Perspektiven der Städte

Stadtentwicklung im föderalen System - die Aufgaben des Bundes

Stadtentwicklung im föderalen System ist eine nationale Aufgabe, der sich die Kommunen, die Länder und der Bund gemeinsam stellen. Der Bund beteiligt sich sehr rege an der Politik für die gute Zukunft unserer Städte. Er tut das nicht nur durch Gesetzgebung und Finanzhilfen. Mit dem Entwickeln neuer Programme, der Durchführung von Modell- und Pilotprojekten sowie durch gezielte Forschungsarbeit hat der Bund neue Trends der Stadtentwicklungspolitik in den letzten Jahren entscheidend mitgeprägt.

Bundeshilfe zuweilen unverzichtbar

Die Entwicklung, welche einzelne Städte nehmen, hat nicht nur für die betroffenen Städte und Länder Bedeutung, sondern bundesweite Ausstrahlung. Wenn sich in einzelnen Kommunen soziale Brennpunkte verschärfen oder Schrumpfungsprozesse zur Folge haben, dass Quartiere verfallen, veröden und immer unwohnlicher werden, löst das zusätzliche Abwanderung aus den betroffenen Kommunen und Regionen aus. Solche Fehlentwicklungen verschärfen heterogene Entwicklungen und laufen damit dem in der Verfassung vorgegebenen Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse entgegen. Sie können aber auch dazu führen, dass das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht und der soziale Frieden zunehmend gestört werden.

Die gesamtstaatliche Bedeutung einer gemeinsam getragenen Verantwortung für die Städte ergibt sich auch aus der Erkenntnis, dass die von Fehlentwicklung in besonderer Weise betroffenen Städte, Regionen und Länder mangels rückläufiger Einnahmen kaum in der Lage sind, die erforderlichen Mittel aufzubringen, um städtebauliche Missstände oder Entwicklungsengpässe zu beseitigen, Funktionsschwächen entgegenzutreten, soziale Spannungen abzubauen, für einen nachhaltigen Stadtverkehr zu sorgen oder eine soziale Wohnraumversorgung sicherzustellen. Infolgedessen besteht die Gefahr, dass sich Fehlentwicklungen beschleunigen und verschärfen, wenn den betroffenen Städten nicht geholfen wird, die für die Gegensteuerung erforderlichen Mittel aufzubringen.

Damit die Kommunen und die Länder nicht überfordert sind, ist es geboten, dass sich der Bund an den notwendigen Maßnahmen finanziell beteiligt. Wie wichtig dies ist, hat nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten insbesondere der hohe Erneuerungsbedarf in den neuen Ländern gezeigt. Aber auch beim Hochwasser von Elbe und Donau vor zwei Jahren wurde deutlich, dass die finanzielle Hilfe des Bundes unverzichtbar ist, wenn neue Entwicklungen zu umfassenden städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen zwingen.

Chance zur Modernisierung der Städte

Bund, Länder und Gemeinden sind gefordert, die soziale, ökologische und wirtschaftliche Modernisierung weiter voranzutreiben. Es gilt, die Veränderung als Chance zu begreifen und sich den damit verbundenen Aufgaben aktiv zu stellen.

Die Eckwerte der demographischen Entwicklung sind bekannt: 2020 werden in Deutschland rund eine Million Menschen weniger als heute leben. Der demographische Wandel mit seinen vielfältigen Auswirkungen hat längst begonnen und greift bereits in viele Lebensbereiche ein. Dies erleben nicht nur die Menschen in ostdeutschen Regionen mit Wohnungsleerstand, Abriss, Schließung öffentlicher Einrichtungen wie Schulen oder Bibliotheken, Dörfer ohne Kinder. Bevölkerungsrückgang, Abwanderung und zunehmende Alterung werden sich durch das ganze Land ziehen - jedoch im Osten stärker und schneller als im Westen, im Umland und ländlichen Raum stärker als in den Städten.

Nur noch wenige Regionen, insbesondere die Metropolregionen, werden künftig vor allem aufgrund anhaltender Zuwanderung Bevölkerungswachstum aufweisen. Eine räumlich und zeitlich unterschiedliche Bevölkerungsabnahme und Alterung wird die regionalen Unterschiede verstärken, zumal sie in immer schnelleren Zyklen wirtschaftlichen Wandels sowie technischer und sozialer Veränderungen ablaufen.

Neben den sozialen Sicherungssystemen muss sich vor allem die Gestaltung der Infrastrukturpolitik, der Dienstleistungen sowie der Einrichtungen öffentlicher Daseinsvorsorge für Mobilität, Stadtentwicklung, Wohnen, Bildung oder Gesundheit auf die Veränderungen einstellen. Die Bündelung von Kräften, die Qualitätssicherung und die regionale Anpassung der Infrastruktur rücken dabei in den Mittelpunkt. Dies setzt einen breiten gesellschaftlichen Konsens voraus. Diskutiert und entschieden werden muss, welche Versorgungsstrukturen unabdingbar bleiben und wer sie gewährleisten soll. Insbesondere länd-lich-periphere Räume müssen dabei unterstützt werden, für sich selbst eine Zukunftsperspektive zu entwickeln.

Die notwendigen Anpassungsprozesse in den Regionen und Städten werden sich nicht von alleine einstellen. Es ist deshalb wichtig, stärker als bisher umfassend und laufend den demographischen Wandel und seine räumlichen Folgen zu beobachten, zu bewerten und darüber zu informieren. Zudem gilt es, über herkömmliche Informationsvermittlung hinaus die Menschen als Betroffene aktiv zu beteiligen.

Die Stadtentwicklungspolitik wird sich sowohl beim Umgang mit der technisch physischen Infrastruktur als auch bei der Bewältigung sozialer Herausforderungen umorientieren müssen. Das Leben in den Städten und Regionen wird sich ändern, aber die Lebensqualität soll auf angemessenem Niveau erhalten bleiben.

Die Bundesregierung wird die notwendigen Anpassungen und Modernisierungen zusammen mit Ländern und Kommunen vorantreiben und dabei auch die Chancen zur Mobilisierung von Entwicklungspotenzialen wahrnehmen. Die Prämissen dabei sind: Mobilität und Wirtschaftswachstum ermöglichen, Infrastruktur für alle sozialen Schichten sichern, Lebensqualität verbessern, den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft in allen Teilen Deutschlands gewährleisten, unterschiedliche Anforderungen der Altersgruppen in der Stadtentwicklung berücksichtigen, Rahmenbedingungen für flexible und differenzierte Angebote schaffen.

Die Herausforderungen einer zukunftsfähigen Stadtentwicklungspolitik zu erkennen und anzunehmen bedeutet, den Anpassungserfordernissen für verschiedene Nachfragegruppen und den räumlichen Bezügen in allen Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge Rechnung zu tragen.

- Der Bevölkerungsrückgang führt zu generellen Tragfähigkeitsproblemen (ÖPNV, Handel und Dienstleistungen, soziale und kulturelle Infrastruktur, Energie- und Wasserversorgung).

- Die Altersstrukturverschiebungen bewirken starke Schwankungen beim altersspezifischen Infrastrukturbedarf und erschweren die Planung entsprechender Einrichtungen.

- Die alternde Gesellschaft erhöht die Nachfrage nach altengerechten Infrastrukturen.

- Der wachsende Anteil von Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund erfordert verstärkte Integrationsbemühungen in den Städten.

- Die Suburbanisierung führt vielfach zu einer Unterauslastung von Infrastruktur, so dass eine Orientierung der Siedlungsentwicklung wieder auf die Städte zu konzentrieren ist.

Die Schwerpunkte der Stadtentwicklungsinvestitionen werden sich noch stärker auf die Innenentwicklung der

Städte und Orte ausrichten. Sozial stabile Stadtquartiere bieten günstige Voraussetzungen für eine zukunftsfähige städtebauliche Entwicklung. Migration muss in diesem Zusammenhang als Chance genutzt werden.

Familien als Zielgruppe

Ein wichtiges Ziel der Stadtentwicklungspolitik ist die Steigerung der Attraktivität der Innenstädte für Familien mit Kindern, um die Stadt-Umland-Wanderung zu begrenzen und lebendige Städte mit ausgewogenen Bewohner- und Einkommensstrukturen zu ermöglichen.

Hier ist die Politik gefordert, durch Unterstützung familienfreundlicher Maßnahmen, wie zum Beispiel Wohnungszusammenlegungen, attraktive Neubauangebote für Familien mit Kindern, Wohnumfeldverbesserungen, Verkehrsberuhigung und die Schaffung der notwendigen Infrastruktur in Form von Schulen und Kindergärten die Voraussetzungen für kinderfreundliche Städte zu schaffen.

Bessere Wohnbedingungen in Städten müssen verknüpft werden mit effizienten Rahmenbedingungen für die Wohneigentumsbildung insbesondere im Bestand. Außerdem muss ein attraktives innerstädtisches Baulandangebot für die regional unterschiedliche Nachfrage nach Neubauwohnungen zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus muss mit flexiblen Wohnungs- und Dienstleistungsangeboten dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Menschen auch im Alter solange als möglich selbstbestimmt in ihren eigenen vier Wänden wohnen wollen.

Aufgrund der regional unterschiedlichen Entwicklung, unterschiedlicher Siedlungsstrukturen und Erreichbarkeitsverhältnisse, aber auch aufgrund unterschiedlicher Ansprüche und Präferenzen der Bevölkerung gibt es keinen Königsweg zur Sicherung und Gestaltung einer zukunftsfähigen öffentlichen Daseinsvorsorge. Es bedarf immer auf die regionalen und lokalen Bedingungen zugeschnittener Lösungen. Dabei sind die Möglichkeiten der Initiierung, Steuerung und Umsetzung der notwendigen Anpassungsprozesse nicht zuletzt wesentlich von finanziellen und rechtlichen Rahmenbedingungen abhängig, die überprüft und gegebenenfalls verändert werden müssen.

Eines der wichtigsten Instrumente zur Umsetzung der Ziele der Stadtentwicklungspolitik ist die Städtebauförderung. Die Bund-Länder-Programme zur Städtebauförderung helfen den Kommunen zurzeit in über 1 700 Stadtquartieren, dringende Investitionen in die Infrastruktur und die Modernisierung der Gebäude auch dort in Gang zu bringen, wo sie ohne den Anstoß des Bundes unterbleiben würden. Für die Bewohner dieser Quartiere und Städte sind sie sichtbares Zeichen des aktivierenden Staates. Das wirkt Hoffnungslosigkeit und Radikalisierung entgegen.

Die Städtebauförderung stabilisiert und aktiviert vor allem die Städte, die in besonderem Maße von wirtschaftlichem Strukturwandel, von Arbeitslosigkeit, Wohnungsleerstand und Zuwanderung betroffen sind. Mit den neu entwickelten Programmen Soziale Stadt, Stadtumbau Ost und Stadtumbau West hat die Bundesregierung bereits dafür wirksame Instrumente geschaffen. Die allgemeine Städtebauförderung und der städtebauliche Denkmalschutz für die neuen Länder erhalten das baukulturelle Erbe und stärken die Innenstädte als Einkaufsstandort und Lebensraum, damit sie sich im Wettbewerb mit dem Stadtumland behaupten können.

Anstoßfinanzierungen des Bundes oft notwendig

Die vielfältigen Auswirkungen der Bevölkerungsentwicklung sind vielerorts als Tatsachen anerkannt. Als kontinuierlicher Prozess erfordert dies aber ständig neue Antworten, die langfristig orientierte Strategien, Konzepte und Maßnahmen immer wieder auf den Prüfstand stellen. Alle Politikfelder undebenen einschließlich ihrer Investitions- und Förderinstrumente müssen "demographiefest" gemacht werden. Anpassungen und Umbau müssen schrittweise, aber mit zunehmender Verbindlichkeit und fachlicher Integration auf allen Ebenen des föderalen Systems angegangen werden.

Die Stadtentwicklung stellt also auch in unserem föderalen System weiterhin große Aufgaben an den Bund. Das hat auch die am 1. September 2006 in Kraft getretene Föderalismusreform berücksichtigt. Sie beließ dem Bund die Gesetzgebungskompetenz für das Baugesetzbuch und lässt auch künftig Bundesfinanzhilfen zur Städtebauförderung zu. Die Bundesregierung wird diese Zuständigkeiten weiterhin zum Wohle unserer Städte und Gemeinden nutzen.

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