Schwerpunkt: Revitalisierung von Einzelhandelsimmobilien

Revitalisierung und Baurecht - was gilt es zu beachten?

Revitalisierung von Bestandsobjekten vor Neuausweisung auf der "grünen Wiese"

- so lautet die Devise vieler Kommunen und der Landesplanung. Damit soll dem zunehmenden Flächenverbrauch entgegengewirkt und eine weitere Streuung der Einzelhandelsstandorte im Sinne einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vermieden werden. Gleichwohl ist es auch an bestehenden Einzelhandelsstandorten nicht immer einfach, Baurecht in dem Umfang zu erlangen, wie es erforderlich ist, damit sich die Investition in die Revitalisierung lohnt.

Analyse des Bestandsbaurechts

Wie bei jeder Projektentwicklung steht auch bei einer größeren Revitalisierung am Anfang die Analyse des baurechtlichen Status quo. Dabei ist bei älteren Bestandsobjekten wichtig zu beachten, dass sich je nach Inkrafttreten des Bebauungsplans erhebliche Unterschiede beim Bestandsbaurecht ergeben können. Ist etwa die Baunutzungsverordnung (BauNVO) 1962 anwendbar, bestehen für Einzelhandelsprojekte in Gewerbegebieten oder auch Mischgebieten grundsätzlich keine Größen- und Sortimentseinschränkungen. Einen Ausschluss von großflächigem Einzelhandel aus allen Baugebieten außer Kerngebieten und Sondergebieten kannte die BauNVO seinerzeit nicht. Zulässig ist daher, vereinfacht gesagt, was in den Bauraum passt, verkehrlich abgewickelt werden kann und nicht gegen Nachbarrechte verstößt.

Ist auf den Bebauungsplan dagegen die BauNVO 1968 anzuwenden, sind in allen Baugebieten außer Kern- und Sondergebieten "Einkaufszentren" und "Verbrauchermärkte, die vorwiegend der übergemeindlichen Versorgung dienen" ausgeschlossen. Für den Inhalt der Begriffe kommt es dabei auf das damalige Verständnis an, sodass ein "Einkaufszentrum" erst ab etwa 10000 Quadratmetern Verkaufsfläche anzunehmen sein dürfte. Bei Verbrauchermärkten ist gutachterlich zu prüfen, ob sie zu mehr als 50Prozent der Versorgung der Bevölkerung aus anderen Gemeinden dienen. Ist dies nicht der Fall, sind sie - unabhängig von ihrer Größe - auch in Gewerbegebieten grundsätzlich zulässig.

Mit der BauNVO 1977 hat der Gesetzgeber in § 11 Abs. 3 erstmals den Begriff des "großflächigen Einzelhandels" und die Vermutungsregel eingeführt, nach der ab Überschreiten einer bestimmten Geschossfläche wesentliche Auswirkungen auf raumordnerische und städtebauliche Belange vermutet und diese Vorhaben daher in Kern- und Sondergebiete verwiesen werden. Damals galten jedoch 1500 Quadratmeter Geschossfläche als Grenze. Erst seit Inkrafttreten der bis heute geltenden BauNVO 1990 greift die Regelvermutung bereits ab einer Geschossfläche von 1200 Quadratmetern.

Somit kann bei älteren Bebauungsplänen ein deutlich größerer Spielraum für Einzelhandelsentwicklungen bestehen. Häufig wird es sich in dieser Konstellation empfehlen, frühzeitig einen Vorbescheidsantrag zu stellen, der bei Bestehen entsprechenden Baurechts grundsätzlich innerhalb von drei Monaten positiv beschieden werden muss. Will die Gemeinde das Baurecht angesichts des geplanten Vorhabens einschränken, wird sie durch den Vorbescheidsantrag zu sehr schnellem Handeln gezwungen, weil Schadensersatzansprüche des Bauwerbers entstehen können, wenn ein Vorbescheid oder Bauantrag übermäßig lange liegen gelassen wird, um währenddessen Beschlüsse über die Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplans und eine Veränderungssperre oder Zurückstellung des Baugesuchs zu fassen beziehungsweise zu ermöglichen.

Besteht kein Bebauungsplan, gilt § 34 BauGB, das heißt, zulässig ist, was sich nach Art und Umfang der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Hier ist genau zu analysieren, welche Umgebung maßgeblich ist und welche genehmigten Nutzungen vorhanden sind. Eine weitere Schranke ergibt sich allerdings aus § 34 Abs. 3 BauGB: Durch das Vorhaben dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche zu erwarten sein. Dies ist nach der Rechtsprechung stets eine Frage des Einzelfalls, wobei vor allem auf die zu prognostizierende Umsatzumlenkung aus zentralen Versorgungsbereichen, eine Betrachtung der Verkaufsflächen im Verhältnis zueinander und etwaige Vorschädigungen der zentralen Versorgungsbereiche (Leerstand, nichtzeitgemäße Betriebskonzepte) abzustellen ist. Dies kann in der Regel nur durch eine qualifizierte Verträglichkeitsanalyse eines Einzelhandelsgutachters festgestellt werden. Die Feststellung, ob danach Baurecht besteht, ist daher oftmals weniger einfach als bei Bestehen eines Bebauungsplans. Gleichwohl wird sich auch hier häufig ein Vorbescheidsantrag empfehlen.

Die Rolle des Bestandsschutzes

Bestandsschutz vermitteln die planungsrechtlichen Grundlagen freilich nicht. Der Gemeinde bleibt es unbenommen, im Rahmen ihrer Planungshoheit aus städtebaulichen Gründen einen Bebauungsplan aufzustellen, zu ändern oder aufzuheben, um eine gegebenenfalls unerwünschte Ausweitung eines Einzelhandelsstandortes zu verhindern. Diese Planungsziele können, wie erwähnt, auch durch eine Veränderungssperre oder eine Zurückstellung eines aktuellen Baugesuchs abgesichert werden.

Reagiert die Gemeinde schnell genug auf ein solches Baugesuch und besteht das Baurecht bereits seit mehr als sieben Jahren, kann sie die Einschränkung des Baurechts auch herbeiführen, ohne die Eigentümer entschädigen zu müssen. Die Sieben-Jahres-Frist gilt allerdings nicht, soweit mit der Änderung in eine bereits ausgeübte Nutzung eingegriffen wird. Dies ist nach einem aktuellen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts auch der Fall, wenn bei einem bestehenden Einkaufszentrum nachträglich Sortimentsbeschränkungen aufgenommen werden (BVerwG vom 1. Juni 2011, 4 B 2/11).

Bei der Entscheidung über die Aufstellung, Änderung oder Aufhebung eines Bebauungsplans muss die Gemeinde die Eigentümerinteressen berücksichtigen. Sie darf diese aber durch Einschränkung oder Ausschluss von Einzelhandelsnutzungen hinter öffentliche Interessen, wie den Schutz von Orts(teil)zentren oder das Vorhalten von Flächen für produzierendes Gewerbe, zurückstellen. Allerdings muss sie sich dabei an die von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien halten, insbesondere muss ihr Konzept schlüssig sein, sie darf sich nicht widersprüchlich verhalten und der neue Bebauungsplan muss zur Erreichung der städtebaulichen Ziele auch geeignet sein. So mancher Bebauungsplan zur Einschränkung von Einzelhandel ist an diesen Anforderungen schon gescheitert und entsprechende Genehmigungen mussten erteilt werden. Auch hier lohnt sich also eine genaue Analyse.

Echten Bestandsschutz vermitteln hingegen bestandskräftige Baugenehmigungen, soweit die Gebäude und deren Nutzungen nach dem früherem Recht formell und materiell rechtmäßig sind. Eine Bebauungsplanänderung ändert daran nichts - von den seltenen Fällen der Enteignung zu Gemeinwohlzwecken abgesehen. Allerdings ist bei älteren Objekten oft festzustellen, dass der Bestandsschutz durch umfangreiche, nicht genehmigte Veränderungen des Bestandes im Laufe der Jahre weggefallen ist. Weiterhin besteht auch kein Bestandsschutz bei geplanten erheblichen Eingriffen in die Bausubstanz, Erweiterungen oder Nutzungsänderungen im planungsrechtlichen Sinne, wie zum Beispiel die Umwandlung von Lagerflächen in Verkaufsflächen, Großhandelsflächen in Einzelhandelsflächen oder rechtlich relevante Sortimentsänderungen (zum Beispiel Lebensmittelmarkt statt Baumarkt). Der Bestandsschutz hilft bei größeren Revitalisierungen daher in der Regel rechtlich gesehen nicht weiter, kann aber ein politisch-moralisches Argument in der Diskussion sein.

Die Schaffung neuen Baurechts

Sind im Rahmen von Revitalsierungen größere Umbau- und Umnutzungsmaßnahmen geplant und gibt das Bestandsbaurecht aus dem Bebauungsplan oder der Umgebungsbebauung keine ausreichende Grundlage - oder will die Gemeinde das Bestandsbaurecht einschränken -, muss also über neues Baurecht verhandelt werden. Hier gilt für Revitalisierungen grundsätzlich das Gleiche wie für Neuentwicklungen: Zunächst ist zu prüfen, ob das Projekt mit den Erfordernissen der Raumordnung und Landesplanung in Einklang zu bringen ist, gegebenenfalls ist ein Raumordnungsverfahren durchzuführen.

Parallel ist mit der Kommune zu klären, ob das Projekt mit ihren städtebaulichen Vorstellungen übereinstimmt, die unter Umständen in einem Einzelhandels- oder Zentrenkonzept niedergelegt sind. Solche Konzepte haben keine unmittelbare Rechtswirkung gegenüber dem Eigentümer, sind jedoch von der Gemeinde bei ihrer Bauleitplanung zu berücksichtigen, wenn sie vom Stadt- oder Gemeinderat beschlossen worden sind. Faktisch wirken sie daher heute häufig fast wie verbindliche Satzungen der Kommunen. Umso wichtiger ist es für die Gemeinden, bei der Aufstellung von Einzelhandels- oder Zentrenkonzepten nicht die Augen davor zu verschließen, welche bestehenden Einzelhandelsstandorte nicht mehr zeitgemäß sind und ihnen eine Perspektive zu bieten.

Muss ein neuer Bebauungsplan aufgestellt werden, bietet sich bei Revitalisierungen das noch relativ junge Instrument des Bebauungsplans der Innenentwicklung gemäß §13 a BauGB an. Der Gesetzgeber stellt damit einen Verfahrensrahmen zur Verfügung, der bei richtiger Handhabung eine einfachere und schnellere Baurechtsschaffung ermöglicht als bei einem regulären Bebauungsplanverfahren. So kann bei Projekten mit weniger als 20000 Quadratmetern Grundfläche unter bestimmten Bedingungen die öffentliche Auslegung und Behördenbeteiligung zu den Planunterlagen auf einmal einen Monat beschränkt und auf die Umweltprüfung verzichtet werden. Eine Erleichterung, die den eingangs erwähnten Vorrang der Innenentwicklung vor Neuausweisungen auf der berühmten "grünen Wiese" unterstützen soll. Bei Revitalisierungen kann die Erlangung des Baurechts deutlich einfacher sein als bei Neuentwicklungen ein Selbstläufer ist sie allerdings beileibe nicht, gerade wenn die Revitalisierung mit Erweiterungen der Verkaufsflächen und/oder der Sortimente einhergeht. Eine genaue Analyse der baurechtlichen Lage kann hier bestehende Handlungsmöglichkeiten aufzeigen.

Der Beitrag basiert auf einem Vortrag des Autors auf dem 2. CoRE Handelsimmobilientag in München.

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