraum verschlechtert hatte.

Auch heute prüfen Banken noch immer sehr viel genauer als vor der Krise, welche Projekte sie finanzieren. Für kleinere Unternehmen kann dies zum Beispiel bei der Entwicklung von Eigentumswohnungen zu Schwierigkeiten führen. Denn Banken erwarten bei eigenkapitalschwachen Entwicklern, dass sie - je nach Projekt und Unternehmen - zunächst 30 Prozent der Wohnungen vom Papier abverkaufen. Gelingt dies nicht, wird keine Finanzierung gewährt. Der Entwickler kann vor diesem Hintergrund das Timing des Projekts nicht exakt bestimmen, da der Baubeginn davon abhängt, wie schnell die erforderliche Quote erreicht ist. Den Käufern kann entsprechend nicht versichert werden, dass ihre Wohnungen zu einem bestimmten Zeitpunkt bezugsfertig sind, was wiederum viele Käufer dazu veranlasst, die Wohnung nicht zu erwerben - ein Teufelskreis.

Bei Gewerbeimmobilien zeigt sich ein ähnliches Phänomen. Für Projekte, die erst ab einer gewissen Vorvermietungsquote finanziert werden, lassen sich tendenziell schwerer Nutzer finden. Denn ein Unternehmen braucht Gewissheit, wann ein Einzug möglich ist. Ist jedoch der Zeitpunkt des Baubeginns davon abhängig, dass die Mieter feststehen, kann der potenzielle Bezugszeitpunkt nur mehr oder weniger gut geschätzt werden. Viele Nutzer werden in einem solchen Fall keinen Mietvertrag unterzeichnen. Wichtig in beiden Fällen ist deshalb - sofern die Rahmenbedingungen für ein Projekt stimmen und der Entwickler an sein Projekt glaubt -, konsequent zu bauen: bei Eigentumswohnungen notfalls auch ohne Vorverkaufsquote und bei Gewerbeimmobilien auch ohne Mieter. Das Vertrauen der Mieter oder Käufer ist schlicht und ergreifend größer, wenn sie wissen, dass ihre Entscheidung nicht davon abhängt, ob oder wann sich genügend andere Interessenten finden.

Breite Aufstellung und konsequente Strategie

Die Strategie, bei den Nutzungen zu diversifizieren und Objekte sowohl für den Verkauf als auch für den eigenen Bestand zu entwickeln, ist nicht neu. Gerade bei großen und eigenkapitalstarken Projektentwicklern findet sich dieser Ansatz durchaus häufiger. Dennoch gilt: Es kommt darauf an, wie konsequent eine solche Strategie verfolgt wird. Der momentane Nachfrageschub nach Wohnungen als Kapitalanlage für vermögende Private und beispielsweise für institutionelle Investoren stellt durchaus eine Verlockung dar, den Schwerpunkt der Entwicklung allzu sehr zu verlagern. Hier ist jedoch weniger mehr. Langfristig betrachtet ergibt eine ausgewogene Mischung am meisten Sinn.

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