Schwerpunkt: Markt- und Objektbewertung

Qualifikation der Gutachter: der Wahrheit eine Allee

In seinem Artikel "Sicherung der Bewertungsqualität" in Ausgabe 22-2011 zeigt Hubert Geppert auf, mit welchen Maßnahmen die "Zunft der Immobilien-Sachverständigen" versucht, Aus- und Weiterbildung zu verbessern und Qualitätssicherung zu betreiben. Zur Qualitätssicherung gehört auch der für Verantwortliche in Kreditinstituten besonders wichtige Nachweis der Marktkompetenz - ein Aspekt, den Geppert leider vernachlässigt. Und so bleibt bei allem positiv zu beurteilenden Bemühen um die Darstellung der unterschiedlichen Branchenansätze der Artikel unvollständig.

"Der Wahrheit eine Gasse" - unter diesem Titel verfasste der ehemalige Reichskanzler Franz von Papen seine Memoiren, die nach Einschätzung der meisten Historiker eher ein Gässchen zur Wahrheit sind. Manchmal ist es nämlich gerade die Unvollständigkeit der Fakten, die einen genauen Leser bedenklich stimmt. So auch bei der Lektüre des Artikels von Geppert, der etwa schreibt, das System der Hypzert GmbH stelle "den diesbezüglich umfassendsten Ansatz (zur langfristigen Sicherung der Bewertungsqualität) dar". Kurz zuvor hatte der Autor notiert: "Nicht zuletzt stellt die Ermittlung marktkonformer Werte (materielle Richtigkeit), insbesondere in volatilen Märkten, ein wesentliches Kriterium dar. Was nutzt ein formal richtiges Gutachten eines Verfassers, der zwar regelmäßig überprüft wird, aber ohne vertiefte Marktkenntnis handelt?"

Völlig richtig, aber muss dann nicht der umfassendste Ansatz zur Sicherung der Bewertungsqualität derjenige sein, der die Vermittlung von Marktkompetenz zu einem Ausbildungs- und Prüfungsschwerpunkt macht? Vielleicht liegen die Schwächen des Artikels, in dem viel Richtiges enthalten ist, ja darin begründet, dass der Autor aus der Sicht des Sachverständigen schreibt - anstatt aus der Sicht des Mitarbeiters eines Kreditinstituts, der die Beauftragung des Gutachters zu vertreten hat.

Zwei gleichberechtigte Systeme

Fragen wir also zunächst nicht nach den Ansätzen der Bewerterbranche, sondern fragen wir nach den Belangen eines Bankangestellten bei der Beauftragung eines geeigneten Gutachters. In § 6 BelWertV ist klar geregelt, welchen Anforderungen ein Sachverständiger in diesem Fall genügen muss: "Der Gutachter muss nach seiner Ausbildung und beruflichen Tätigkeit über besondere Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet der Bewertung von Immobilien verfügen; eine entsprechende Qualifikation wird bei Personen, die von einer staatlichen, staatlich anerkannten oder nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle als Sachverständige oder Gutachter für die Wertermittlung von Immobilien bestellt oder zertifiziert worden sind, vermutet. Bei der Auswahl des Gutachters hat sich die Pfandbriefbank davon zu überzeugen, dass der Gutachter neben langjähriger Berufserfahrung in der Wertermittlung von Immobilien speziell über die zur Erstellung von Beleihungswertgutachten notwendigen Kenntnisse, insbesondere bezüglich des jeweiligen Immobilienmarkts und der Objektart, verfügt."

Die Voraussetzungen sind also Fachkenntnisse, Berufserfahrung sowie Kenntnisse bezüglich der Objektart und des Immobilienmarkts. Bei öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen und bei Sachverständigen, die nach DIN EN ISO/IEC 17024 von einer akkreditierten Stelle zertifiziert sind, darf der Bankangestellte bei der Beauftragung davon ausgehen, dass die Fachkenntnisse und die Berufserfahrung grundsätzlich gegeben sind. Seit der Einführung des § 36 GewO und dem Erlass des Akkreditierungsstellengesetzes (AkkStelleG) sind in Deutschland damit zwei unterschiedliche Qualitätssicherungssysteme gesetzlich etabliert.

Der Gesetzgeber hat somit die bereits drei Jahre vor dem Erlass des AkkStelleG in der BelWertV enthaltene Gleichstellung von Zertifizierung und öffentlicher Bestellung nachvollzogen und ist zudem den EU-rechtlichen Maßgaben zur Beseitigung von Privilegien und zur Schaffung eines grenzübergreifenden Dienstleistungsverkehrs nachgekommen.

Für den Verantwortlichen eines Kreditinstituts stellt sich somit die Frage: Welchem System ist der Vorzug zu geben - der öffentlichen Bestellung oder der Zertifizierung? Die öffentliche Bestellung hat den Vorzug, in Deutschland länger etabliert zu sein. Der Vorteil der Zertifizierung besteht darin, dass Zertifizierungsstelle und Zertifizierter gleichermaßen streng überwacht werden. Doch Vorsicht: Zertifizierung selbst ist ein rechtlich ungeschützter Begriff. Entscheidend ist somit nicht die Zertifizierung selbst, sondern nur die Zertifizierung nach DIN EN ISO/IEC 17024 durch eine akkreditierte Stelle. In diesem Fall prüft eine behördliche deutsche Akkreditierungsstelle, die DAkkS, ob die Zertifizierungsstelle die Anforderungen erfüllt. Der Zertifizierte muss in regelmäßigen Prüfungen nachweisen, dass er über das aktuelle Bewertungs-Know-how verfügt. In Praxisgutachten weist der Gutachter zudem gegenüber der Zertifizierungsstelle nach, dass er die Fachkenntnisse praktisch umsetzen kann. Gerade in Bereichen, in denen Wissen schnell veralten kann, ist ein solcher Nachweis Gold wert. Er geht über die unverbindlichen Empfehlungen des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) hinaus, die öffentlich bestellten Sachverständigen sollten sich einer aktuellen Überprüfung unterziehen - eine Empfehlung, bei deren Umsetzung Experten "strukturelle Defizite" diagnostizieren.

Ein weiterer Vorzug der Zertifizierung besteht in der Vergabe oft differenzierter Titel, aus denen sich die Kenntnis bezüglich bestimmter Objektarten (Standardimmobilien, Gewerbeimmobilien et cetera) ableiten lässt, während man aus dem Titel der Kammern ("Von der xy-Kammer öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Bewertung bebauter und unbebauter Grundstücke") keine entsprechende Kenntnis bezüglich einer Objektart erkennen kann. Das hängt mit der vorrangigen Zielrichtung der öffentlich bestellten Sachverständigen als Gutachter vor Gericht zusammen.

Sonderfall RICS

Der Sachverständige sollte also dokumentieren können, dass er seinen Wissensstand permanent aktualisiert. Beispiel RICS: Die Royal Institution of Chartered Surveyors verlangt von ihren Mitgliedern die Einhaltung eines Verhaltenskodex (Rules of Conduct) und der eigenen Standards, die in einem Red Book beschrieben sind. Zum Berufsethos der RICS gehört auch das lebenslange Lernen, das im CPD (Continuing Professional Development) festgelegt wird. Die RICS legt hohen Wert auf den kontinuierlichen Wissenserwerb, spezifiziert aber nicht, um welches Wissen in welchen Bereichen es sich handelt und welche Nachweise erbracht werden müssen: "Members shall plan, undertake, record and evaluate appropriate continuing professional development and, on request, provide RICS with evidence that they have done so."

Die RICS empfiehlt als Minimum 20 Fortbildungsstunden pro Jahr. Das Überprüfungssystem beruht auf Freiwilligkeit; auch ist die Mitgliedschaft keinen Befristungen ausgesetzt, die Mitglieder veranlassen würde, sich einer erneuten Überprüfung ihres Wissens auszusetzen. Das RICS-System hat für Mitglieder den Vorteil, selbst relativ frei über Art und Umfang des Wissenserwerbs entscheiden zu können, bietet anders als intendiert den Auftraggebern allerdings nur eine gewisse Orientierung.

Mit dem strengeren Zertifizierungssystem nach DIN EN ISO/IEC 17024 lässt sich das CPD jedenfalls nicht gleichsetzen. Auch können Auftraggeber am Titel nicht unbedingt erkennen, in welchen Objektarten sich der Sachverständige besonders gut auskennt: Die RICS unterscheidet hier nur zwischen MRICS, also einfachen Mitgliedern, und FRICS, Fellows, die gegenüber den einfachen Mitgliedern, Members, einen höheren Status innehaben. Es ist anzunehmen, dass die RICS die Standardisierung vorantreiben wird, um die Sicherheiten für die Kunden weiter zu erhöhen.

Ein Vergleich

Anders die Hypzert GmbH, die wie die Sprengnetter Zert GmbH nach DIN EN ISO/IEC 17024 zertifiziert und selber von der DAkkS akkreditiert ist: Die Hypzert hat sich für ein zweistufiges Zertifizierungsverfahren entschieden, das Aufschluss über die Kenntnis bestimmter Objektarten bietet. Unterschieden wird im Wesentlichen zwischen Standard- und Spezialimmobilien. Im Fall der Spezialimmobilien erfolgt keine weitere Spezifizierung.

Zum Vergleich: Sprengnetter hat sich für ein dreistufiges Verfahren entschieden auf der untersten Ebene der zertifizierte Sachverständige für die Markt- und Beleihungswertermittlung von Standardimmobilien; auf der mittleren Ebene der zertifizierte Sachverständige für die Markt- und Beleihungswertermittlung von Wohn- und Gewerbeimmobilien; auf der höchsten Ebene der zertifizierte Sachverständige für die Markt- und Beleihungswertermittlung aller Immobilienarten. Der Bankmitarbeiter kann damit auf einen Blick erkennen, welche Objektarten der Sachverständige nachweislich beherrscht, und eine entsprechende Auswahl treffen.

Als von der DAkkS akkreditierte Zsreutrentlilgfiesnzieb egutachten sowohl die Hypzert als auch Sprengnetter Fachkompetenz und Berufserfahrung der Sachverständigen, deren Wissensaktualisierung in regelmäßigen Abständen überprüft wird - entsprechend den Regeln der ISO-[17024]-Qualitätssicherung. Sowohl die von Hypzert als auch von Sprengnetter zertifizierten Sachverständigen haben Zugriff auf Transaktionsdatenbanken, in denen Immobilientransaktionen erfasst werden und die eine sichere Basis zur Bestimmung des Immobilienwertes bilden.

Anders als die Hypzert hat Sprengnetter ein Verfahren entwickelt, das neben der Fachkompetenz und Berufserfahrung auch die Marktkompetenz zertifiziert - und damit alle Anforderungen der Bel-WertV an einen Immobiliensachverständigen, also auch die Kenntnis des Immobilienmarktes, berücksichtigt. Dazu führen die Sachverständigen verschiedene Praxisübungen durch, die dem Erwerb der Marktkompetenz dienen, die am Ende wie die Fachkompetenz - einer Prüfung unterzogen wird. Anders als andere Zertifizierer geht Sprengnetter nicht davon aus, dass die Marktkompetenz einfach durch die Vor-Ort-Präsenz eines Sachverständigen oder durch seine Berufserfahrung gegeben ist, sondern dass sie wie die Fachkompetenz eingeübt werden muss. Das Sprengnetter-Qualitätssicherungssystem baut dementsprechend auf drei Säulen auf: Fachkompetenz, Berufserfahrung und Marktkompetenz.

Für den Mitarbeiter eines Kreditinstituts sind für die sichere Auswahl eines Bewertungssachverständigen laut BelWertV folgende Punkte maßgeblich: aktuelles Wertermittlungs-Know-how und Berufserfahrung. Diese sind nur bei Sachverständigen qualitätsgesichert gegeben, die von einer von der DAkkS akkreditierten Stelle zertifiziert sind. Zudem sollte sich der Mitarbeiter fragen, ob der Sachverständige bezüglich der zu bewertenden Objektart über die erforderlichen Kenntnisse verfügt. Idealerweise sollte der Gutachter auch die Kenntnisse des Immobilienmarktes nachweisen können. Der umfassendste Ansatz zur Qualitätssicherung ist der Ansatz, der alle Anforderungen der BelWertV erfüllt.

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