Eigenheimfinanzierung

Wie der "ROPO-Effekt" den Baufinanzierungsmarkt verändert

Dem Vertragsabschluss für Finanzprodukte geht ein immer stärker werdender Online-Informationsprozess seitens der Kunden voraus. Dies gilt auch für den Bereich der Baufinanzierung, der bislang als komplex und beratungsintensiv klassifiziert wurde und für Abschlüsse in der Filiale prädestiniert erschien. Für Anbieter und Vermittler von Baudarlehen erfordert der sogenannte "ROPO-Effekt" (Research online/Purchase offline) eine möglichst reibungsfreie Verzahnung und Ergänzung von Potenzialen, die sich aus der Kombination des Internets mit klassischen Vertriebswegen gewinnen lassen. Erkennbare Folge im Markt ist, dass Online-Auftritte in der Kundenbearbeitungskette ein immer größer werdendes Serviceangebot bis hin zum Direktabschluss anbieten.

Immobilienboom

Der Immobiliensektor wird derzeit stark von einem Nachfrageboom geprägt. Wohneigentum ist vor allem in den großen Ballungszentren wie Berlin, Hamburg und München gefragt.1) Verantwortlich hierfür zeichnet ein hoher Wunsch nach den eigenen vier Wänden, aber auch die Bevorzugung von Immobilieneigentum als beständige Wertanlage. Im Schlepptau des Vertrauensverlustes durch die Eurokrise sehen laut Umfragen nahezu vier Fünftel der Deutschen - und damit so viele wie nie zuvor - den Erwerb einer Eigentumswohnung oder eines eigenen Hauses als beliebteste Anlageform an.2)

Dieses positive Marktumfeld versuchen derzeit Retailbanken und Vermittler für sich zu nutzen, zumal sie eine starke Nachfrage nach privaten Immobilienkrediten für das Jahr 2013 erwarten.3) Das Produkt Baufinanzierung als klassisches, risikoarmes Ankerprodukt eröffnet zudem in Zeiten der Bankenkrise eine wertvolle Geschäftsstabilisierung durch eine nachhaltige Kundenanbindung mit hohem Cross-Selling-Potenzial.

Die Anbieter sehen sich aber einem harten Wettbewerb ausgesetzt und stehen vor großen Herausforderungen. Der Markt scheint weitgehend gesättigt und die Kunden weisen gegenüber den Anbietern ein hohes Anforderungsprofil auf, das weit über ein günstiges Konditionenangebot hinausreicht.4) Im Brennpunkt einer erfolgreichen Kundenbetreuung steht folglich die Preisführerschaft. Sie lässt sich nur entsprechend durch große Losgrößen und günstige Refinanzierungsquellen sowie schlanke Prozessabläufe erzielen.

In der allgemeinen Internet-Euphorie und dem Hype von Social Media überrascht es nicht, dass insgesamt das "Internet-Research" stark zunimmt.5) Derzeit beschaffen sich bereits zwei von drei Internet-Usern Finanzinformationen über das Netz.6) Dies wird allein schon durch den hohen Sättigungsgrad des Online-Bankings sichergestellt. Nach der neuesten Studie der Initiative D21 nutzen bereits 76 Prozent der Internetnutzer in Deutschland Online-Banking.7) Dabei dürften sich die Nutzer nicht allein auf reines Transaktionsbanking beschränken, sondern auch das umfangreiche Informationsangebot der Anbieter zunächst interaktiv nutzen.

Mehr Online-Banking

Dennoch überrascht die Bedeutung der Hausbank nach wie vor als derzeit dominierende Informationsquelle. Zwar präferieren die Kunden das persönliche Gespräch vor Ort, doch weisen die Website-Besuche auf den Homepages von Internetanbietern, Vergleichs- und Immobilienplattformen beachtliche Wachstumsquoten auf. In der Summe und unter Einbeziehung von Mehrfachnennungen8) dürften, sie bereits die Bank -filiale übertreffen. Der Weg des potenziellen Kunden von der Information zur Beratung und zum Kauf ist gerade bei Finanzprodukten und nachweislich in der Baufinanzierung von einem starken Kanalwechsel - vom Internet zu persönlichen Kontakten - geprägt.

Die Bedeutung der Online-Recherche bei Finanzthemen zur Vorbereitung von Vertragsabschlüssen wurde detailliert bereits in einer gemeinsamen Studie der Deutschen Bank, GfK und Google9) im Jahr 2010 unter Beweis gestellt. Nach ihr umfasst der ROPO-Effekt10), das heißt der Anteil aller Bankkunden, die sich im Internet über Bankprodukte informieren, den endgültigen Abschluss aber in einer Bankfiliale im Rahmen einer persönlichen Beratung tätigen, bereits knapp die Hälfte des Neugeschäfts. Dagegen ist der reine Online-Absatz mit 10,8 Prozent relativ gering. Dieser Anteil entwickelt sich aber seitdem stetig nach oben und dürfte derzeit für die Gesamtheit der Finanzprodukte deutlich über der 20-Prozent-Marke liegen.

Die Online-Abschlussquoten hängen jedoch stark von der Komplexität der Finanzprodukte ab. So weisen einfache Produkte - wie beispielsweise Abschluss und Verlängerung von Termineinlagen - deutlich höhere Online-Direktabschlüsse auf. Die Kunden bevorzugen den Online-Abschluss derzeit bei Eröffnung eines Girokontos mit 43 Prozent und bei Tagesgeldkonten sogar mit 70 Prozent.

Übertragen auf den Sektor Baufinanzierung bedeutet der ROPO-Effekt, dass die große Mehrheit potenzieller Interessenten vorab allgemeine und spezielle Informationen über Baufinanzierungsprodukte online einholen, den Abschluss aber immer noch in der Filiale oder beim Vermittler tätigt. Aus Abbildung 3 wird die Bedeutung des Internet-Research ersichtlich, das bereits jetzt schon mehr als drei von vier Bauinteressenten aktiv zur Vorbereitung ihrer Finanzierung nutzen. Die Bedeutung des ROPO-Effektes wird sich in etwa auf 50 Prozent einpendeln. Eine Stagnation zeichnet sich insofern ab, da eine Verschiebung zu Online-Abschlüssen zu erwarten ist.

Wachstumsgrenzen bei Abschlüssen in der Filiale

Der ROPO-Effekt ist derzeit stark in der "60 plus"-Generation ausgeprägt. Einerseits die digitale Aufrüstung verbunden mit konsumfreundlicheren Applikationen und andererseits das Nachrücken jüngerer Generationen, für die optimale Nutzung der Websites und Internetvergleiche Routine darstellen, werden den ROPO-Effekt nach oben begrenzen. Diesem Trend könnte eine Zuwanderung aus dem reinen Offline-Segment entgegenstehen, da flexibler Beratungsbedarf - allein schon aufgrund komplexer Produkte - weiterhin besteht. Insgesamt gewinnt aber der Online-Kanal stetig an Bedeutung aufgrund zunehmender Verschiebungen der User-Gewohnheiten und verbesserter digitalisierter Abschlussmöglichkeiten.

Dennoch müssen klassische Vertriebsformen und Filialbanken um eine für sie negative ROPO-Entwicklung bangen. Die Multikanalstrategien der nächsten Generation werden zunächst eine Entkoppelung von Information, Beratung und Abschluss mit sich bringen. Dies birgt die Gefahr von Kundenabwanderungen.

Deshalb gilt es für Anbieter, sich so früh wie möglich in den Kundenentscheidungsprozess einzuklinken und Vorsorge für eine Kundenbindung zu treffen. Über Suchmaschinen und direkte Website-Besuche bei Internetanbietern und auf Special-Interest-Plattformen11) - insbesondere Finanz- und Vergleichsportalen - findet frühzeitig eine für den weiteren Prozessablauf entscheidende erste Kontaktaufnahme statt. Sie beinhaltet bereits eine indirekte Kundenakquisition einschließlich einer ersten Anbieterselektion und stellt somit die Weichen für eine erfolgreiche Kundenanbindung. Gegenwärtiger Trend ist, dass die Plattformbetreiber die Palette an Dienstleistungen um interaktive Rechentools, die Selektion der günstigsten regionalen und überregionalen Anbieter bis hin zur ergänzenden Videoberatung und Videotelefonie erweitern.12) Die Anbieter verfolgen damit eine koordinierte Prozesskundensteuerung mit dem Ziel des Vertragsabschlusses.

Um Wettbewerbsvorteile zu generieren und möglichst frühzeitig in den Entscheidungsprozess der User eingebunden zu werden, investieren sie in die Suchmaschinenoptimierung, betreiben Suchmaschinenmarketing und Displaywerbung. Vergleichsplattformen wie beispielsweise der Baufinanzierungsbereich des Immobilienportals Immobilienscout24 erweitern ihr Kundenangebot zudem mit Social-Media-Elementen, indem nachvollziehbare Anbieterbewertungen transparent für die Entscheidungsfindung in das Netz gestellt werden.

Verhaltensregeln für Verbraucherportale in Arbeit

Derzeit weisen aber Baufinanzierungsportale wie auch allgemeine Vergleichsportale13) deutlich abweichende Qualitätsmerkmale und -standards hinsichtlich inhaltlicher, rechtlicher und gestalterischer Präsentation auf. Um Missbrauchsfälle und Fehlinformationen entgegenzuwirken, gibt es derzeit Bestrebungen der EU-Kommission eine Richtlinie für Verbraucherportale, die einheitliche Standards enthält, auf den Weg zu bringen.14) Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass allgemein gültige Verhaltensregeln in Form eines für alle Parteien gültigen Social-Media-Kodex für einen reibungsfreien Ablauf und Traffic erforderlich sind.

Die Bewertungssysteme müssen hinsichtlich ihrer gewichteten qualitativen und quantitativen Kriterien für die User transparent, einheitlich und nachvollziehbar sein. Differenzierte Ansätze sind erforderlich, die die Dominanz "günstigster Darlehenszins" in eine vernünftige Relation zu Produkt-, Beratungs- und Dienstleistungsmerkmalen setzen. Richtungsweisend stimmen hier erste positiv gewonnene Erfahrungen der Bewertung von Banken und Vermittler durch Nachfrager auf Vergleichsplattformen.15)

Wandel zum "Omni-Channel-Banking"

Für Finanzierungsanbieter und Vermittler wird durch die Bündelung von Leistungspaketen auf ihren eigenen Online-Auftritten und in besonderem Maße auch auf unabhängigen Vergleichsportalen ein effizienter Vertriebskanal zur Neukundengewinnung und Kontaktauffrischung zu Bestandskunden geschaffen, der allerdings einem harten Wettbewerbsdruck ausgesetzt ist. Durch direkte Terminvereinbarungsklicks lässt sich der ROPO-Effekt positiv bis zum Abschluss entweder direkt online oder vor Ort in der Filiale beim Betreuer kanalisieren.

Die Erweiterung der Onlineangebote um Module wie Co-Browsing, Beraterchats, Call-Back-Funktionen einschließlich Videotechnologien stellen eine große digitale Herausforderung dar. So spricht beispielsweise der Sparkassensektor in diesem Zusammenhang von einer Mammutaufgabe und vom größten kulturellen, technologischen und organisatorischen Wandel in der Geschichte des Sparkassensektors.16)

Von entscheidender Bedeutung für die Haltung und Gewinnung von Marktanteilen in der Baufinanzierung wird künftig neben den klassischen Verbraucherkriterien Preisführerschaft, Beratungsqualität, Fairness und Image, auch die Steuerung des ROPO-Effekts sein. Angesichts der Perspektiven in der Entwicklung des Internets einschließlich Einbindung von Web 2.0/3.0 haben zunächst die Anbieter ihr etabliertes Multi-Channel-Banking zu einem "Omni-Channel-Banking" aufzurüsten. Erforderlich hierzu ist eine Digitalisierung, eine Verschmelzung aus mobilem Internet, Social Media und Smart Devices17), die kontrolliertes Channel-Hopping seitens der Kunden erlaubt beziehungsweise kanalisieren kann.

Um die Kostenseite nicht aus dem Blickfeld zu verlieren, bieten sich parallel Outsourcing-Partnerschaften mit großen Netzbetreibern und neutralen Plattformen und Portalen an. Beginnend mit dem Einstieg in Suchmaschinen lässt sich hier nahezu das gesamte Kundenpotenzial von gegenwärtig etwa zehn Millionen bundesdeutschen Haushalten, die für den Erwerb einer Immobilie infrage kommen, erreichen und zur eigenen effizienten Akquisition nutzen. Die hierbei generierten Vorteile sind allerdings mit einem Verlust an Unabhängigkeit verbunden.

Zukunftsweisend spricht vieles für eine weitere Zunahme der Bedeutung von neutralen Vergleichsplattformen inklusive Abschlussoptionen bei der Finanzierung. So wird das Baufinanzierungsportal von Immobiliensout24 nach eigenen Angaben bereits heute von etwa einer Million Interessenten im Monat genutzt. Dieses enorme Akquisitionspotenzial gilt es zu nutzen, um von der Veränderung der Branche durch das Internet bestmöglich zu profitieren.

Fußnoten

1) Die Nachfrage spiegelt sich in einer Preissteigerung von knapp 5,5 Prozent (Basis 125 Städte) im vergangenen Jahr wieder. In den Hauptmetropolen dürfte sie teils deutlich höher liegen. Vergleiche Bulwien Gesa: ETW-Studien zu den Städten. Deshalb betrachtet die Deutsche Bundesbank die Preisentwicklung mit Sorge. So stellt sie fest, dass der Trend steigender Preise nicht mehr vornehmlich in Ballungsgebieten und bei Neubauten zu beachten sei. Vergleiche Deutsche Bundesbank: Die Preise für Wohnimmobilien in Deutschland 2012. In: Monatsbericht Februar 2013, S.55-58.

2) Vergleiche GfK, Investitionsbarometer Pressemitteilung vom 15. Februar 2013, S. 3.

3) Bei der Erwartungshaltung von Retailprodukten liegen derzeit Immobilienkredite mit 67 Prozent deutlich an der Spitze vor Anlageprodukten. Vergleiche Ernst & Young Bankbarometer Deutschland/Europa, Januar 2013.

4) Die Nennung günstiger Zinskonditionen werden in allen derzeit aktuellen Verbraucherumfragen als wichtigster Entscheidungsaspekt bestätigt. Zum preisbezogenen Kaufverhalten vergleiche: Investors Marketing AG: IM Privatkundenstudie 2012, S. 5.

5) So bereits die Feststellung bei Stobbe, A./Mayer, T.: Mehrheit der Bankkunden recherchiert online. In: Die Bank. Heft 11/2010 S. 28-31 sowie die laufend aktualisierten Studien etwa von GfK, Google und Yahoo.

6) Vergleiche: Yahoo-Studie: Finanzberater Internet. Juli 2012, S. 3 und S. 21.

7) Vergleiche Fiducia & Initiative D21: Online-Banking mit Sicherheit. 31. Januar 2013, S. 4; zu den Anteilen Homebanking an den Online-Anwendungen vergleiche ARD/ZDF-Online-Studie 2012, S. 369.

8) Die Abweichungen sind auf Mehrfachnennungen aber auch auf Unterschiede beispielsweise in der Befragungsbasis, Stichprobe und Befragungstechnik zurückzuführen.

9) Vergleiche: DB Research: Mehrheit der Bankkunden recherchiert online. Frankfurt am Main, 1. September 2010.

10) Zur Auslegung im Bankensektor vergleiche etwa: Schilling,K./Köhler,G.: Der ROPO-Effekt. Neue Wege der Kundenansprache. In: Die Bank. Heft 6/2011, S. 48f.

11) Zunächst bei Usern sehr beliebt sind Vergleichsportale wie Stromanbieter, KfZ-Versicherungstarife, aber auch Finanzvergleichsportale wie Tagesgeldvergleiche.

12) Anbieter sind derzeit unter anderem Easycredit ("Online-Chat"), Hypovereinsbank ("Go To Meeting"), Bank Austria ("Smart Banking") und Cortal Consors. Allerdings scheint die Nachfrage noch gering zu sein. Zum Breiteneinsatz videobasierter Servicemodelle im Retailgeschäft der Banken vergleiche: Grahl, A./ Ullrich, O.: Durchbruch für die Videotelefonie? In: Die Bank. Heft 5/2011, S. 68-73.

13) Zur jüngsten Kritik im Konsumbereich Stromanbieter vergleiche Stiftung Warentest Vergleichsportale für Stromanbieter: In test 3/2013, S. 60-65.

14) Zur Einhaltung von Standards und Qualität vergleiche Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.: Vergleichsportale im Internet. Berlin 25. Oktober 2012.

15) So hat Immobilienscout24 in Kooperation mit der Hochschule München ein transparentes Bewertungssystem für User entwickelt und eingeführt, die bereits erste Erfahrungen mit zu bewertenden Anbietern aufweisen. Abgesichert wird die Applikation durch einen für alle Beteiligten bindenden neu geschaffenen Sozialkodex.

16) Vergleiche Fahrenschon, G.: Vortrag auf dem 10. Retail-Bankingtag, Frankfurt am Main, 24. Januar 2013.

17) Vergleiche Buhl/Eistert/Friedgen/Moser/Weiß: Die digitale Revolution. Diskussionspapier WI-389 Universität Augsburg, Mai 2012.

Klaus Fleischer , Prof. (em.) Finanz- und Bankwirtschaft, Hochschule München, München
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