Gastkommentar

Im Spannungsfeld von Kredithandel und Regulierung

Am 27. Mai 2009 fand in der Frankfurt School of Finance & Management das NPL Forum 2009 statt. Die Veranstaltung jährte sich damit zum fünften Mal. Veranstalter war neben der Hochschule und dem Frankfurt School Verlag im zweiten Jahr in Folge auch die Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing e. V. (BKS). Die hohe Teilnehmerzahl von Banken, Investoren, Servicern und Beratern der Branche verdeutlicht das nach wie vor große Interesse an Non-performing Loans (NPL), auch wenn das gesunkene Transaktionsvolumen der letzten beiden Jahre (die BKS geht für 2008 von einem geschätzten Volumen von nominal drei Milliarden Euro aus) keine signifikanten, interessanten Deals mehr hervorgebracht hat. Professor Schalast von der Frankfurt School of Finance & Management und zugleich Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der BKS ging in seiner Begrüßungsansprache auf dieses Thema ein. Nach seiner Ansicht, die von den meisten Experten geteilt wird, ist die "Bugwelle" der NPL bei weitem nicht abgearbeitet. Im Gegenteil, nach Analyse der Marktgegebenheiten und Rahmendaten sei davon auszugehen, dass sich der Markt wieder belebt. Die momentane Zurückhaltung der Banken sei kein Indikator für eine grundsätzliche Abkehr vom Verkauf notleidender Kredite. Diese Einschätzung wird auch von der BKS geteilt. Die negative wirtschaftliche Entwicklung der letzten 18 Monate hat das Volumen an NPL in den Bilanzen deutscher Banken wieder erhöht. Gleichzeitig haben die meisten Banken jedoch nicht den schnellen Exit durch Verkauf ihrer Kredite gewählt, sondern mittels Umstrukturierung ihre Sanierungsabteilungen mit eigenem Personal aufgestockt und so den längeren und sicher auch mühsameren Weg des selbstständigen Abarbeitens dieser Kredite eingeschlagen. Nach einem nun zu erwartenden "Sommerloch" ist davon auszugehen, dass sich in der zweiten Jahreshälfte der Markt wieder belebt. Einige Marktexperten gehen davon aus, dass bis zum Jahresende noch "Druck aus dem Kessel gelassen" werden müsse. Die Diskussion um "Bad Banks" wirkt dabei derzeit transaktionshemmend, da sich viele Banken noch nicht darüber im Klaren sind, ob und in welchem Umfang sie dieses Instrument nutzen können. Auf der anderen Seite sind aber auch erste Ansätze in Richtung eines aktiven Angehens bestehender Risiken erkennbar. So hat die Bayern-LB Ende Juni verkündet, eine interne Bad Bank (Restructuring Unit) zu gründen. Einem viel beachteten Thema widmete sich der ehemalige Vorsitzende Richter des XI. Zivilsenats des BGH Dr. Gerd Nobbe. Er referierte zum Thema "Kredithandel und Vollstreckung - aktuelle Rechtsprechung und Entwicklung". Nobbe ging hierbei insbesondere auf den Beschluss des LG Hamburg vom 9. Juli 2008 (Aktenzeichen 318 T 183/07) zur formularmäßigen Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung ein, den er als klares "Fehlurteil" wertete. Das Gericht hatte die in der Grundschuldbestellungsurkunde enthaltene vorformulierte Unterwerfungsklausel als eine unangemessene Benachteiligung des Schuldners angesehen. Eine solche Klausel erweise sich im Falle von Finanzinvestoren als Käufer von Krediten als wirksames Druckmittel mit erheblichem Missbrauchspotenzial. Das Urteil hatte unter Investoren, Servicern, Banken und Schuldnern für Aufsehen gesorgt und auch im Schrifttum eine hohe Beachtung gefunden. Der BGH hat das Urteil des LG Hamburg nun mit Beschluss vom 16. April 2009 (Aktenzeichen VII ZB 62/08) aufgehoben. Die Aufhebung erfolgte allerdings aus formalen Gründen, sodass damit gerechnet werden muss, dass dieser Themenkomplex in naher Zukunft vom BGH auch nochmals in der Sache selbst entschieden werden muss. Es ist jedoch zu erwarten, dass der BGH bei seiner stringenten Linie bleibt. Im Übrigen hat der Gesetzgeber dieser Thematik im Risikobegrenzungsgesetz durch Einführung des § 799a ZPO bereits Rechnung getragen. Hiernach hat der Schuldner für den Fall einer unzulässigen Vollstreckung durch einen Rechtsnachfolger anstelle des ursprünglichen Gläubigers Anspruch auf Schadensersatz. Diese Vorschrift ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn die grundsätzliche Wirksamkeit von Unterwerfungsklauseln (auch im Falle von Forderungsverkäufen) anerkannt ist. Das Risikobegrenzungsgesetz griff anschließend auch der Hamburger Professor Kai-Oliver Knops auf, der mit seiner eher verbraucherorientierten Sichtweise als "Gegengewicht" zu den Ausführungen der Branchenvertreter fungierte. Sein Vortrag zeigte demnach insbesondere die vermeintlichen Schwächen des Gesetzes im Hinblick auf einen stärkeren Verbraucherschutz auf. Nach Ansicht von Knops wurden lediglich Transparenzanforderungen sowie die Informationspflichten der Forderungsinhaber erhöht, aber kein signifikant verbesserter Schutz des Verbrauchers als Darlehensnehmer geschaffen. Auf Seiten der Forderungsverkäufer und -käufer werden die Regelungen des Gesetzes jedoch weitestgehend als ausgewogen angesehen, wobei erste Anpassungen in der Praxis bereits zu beobachten sind. So führt beispielsweise der vor allem von Verbrauchern geforderte erweiterte Kündigungsschutz (Kündigung erst bei mindestens zwei aufeinanderfolgenden Raten ganz oder teilweise und mindestens 2,5 Prozent des Nennbetrages des Kredits in Verzug) dazu, dass Banken keine halbjährlichen und jährlichen Zins- und Tilgungstermine mehr anbieten, sondern nur noch monatliche, allenfalls quartalsweise Zahlungstermine. Nach Ansicht der BKS zeigt insbesondere die aktuelle Entwicklung auf den Kredit- und Finanzmärkten, dass die Handelbarkeit von Forderungen und die Ausplatzierung von Risiken ein wichtiges Instrument zur Beseitigung der derzeitigen Marktkrise und des Kreditengpasses sind. Das Risikobegrenzungsgesetz trägt dieser Notwendigkeit in einem ausgewogenen Verhältnis von Verbraucherschutz und Marktanforderungen Rechnung. Mit dem NPL Forum 2009 wurde deutlich, dass das Thema "Non-performing Loans" nichts von seiner Aktualität und Bedeutung und zugleich auch seinem polarisierenden Element eingebüßt hat. Das NPL-Forum 2010 findet am 19. Mai 2010 statt. Dr. Marcel Köchling, Vizepräsident der Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing e. V., Berlin

Marcel Köchling , Vizepräsident, Vorstandsmitglied , Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing e.V., Berlin
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