Immobilien-Spezialfonds

Ein Scoring-Modell für die Immobilienfondsauswahl

Institutionelle Investoren wie Versicherungen oder Pensionskassen erwerben Immobilien häufig indirekt. Entsprechend stehen sie regelmäßig vor der Aufgabe, verschiedene Fondsangebote miteinander zu vergleichen. Der Auswahlprozess für indirekte Immobilienanlageprodukte ist dabei jedoch nicht standardisiert. In der Praxis greifen Investoren daher oft auf Erfahrungen aus anderen Asset-Klassen zurück, bei denen die Auswahlprozesse methodisch weiterentwickelt sind. Die Folge ist, dass institutionelle Investoren bei Immobilienfonds ähnlich wie beispielsweise bei Aktienfonds vor allem die historische Rendite unter die Lupe nehmen. Dies kann je nach Investment problematisch sein, denn eine analoge Vorgehensweise ist bei verschiedenen Anlageklassen nicht ohne Weiteres möglich.

Entscheidungshilfe bei der Fondsauswahl

Vor diesem Hintergrund wurde in einer Abschlussarbeit im Rahmen des Kontaktstudiums Real Estate Investment Management an der European Business School das Verhalten von institutionellen Investoren bei der Auswahl von Immobilienfonds untersucht. Ergebnis ist ein sogenanntes Scoring- Modell als Entscheidungshilfe bei der Fondsauswahl. Dabei handelt es sich um ein Punktbewertungssystem, das einen objektiven, transparenten und konsistenten Vergleich verschiedener Fondsprodukte ermöglicht.

Ausgangspunkt des Modells sind unter anderem die Empfehlungen der europäischen Vereinigung von Investoren in nicht börsennotierte Immobilienvehikel INREV (European Association for Investors in non-listed Real Estate Funds). Die Vereinigung hat einen Fragebogen mit verschiedenen Kriterien entwickelt, mit dem ein Investor oder Consultant eine erste Analyse von verschiedenen Fondsvehikeln vornehmen kann. Der INREV-Fragebogen betrifft im Wesentlichen drei Bereiche.

Der erste Bereich umfasst organisatorische und strategische Aspekte. Hier wird unter anderem geprüft, wie sich die Unternehmensstruktur und -strategie gestalten und welche Produkte aufgelegt wurden. Der zweite Kriterienschwerpunkt der INREV betrifft den Bereich Invest-ment-Strategie. Hier spielen Strategie, Prozess und der bisherige Erfolg der Investments eine wichtige Rolle. Außerdem geht es darum zu eruieren, welche Kompetenzen im Real Estate Asset Management vorhanden sind. Das dritte Themenfeld betrifft allgemeine Faktoren wie Fonds-, Finanzierungs- und Gebührenstruktur oder beispielsweise die Besteuerung.

Praxisrelevanz der INREV-Kriterien

Um zu überprüfen, ob die von der INREV empfohlenen Kriterien tatsächlich in der Praxis angewendet werden, wurden Ende vergangenen Jahres 93 institutionelle Investoren aus Deutschland befragt. Der auswertbare Rücklauf betrug 18 Antworten. Die Hälfte der Befragten sind Versicherungen. Etwa ein Drittel der Teilnehmer setzt sich aus Pensionskassen, Versorgungswerken und Industrieunternehmen zusammen. Stiftungen und Kreditinstitute machen zusammen zwölf Prozent aus. Das in indirekten Immobilienanlagen gehaltene Vermögen der 18 Umfrageteilnehmer beträgt insgesamt 25,4 Milliarden Euro.

In der Befragung sollten die Investoren die Kriterien der INREV von unwichtig bis sehr wichtig klassifizieren und das Gewicht jedes Einzelkriteriums an der Entscheidung insgesamt benennen. Hierbei wurde deutlich, dass die Investment-Performance als das bedeutendste Einzelkriterium erachtet wird. Alle befragten Investoren stufen eine positive Entwicklung der bisherigen Fondsprodukte als wichtig oder sehr wichtig ein. Das durchschnittlich zugeordnete Gewicht, mit dem das Performance-Kriterium den Teilnehmern zufolge in die Gesamtbeurteilung einfließt, liegt bei 14,3 Prozent.

Performance ist wichtigstes Auswahlkriterium

Es folgt die Investmentstrategie als zweitwichtigstes Einzelkriterium. Von 16 der 18 Befragten wurde die Investmentstrategie als wichtig oder sehr wichtig eingestuft, das ihr zugeordnete Gewicht beträgt zwölf Prozent. Das drittwichtigste Kriterium sind die Fähigkeiten im Real Estate Asset Management. Hier waren 15 Befragte der Ansicht, dass diese wichtig oder sehr wichtig sind. Als Gewichtung wurden durchschnittlich 11,7 Prozent genannt. Die Gebührenstrukturen und der Investmentprozess sind die nächst wichtigen Einzelkriterien mit einem durchschnittlichen Gewicht von je rund zehn Prozent.

Das Befragungsergebnis stützt die These, dass es beim Auswahlprozess indirekter Immobilienanlagen Parallelen zu den Auswahlprozessen im Wertpapier-und Private-Equity-Bereich gibt. Denn auch hier liegt der Fokus auf den Erfolgsfaktoren Performance und Track Record der Investments. Auf Nachfrage haben mehrere Befragungsteilnehmer diese Einschätzung bestätigt. Das Real Estate Asset Management, in dem sich der Bezug des Anlagevehikels zur originären Immobilie ausdrückt, hat mit dem dritten Rang eine etwas geringere Bedeutung als der Track Record und die Performance. Dies verwundert insofern, als dass das Real Estate Asset Management einen großen Einfluss auf die Wertsteigerung und Wertschöpfung aus der Immobilie und damit auf das Anlagevehikel insgesamt hat.

In der Praxis ergeben sich teilweise Probleme dadurch, dass sich die Auswahl indirekter Immobilienanlagen eher an den Auswahlprozessen im Wertpapierbereich oder alternativer Anlageklassen als an solchen aus dem Immobilienbereich anlehnt. Denn während beispielsweise im Aktien- und im Rentenbereich bei der Auswahl von Produkten auf eine umfangreiche historische Informations- und Datenbasis zurückgegriffen werden kann, ist dies bei indirekten Immobilienanlageprodukten nicht immer möglich.

So sind die Immobilienmärkte in Deutschland beispielsweise im internationalen Vergleich nur bedingt transparent, die Datenlage ist lückenhaft. Ein Immobilienfonds kann daher je nach Länderallokation und Nutzungsart der Immobilien nicht wie bei einem Aktienfonds per Knopfdruck anhand der historischen Performance bewertet werden. Denn bei Immobilien fehlt es zumindest in Deutschland oft an geeigneten Vergleichsindizes.

Qualitative Kriterien besser als quantitative Aspekte

Für die Auswahl von Immobilienfonds bedeutet dies, dass der Fokus nicht nur auf der Rendite der Vergangenheit liegen darf. Forschungstheorie und Best-Practice-Beispiele zeigen, dass qualitative Kriterien vor dem Hintergrund des spezifischen Profils indirekter Immobilienanlagen und des Bezugs zur originären Immobilie oft aussagekräftiger als quantitative Aspekte sind.

Letztendlich wird diese Beobachtung auch indirekt durch die Umfrage gestützt. Das Gewicht, mit dem das Perfor-mance-Kriterium den Teilnehmern zufolge in die Gesamtbeurteilung einfließt, liegt bei 14,3 Prozent. Eine Bündelung der qualitativen Aspekte Investmentprozess (12,0 Prozent) und Investmentstrategie (9,8 Prozent) hingegen führt bereits zu einem kumulierten Gewicht der beiden Teilaspekte von fast 22 Prozent. Die Konsequenz für das Scoring-Modell als Entscheidungshilfe zur Auswahl indirekter Immobilienanlagen ist, dass die Qualität des gesamten Investmentprozesses innerhalb der relevanten Kriterien ein größeres Gewicht als der Track Record erhalten muss.

Investmentprozess als wichtigstes Kriterium im Scoring-Modell

Im Rahmen des Scoring Modells hat der Investmentprozess ein Gesamtgewicht von 25 Prozent erhalten. Dabei wird der Investmentprozess weiter gefasst als in der Befragung. Er umfasst im Scoring Modell alle relevanten Schritte des Portfolioaufbaus - von der Anlagestrategie des Fondsmanagements über die Objektsuche und -prüfung bis hin zur Ankaufsentscheidung. Flankiert wird der Prozess von den Funktionen Research und Risikomanagement. Der Investmentprozess stellt damit eine wesentliche Basis für die Wertschöpfung eines Immobilienfonds dar. Ist der Investmentprozess insgesamt stringent und von hoher Qualität, wirkt sich dies in der Regel positiv auf das Ergebnis aus. Je besser der Investmentprozess eines Fonds ist, desto besser sind tendenziell die Fondsimmobilien und somit auch die Erfolgsaussichten des Investors, wenn er sich für einen solchen Fonds entscheidet.

Das zweitgrößte Gewicht bei der Auswahl eines Immobilienfonds legt das Scoring-Modell jeweils auf die Themenkomplexe Asset Management und In-vestment-Performance. Beide Aspekte erhalten ein Gesamtgewicht von je 15 Prozent. Damit bleibt die Rendite der Vergangenheit weiterhin eine durchaus wichtige Zusatzinformation bei der Auswahl von Immobilienfonds. Der Track Record und der Vergleich mit entsprechenden Indizes - sofern diese vorhanden sind - dominieren jedoch den Auswahlprozess nicht, sondern stehen auf gleicher Stufe wie das Asset Management nur in der zweiten Reihe der wichtigsten Auswahlkriterien.

Noch Forschungsbedarf

Der Auswahlprozess und die Auswahlentscheidung anhand kritischer Erfolgsfaktoren sind bei institutionellen Investoren insgesamt bereits überwiegend in hohem Maße professionell. Allerdings orientieren sich die Investoren bei indirekten Immobilieninvestments teilweise noch zu sehr an anderen Anlageklassen wie dem Wertpapier- oder Private-Equity-Bereich.

Es dürfte künftig wichtiger werden, die Unterschiede zur Immobilie stärker zu berücksichtigen: Denn der Anteil indirekter Immobilienanlagen im Rahmen der Asset Allokation bei institutionellen Investoren wird voraussichtlich steigen. Ein Scoring-Modell, das die Unterschiede zu anderen Anlageklassen stärker berücksichtigt und auf das originäre Profil der Immobilie als das zugrundeliegende Asset eingeht, kann einen entsprechenden Beitrag zum Anlageerfolg leisten.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass es weiteren Forschungsbedarf in Theorie und Praxis gibt. Insbesondere im Vergleich zu anderen Anlageklassen sind die Auswahlprozesse sowie die entsprechenden Erfolgsfaktoren bei der Auswahl im Bereich indirekter Immobilienanlagen noch nicht ausreichend untersucht worden.

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