Schwerpunkt: Pfandbriefe und Pfandbriefbanken 2012

Sicherheit versus Triple-A

Der Pfandbrief ist ein deutsches Qualitätsprodukt mit mehr als 200-jähriger Erfolgsgeschichte. Investoren schätzen an ihm seine hohe Sicherheit und langfristige Stabilität. Die breite Akzeptanz insbesondere des Hypothekenpfandbriefs ermöglicht es umgekehrt deutschen Pfandbriefbanken, Fremdkapital für Immobilieninvestitionen zuverlässig und langfristig bereit zu stellen. Eine Win-Win-Situation.

Die Güte des deutschen Pfandbriefs honorieren auch die drei internationalen Ratingagenturen Standard & Poor's, Moody's und Fitch mit Bestnoten zwischen "AAA" und "AA minus". Diverse Regularien sorgen dafür, dass die meisten Investoren diese Ratingnoten berücksichtigen müssen. Um diese hohen Ratingnoten zu erzielen, müssen die Pfandbriefemittenten jedoch Anforderungen etwa an die Überdeckung erfüllen, die über die bewährten gesetzlichen und regulatorischen Sicherungsmechanismen hinausgehen. Über die Detailanforderungen geben die Ratingagenturen immer noch relativ wenig bekannt; ob sie tatsächlich angemessen sind, ist daher keiner breiten Debatte ausgesetzt.

Fluch der "Covered Bonds"

Eine aktuelle Konsultation zu den Global(! ) Covered Bond Rating Criteria von Fitch soll daher zum Anlass genommen werden, diese für "Covered Bonds" aufgestellten Ratingkriterien in Hinblick auf den Pfandbrief genauer zu untersuchen. Besonders relevante Aspekte sind dabei die Verknüpfung mit dem Bankrating, die Überdeckungsanforderung sowie die Analyseverfahren für Immobilienportfolios.

Als Ausgangspunkt für vielerlei Missverständnisse kann man die Erfindung der Assetklasse "Covered Bonds" respektive "Structured Finance" identifizieren. Richtig, der Pfandbrief ist eine gedeckte Schuldverschreibung, und man kann ihn als ein strukturiertes Instrument der Refinanzierung bezeichnen. Und richtig ist, dass die meisten "Covered Bonds" in Anlehnung an den Pfandbrief entstanden sind.

Solange diese Klassenbildung den qualitativen Vergleich ihrer Mitglieder fördert, ist dagegen nichts einzuwenden. Problematisch wird es, wenn die Vergleiche quantitativ werden und vom kleinsten gemeinsamen strukturellen Nenner der Klasse ausgehen: Natürlich ist für die Klasse der Säugetiere das Kriterium "Umfang des Fettdepots vor dem Winterschlaf" objektiv - aber wird dies dem Löwen und seinem "Track Record" gerecht?

1. Beispiel: Rating-Obergrenze

Schon die - wenngleich: geringe - Spreizung der Pfandbriefratings zeigt, dass die hohen Bonitätseinstufungen nicht dem deutschen Gesetzesrahmen allgemein geschuldet sind, sondern auch die emittierende Bank eine Rolle spielt. Alle Ratingagenturen berücksichtigen die diversen rechtlichen Regelungen rund um den bei Bankinsolvenz eingesetzten Sachwalter daher insoweit, als das Rating der Pfandbriefe einer Bank sogar deutlich über dem eigentlichen Bankrating liegen kann.

Gleichzeitig nehmen Ratingagenturen jedoch direkt oder indirekt eine vom Bankrating abhängige Obergrenze für das Pfandbriefrating an, falls aus ihrer Sicht Verzögerungen bei der Abgrenzung der Deckungsmasse bei Ausfall der Bank denkbar sind.

Ein solcher Ausfall ist in der gesamten Geschichte des Pfandbriefs allerdings noch nie passiert - das beste Argument für seine überragende Sicherheit. Diskussionen über relevante Verzögerungsgründe sind daher rein spekulativ. Man kann sich aber auch - vom generischen Produkt "Covered Bond" kommend - ein pauschales Kausalitätsmodell ("mit Fett überlebt man Winterschlaf") zurechtlegen und dieses durchrechnen, ohne auf die unterschiedlichen Wirkungsmechanismen einzugehen.

Dieser Gedanke liegt nahe, wenn man etwa den aktuellen Exposure Draft von Fitch liest. Dieser vermutet bei deutschen Hypothekenpfandbriefen lediglich eine durchschnittliche Durchhaltequalität, weil der Gesetzgeber eine vorsorgliche Liquiditätsbevorratung von "nur" 180 Tagen verlangt; der Sachwalter hätte es in dieser Zeit schwer, per Deckungswertverkauf Liquidität für den Tag 181 zu beschaffen.

Dies wird der Sache nicht gerecht. Nicht nur, dass - gerade gewerbliche - Immobiliendarlehen deutlich unter sechs Monaten liquidierbar sind1). Die deutsche Spezialität des KEV-Verfahrens2) verschafft dem Sachwalter mit seiner Teilbanklizenz Zugang zur EZB. Und muss es immer die Assetliquidation sein? Der Sachwalter darf auch neue Pfandbriefe emittieren und findet mindestens in der Pfandbrief-Community und erneut in der EZB Abnehmer.

Bei dem von Fitch geplanten neuen "Weak Link"-Ansatz würde nun diese wie gesehen: widerlegbare - Annahme zur Assetverkaufsdauer zum entscheidenden Faktor für die Rating-Obergrenze. Eine Kompensation etwa durch die vorbildliche deutsche Aufsichtspraxis oder andere strukturelle Vorteile bliebe unberücksichtigt. Eine Konzentration auf allgemeingültige Kennzahlen trägt so die Gefahr in sich, die entscheidenden Unterschiede auszublenden.

Interessant ist, dass sogenannte Pass-Through-Strukturen als Optimalfall für die Zahlungskontinuität gelten. Aber stellt ein solcher durchgeleiteter, volatiler Zahlungsstrom wirklich höchste Sicherheit dar? Oder doch eher die deutsche Variante, bei der die Bank beziehungsweise der Sachwalter den gesamten Kredit-Cash-Flow erhält und daraus erstrangig die Pfandbriefe bedient? Dies kann man so oder so entscheiden, am Kapitalmarkt scheint sich jedoch das zweite Sicherheitsverständnis Bahn zu brechen.

2. Beispiel: Überdeckungsanforderung

Rechtlich geregelt ist neben der sauberen Abspaltung von Pfandbrief und Deckung ferner die Qualität der als Deckung dienenden Sicherheiten. Diese soll gewährleisten, dass die Zahlungsverpflichtungen der Pfandbriefe im Notfall alleine aus den Zahlungseingängen aus den Deckungswerten bedient werden können - was gerade erfüllt sein muss, damit das Pfandbrief-Rating besser als das Bankrating ist.

Damit dies selbst in einem makroökonomischen Stressszenario möglich ist, gibt es im Pfandbriefgesetz vielfältige Vorkehrungen zur Begrenzung von Zins-, Währungs-, Liquiditäts- und Kreditrisiken. Für die Deckungswerte selbst sind dies Regeln hinsichtlich ihrer Bonität und Liquidität. Hinzu kommen Anforderungen an das Gesamtzusammenspiel der Zahlungsströme, was sich insbesondere in der Forderung nach barwertiger Überbesicherung von gesetzlich mindestens zwei Prozent niederschlägt.

Diese Überbesicherung - das heißt der Prozentsatz, um den der Barwert der zukünftigen Cash-Flows aus den Deckungswerten den Barwert aus den zukünftigen Pfandbrief-Cash-Flows übersteigt - ist die zentrale Größe für das Pfandbriefrating: Je höher diese ist, umso besser kann der Pfandbrief eigenständig selbst extremen Marktverwerfungen widerstehen.

In der Praxis setzen die Ratingagenturen in der Regel deutlich mehr als die gesetzlichen zwei Prozent Überbesicherung voraus, wenn es ein Spitzenrating sein soll. Je nach maximal möglicher und letztlich angestrebter Benotung liegen die tatsächlichen Anforderungen derzeit meist zwischen zehn und 20 Prozent.

Dies scheint gering gegenüber dem Anteil von AAA-Tranchen bei CMBS (Commercial Mortgage Backed Securities), der typischerweise bei etwa 50 Prozent liegt, was einer Überbesicherung von umgerechnet bis zu 100 Prozent entspricht.

Allerdings ist beim Pfandbrief ja bereits eine "Vor-Tranchierung" der Hypothekendarlehen erfolgt, da Hypothekenpfandbriefe nur gegen Darlehensteile emittiert werden dürfen, welche selbst wiederum mit den ersten maximal 60 Prozent einer Immobilie besichert sein müssen, gemessen am nach konservativen Maßstäben ermittelten Beleihungswert (typischerweise 80 bis 90 Prozent des Marktwertes).

In der Rückrechnung - nach Bewertungsabschlag, Überbesicherung und unter Berücksichtigung von zusätzlichen liquiden Mitteln in der Deckung - ist ein Pfandbrief daher sogar de facto besser besichert als eine oft mit diesem verglichene AAA-Tranche einer CMBS.

Hinzu kommt, dass eine Verbriefung auf sich alleine gestellt ist, während für den Pfandbrief in erster Linie ja eine Bank mit zusätzlichen potenziellen Geldquellen geradesteht. Pfandbriefe werden beim Rating insbesondere im Vergleich zu Verbriefungen daher eher unterschätzt.

Weder Bank noch Ratingagentur dürften ein Interesse an einer übertriebenen Überbesicherungsanforderung haben. Für die Bank bedeutet es unnötige Liquiditätsbindung und leichtfertige Abgabe des Refinanzierungsvorteils, was letztlich zulasten des Immobilieninvestors geht. Für die Agentur ist es eine Frage der auch auf Sorgfalt basierenden Glaubwürdigkeit: Der Zeitnehmer eines 100-Meter-Laufs wird dem Sieger ja auch nicht nur zurufen wollen, dass seine Zeit "unter 20 Sekunden" war, er aber nicht genauer nachschaut, weil es so oder so die Goldmedaille gibt.

3. Beispiel: Portfolioanalyse

Ein genauerer Blick in die jeweiligen Analyseverfahren lässt dann auch keinen Zweifel aufkommen, dass Pfandbriefe mit Spitzenrating wahrlich extreme Stresstests überstehen. Ein Beispiel der letzten Zeit, das sogar über die Marktakteure hinaus bekannt wurde3), stammt ebenfalls von Fitch, nämlich die Detailanalyse von gewerblichen Immobilienfinanzierungen.

Den Ausgangspunkt für die Fitch-Analyse bilden Detaildaten zu einzelnen (gewerblichen) Finanzierungen, Kreditnehmern und Immobilien sowie deren Beziehung zueinander. Insgesamt werden zirka 110 Daten pro Finanzierung angefordert, allerdings wird nur ein Teil davon als tatsächlich relevant bezeichnet. Bei nicht gelieferten Daten trifft Fitch jeweils eine konservative Annahme.

Mit diesen Informationen will Fitch nun das Kreditrisiko unter extremen Marktverwerfungen modellieren, und zwar hinsichtlich Ausfallfrequenz und hinsichtlich Schadenshöhe. Auf dem Weg dahin werden - zumindest nach derzeitigem Stand des Modells - eine Reihe von überaus konservativen Annahmen getroffen:

- Mieten und Immobilienpreise gehen selbst für Deutschland bei der aktuell vielgepriesenen Stabilität teilweise um die Hälfte (je nach Ratingniveau und Region) zurück; dabei werden als Ausgangspunkt bereits die nachhaltigen Mieten gemäß Beleihungswertermittlungsverordnung zugeliefert.

- Bei diesen Parametern wird ein schlagartiges Eintreten und "unendliches" Andauern des Stress-Szenarios angenommen; dies würde de facto eine noch nie dagewesene Rezessionslänge bedeuten, da über zehn Jahre laufende Kredite und Pfandbriefe keine Seltenheit sind.

- In der Realität würde diese Entwicklung vor allem durch das Greifen von Covenants abgemildert, die eine beschleunigte Tilgung alleine aus der Immobilie heraus initiieren; diesen Kompensationseffekt berücksichtigt das Fitch-Modell noch nicht.

- Ebenso werden keine indizierten Mietverträge berücksichtigt, was insbesondere wegen der Korrelation mit hohen Zinsen im entsprechenden Stress-Szenario interessant wäre; derzeit fehlen generell noch Diversifikationseffekte zwischen Kreditrisiko und Marktpreisrisiken sowie zwischen den Immobilienmärkten.

- Bei Finanzierungen von Immobilien-Zweckgesellschaften wird der Ausfallzeitpunkt ermittelt, indem der Miet-Cash-Flow simuliert wird, wobei ein kompletter Mieterauszug und nachfolgender Leerstand zum Zeitpunkt der mittleren Mietvertragsdauer angenommen wird; Mieterdiversifikation und Vertragsverlängerungen werden also nicht berücksichtigt.

- Die unter diesen Annahmen ermittelten Stress-Ausfallparameter werden anschließend - linear verteilt auf das zusätzlich zugelieferte Cash-Flow-Profil der Deckungswerte angewandt; der Effekt, dass erhöhte Ausfälle bei gleichzeitig immer noch guter Recovery Rate eigentlich zu einem Vorzieheffekt und damit mehr Liquidität führen, wird dabei nicht modelliert.

Ratingagenturen als Sparringspartner

Der Pfandbrief steht für Sicherheit, in seiner 200-jährigen Geschichte gab es noch keinen einzigen Ausfall. Im Rating kommt dies nicht immer zum Ausdruck - und wenn, dann sind extreme Zusatzbedingungen zu erfüllen. Diese Details von Ratingmodellen sollten eigentlich bekannt sein, wenn zum Beispiel die auf dieser Basis geforderten Überbesicherungsanforderungen richtig interpretiert werden wollen. Allerdings sollte man jedem Ratingsystem einen Entwicklungsprozess zugestehen.

Die deutschen Pfandbriefbanken, insbesondere auch vertreten durch den vdp, sind jedenfalls an einem konstruktiven Dialog mit den Ratingagenturen interessiert, damit das Pfandbriefrating ein faires, ehrliches und realistisches Bild vom zugrunde liegenden Produkt wiedergibt.

Investoren muss der Pfandbrief nicht erklärt werden. Ein Hauptthema auf Roadshows sind vielmehr die Ratingmethoden, die in ihrer Anlehnung an Struc-tured-Finance-Modelle dann oft überraschen. Danach ist meist das Ergebnis, dass rein Rating-basierte Anlagevorschriften und Portfoliomodelle den strukturellen Unterschieden der "Covered Bonds" nicht immer gerecht werden.

Also heißt es: Erklären, erklären, erklären. Informationen über das gesetzliche Deckungsreporting hinaus sind hierzu ein Element4), dürfen aber auch nicht den Blick auf die grundlegenden Strukturen verstellen. Die darauf aufbauende Auseinandersetzung mit dem Rating führt zu einer Lernkurve, die dem eigenen Urteil guttut und das Rating zum Sparringspartner macht.

Fußnoten

1) Stricker/Cremer: Erfolgsfaktoren beim Verkauf von Kreditportfolios; Immobilien & Finanzierung 14 (2008).

2) Chan/Kotz/Rutzka-Hascher: Kreditforderungen als notenbankfähige Sicherheiten - Verfahren der Bundesbank zur Erleichterung der Sicherheitenstellung; Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen 7/2007.

3) Börsenzeitung vom 24. November 2010.

4) Hillenbrand: Offenlegung von Deckungsstockdaten und Umgang mit deren Defiziten; Immobilien & Finanzierung 14/2011.

Prof. Dr. Leo Cremer , Professur für Mathematische Methoden in der Bau- und Immobilienwirtschaft, Hochschule RheinMain, Wiesbaden
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