Hypotheken in Europa

Stand der Diskussion zur Integration der Hypothekarkreditmärkte

Die Diskussion zur Integration des europäischen Binnenmarktes für Hypothekarkredite auf EU-Ebene hat in letzter Zeit mehr denn je an Aktualität gewonnen. Nachdem die Europäische Kommission am 17. Juni 2005 mit dem aktuellen Grünbuch "Hypothekarkredite in der EU"1) auch die interessierte europäische Öffentlichkeit mit diesem Konsultationspapier über die möglichen Integrationshindernisse informiert hat, widmete sich zwischenzeitlich auch das Europäische Parlament diesem Thema.

Im Rahmen der bisherigen Diskussionen auf europäischer Ebene wurden fast alle möglichen Hindernisse, Vorschläge und Marktmodelle aufgegriffen. Erstaunlich ist allerdings, dass nahezu die gesamte beteiligte Fachwelt aus der Kreditwirtschaft, die EU-Kommission, die Mitgliedstaaten, aber auch die Vertreter des Europäischen Parlaments die Überlegungen zur Integration der EU-Hypothekarkreditmärkte aus den achtziger Jahren ignoriert haben. Weder im Grünbuch der Europäischen Kommission noch bei den Stellungnahmen des Europäischen Parlaments oder des Wirtschafts- und Sozialausschusses wurden die bisherigen Arbeiten an dem Hypothekarkreditrichtlinienvorschlag aus dem Jahr 1985 erwähnt.2) Auch die Entwürfe der Europäischen Kommission zur Pfandbriefrichtlinie finden keine Erwähnung.

Beiden Richtlinienvorhaben lag die Zielsetzung zugrunde, einen europäischen Binnenmarkt für Hypothekarkredite zu schaffen. Zu diesem Zweck war der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung die Basis beider Projekte. Im Wege der bekannten Finanzmarktgesetzgebung der Europäischen Kommission durch die zweite Bankrechtskoordinierungsrichtlinie3) wurden die Arbeiten an Spezialrichtlinien seitens der Europäischen Kommission aufgegeben4), da man auf europäischer Ebene davon ausgegangen war, dass mit dem allgemeinen europäischen Bankrecht eine ausreichende Grundlage für die Entwicklung des Binnenmarktes geschaffen worden ist.

Reale Hindernisse im Binnenmarkt

Nach drei Erweiterungsrunden und mit 15 zusätzlichen Mitgliedstaaten sowie durch die Änderungen des EG-Vertrages durch den Amsterdamer Vertrag5) erkannten die europäischen Gesetzgeber, dass sich bei der Vergabe von wohnwirtschaftlichen Krediten kein wesentlicher grenzüberschreitender Markt entwickelt hat. Die im Auftrag der Europäischen Kommission erstellten Gutachten6) belegen, dass im Durchschnitt in Europa weniger als ein Prozent der befragten Bürger jemals einen Hypothekarkreditvertrag grenzüberschreitend aufgenommen hat. Dabei war die Zahl der grenzüberschreitenden Hypothekarkredite selbst in mehrsprachigen Staaten, wie Belgien oder Luxemburg äußerst gering.

Die Europäische Kommission widmete sich der Integration des EU-Binnenmarktes für Hypothekarkredite mit der Gründung einer Arbeitsgruppe von Experten, welche die bestehenden Hindernisse im Bereich der grenzüberschreitenden wohnwirtschaftlichen Kreditvergabe identifizieren sollte. Diese so genannte Forum-Gruppe Hypothekarkredite7) erarbeitete in eineinhalb Jahren einen Teil der bestehenden Hindernisse und Gründe, warum sich der Binnenmarkt für Hypothekarkredite nicht in gleicher Weise entwickelt hat wie andere Märkte.

Unter anderem wurde in diesem Bericht8) deutlich, dass aufgrund des besonderen Charakters des Hypothekarkredits, durch seine lokale Bindung an die Immobilie, dieser in der Regel nicht für ein klassisches grenzüberschreitendes Geschäft geeignet ist. Überregionale Verkaufsplattformen wie das Internet eignen sich auch wegen der Restriktionen durch europäische Richtlinien9), beispielsweise die Beteiligung eines Notars, die notwendige Analyse des Kreditnehmers, die Bewertung der Immobilie kaum für den Abschluss wohnwirtschaftlicher Kredite.

Auch wurden von vielen Kreditinstituten der regionale Bezug des Kunden zu seiner Hausbank sowie die unterschiedlichen mittlerweile 21 Amtssprachen der EU als Hindernis genannt. Neben Unterschieden im nationalen Verbraucherschutz, welche das Angebot bestimmter Wohnungsbaufinanzierungen unmöglich machen, wurden aber auch die verschiedenen Refinanzierungsmöglichkeiten der Hypothekarkredite als eine der wesentlichen Gründe genannt, warum der eine oder andere Kreditvertrag nicht in einem anderen Mitgliedstaat angeboten wird.

Verordnungen als Hindernisse

Letztlich hindern die europäischen Regeln Kreditinstitute, einen Vertrag grenzüberschreitend abzuschließen. Gemäß Art. 5 der Rom I Konvention wird grundsätzlich die Rechtswahlfreiheit zulasten des Verbraucherschutzrechts des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Verbrauchers ausgeschlossen. Zwar wurde diese Beschränkung als ein elementares Hindernis für den europäischen Binnenmarkt von den Experten der Forum-Gruppe benannt10), dennoch hat es die Europäische Kommission im Rahmen der Umwandlung dieser internationalen Konvention in eine europäische Verordnung versäumt, eine Änderung diesbezüglich vorzunehmen.

Als Alternative schwebt den europäischen Institutionen die Angleichung des Verbraucherschutzes auf einem möglichst hohen Niveau vor. Nach den Vorstellungen vieler europäischer Entscheidungsträger ist mit der Anhebung des Verbraucherschutzes auf ein höheres Niveau auch der Binnenmarkt erreicht. Dabei wird aber übersehen, dass ein hoher Verbraucherschutz im Gesetz nicht zwangsläufig dazu führt, dass Verbraucher auch in den Genuss dieses Schutzes kommen. Hierfür ist ein effektives und verlässliches Gerichtssystem erforderlich. Was nützt beispielsweise dem belgischen Verbraucher der wohl höhere Verbraucherschutz im Bereich Finanzdienstleistungen, wenn er den Rechtsanwalt auch dann bezahlen muss, wenn er vor Gericht gewinnt?

Teilweise gehen die Forderungen soweit, dass die Europäische Kommission standardisierte Verträge11) erarbeiten soll, welche ausschließlich in dieser vereinheitlichten Form in jedem Mitgliedsland vertrieben werden dürfen. Dann wäre das Ziel eines Binnenmarktes erreicht, es gebe aber nur noch ein Produkt. Die Auswertung12) der über 100 abgegebenen Stellungnahmen zum Grünbuch Hypothekarkredite in der EU durch die Europäische Kommission hat nun ergeben, dass eine eindeutige Forderung zum Tätigwerden der EU nicht festzustellen war. Das für Ende 2006 geplante Weißbuch wurde zunächst auf Ende Mai 2007 vertagt.

In der Zwischenzeit kam die Europäische Kommission der Forderung nach, sich nicht nur schwerpunktmäßig, wie dies im Grünbuch geschehen war, mit der Angleichung des Verbraucherschutzes zu beschäftigen13), sondern die binnenmarktrelevanten Hindernisse zu untersuchen. Zu diesem Zweck gründete die Europäische Kommission erneut eine Expertengruppe, welche sich mit den bestehenden Hindernissen im Bereich der grenzüberschreitenden Refinanzierung auseinandersetzen soll. Der Bericht dieser Arbeitsgruppe wird gegen Ende des Jahres 2006 veröffentlicht.

Trotz der Hinweise aus der Praxis14), dass die alleinige Angleichung des Verbraucherschutzniveaus nicht den gewünschten Effekt für den europäischen Binnenmarkt haben wird, hat die Europäische Kommission die Kreditwirtschaft und die europäischen Verbraucherschutzverbände zu regelmäßigen so genannten Dialogsitzungen eingeladen, um zu einzelnen Themen des Verbraucherschutzes einen eventuellen gemeinsamen Standpunkt zu erreichen. So sollen unter anderem die Themen Beratungs- und Informationspflichten sowie das Recht auf vorzeitige Rückzahlung und die Definition des effektiven Jahreszinses besprochen werden. Nach der Lektüre der abgegebenen Stellungnahmen zur Konsultation zum Grünbuch Hypothekarkredite in der EU ist eine Einigung schwer vorstellbar.

Stimmungstest im Europäischen Parlament

Zeitgleich mit den aktuellen Diskussionen um die Zukunft des europäischen Hypothekarkredits, die ausnahmslos unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, hat das Europäische Parlament in diesen Tagen sich nun auch vertieft mit der Integration des Binnenmarktes für Hypothekarkredite befasst. Nach einem mehrere Monate andauernden Streit, welcher Ausschuss sich nun mit diesem Grünbuch der Europäischen Kommission befassen soll, einigte man sich darauf, dem Wirtschafts- und Währungsausschuss wegen der Binnenmarktrelevanz des Themas die Federführung zu geben.

Im Rahmen des Verfahrens der verstärkten Zusammenarbeit15) erarbeitet der Binnenmarkt- und Verbraucherausschuss einen Teil der Fragen Grünbuchs. Ergänzend dazu hat aber auch der Rechtsausschuss eine eigene Stellungnahme abgegeben. Die Diskussionen im Europäischen Parlament haben gezeigt, welche unterschiedlichen Auffassungen überhaupt vorstellbar sind. Die über 90 Änderungsanträge zu den drei Berichten, welche in diesen Tagen in einem Parlamentsbericht zum Grünbuch zusammengefasst werden, dürften für die Kreditwirtschaft von großem Interesse sein, weil diese die Einstellung einzelner Abgeordneter verdeutlichen.

Anders als im nationalen Gesetzgebungsverfahren stellen die Mitglieder des Europaparlaments oft die eigenen nationalen Interessen den fraktionellen Verbindlichkeiten in den Vordergrund. Nur so lässt sich erklären, warum die Parlamentarier so unterschiedliche Auffassungen haben. Hauptstreitpunkt im Europäischen Parlament war die Frage, ob man von der Europäischen Kommission ein gesetzgeberisches Tätigwerden in diesem Bereich verlangen soll oder nicht.

In diesem Zusammenhang behauptete eine Vielzahl von Abgeordneten, dass Verbraucher in der vorvertraglichen Phase ausreichend, umfassend und in verständlicher Sprache über das konkrete Kreditengagement vom Kreditinstitut oder Vermittler informiert werden müssen. Vielmehr wurde auch gefordert, dass diese Informationen zum erstmöglichen Zeitpunkt in der Muttersprache des Verbrauchers übergeben werden. Über eine Einschränkung auf nur 21 EU-Sprachen wurde nicht nachgedacht. Auch stellt sich die Frage, was in der täglichen Praxis der erstmögliche Übergabezeitpunkt sein kann.

Da das Thema der Informationspflichten bereits vom seit 2002 existierenden Europäischen Kodex über vorvertragliche Informationspflichten bei wohnwirtschaftlichen Krediten16) erfasst wird, war auch dieser Kodex Gegenstand zahlreicher Debatten und Änderungsanträge. Die Mehrzahl der Abgeordneten hielt die Umsetzung des Kodex für nicht ausreichend und kritisierte die mangelhafte Umsetzung. Die Tatsache, dass die europäische Kreditwirtschaft aus eigener Kraft die Umsetzung des Kodex in mittlerweile 19 Mitgliedstaaten erreicht hat, dass die Informationspflichten des Kodex in nationale Gesetze wie in Estland oder durch Vorgaben nationaler Bankaufsichtsbehörden wie in Großbritannien umgesetzt worden sind, wurde bei den Diskussionen im Europäischen Parlament ignoriert.

Ist der Verhaltenskodex ein Kartell?

Auch die beiden von der Kreditwirtschaft erstellten Fortschrittsberichte, in welchem die Umsetzungserfolge dokumentiert worden sind, haben die Abgeordnete nicht sonderlich beeindruckt. Allerdings ist eine kritische Haltung zur Selbstregulierung seitens der Abgeordneten auch nachvollziehbar. Maßnahmen zur Selbstregulierung werden von den Marktteilnehmern im Einvernehmen erstellt. Das Parlament ist dagegen in der Regel bei solchen Maßnahmen nicht beteiligt.

Dies war auch sicherlich das Motiv für die wiederholt getroffene Aussage des Berichterstatters MdEP Medina-Ortega (SPE, SP) im Binnenmarkt- und Verbraucherausschuss, der diesen Verhaltenskodex zu vorvertraglichen Informationspflichten als Kartell der Kreditwirtschaft bezeichnete und daher dessen Umwandlung in eine Richtlinie forderte. Er hielt die Festlegung von Obergrenzen für Zinssätze für den Euro-Raum durch die Europäische Zentralbank für erforderlich.

Auch sollte es nach Meinung vieler Abgeordneter ein generelles Recht auf vorzeitige Rückzahlung des Kredites geben. In diesem Zusammenhang besteht Medina-Ortega darauf, dass der aus der vorzeitigen Vertragsauflösung entstandene Schaden dem Kreditinstitut nicht komplett erstattet werden soll. Dieser Begrenzung der Vorfälligkeitsentschädigung solle sich die Europäische Kommission ebenfalls widmen. Dies dürfe aber nicht dazu führen, dass Kredite deswegen teurer werden.

Im Bereich des Zwangsvollstreckungsrechts äußerte Medina-Ortega in den Aussprachen, dass die Europäische Kommission einen erhöhten Verbraucherschutz bei der Zwangsvollstreckung in die Wohnsitzimmobilie einführen solle. Der Verbraucher würde ansonsten mit seiner Familie sein Heim verlieren. Generell fand sich im Parlament eine Mehrheit von Abgeordneten, die allerdings erkannten, dass die Europäische Gemeinschaft für die Harmonisierung des Zwangsvollstreckungsrechts nicht zuständig ist, so dass man sich am Ende darauf einigte, lediglich an die Mitgliedstaaten zu appellieren, die Zwangsvollstreckungsverfahren schneller und effizienter zu gestalten.

Ferner forderten einzelne Abgeordnete in ihren Änderungsanträgen, dass das "Tätigwerden der EU-Kommission im Bereich des Hypothekarkredites in erster Linie sicherstellen solle, dass Hypothekarkredite Arbeitnehmern mit Zeitverträgen und Jugendlichen zugänglich sind". Begründet wurde diese Forderung damit, dass Arbeitnehmer mit Zeitverträgen eine geringe Bonität aufweisen. Bei der Diskussion um den aktuellen, mehrfach durch die Kommission revidierten Verbraucherkredit-Richtlinienvorschlag wird genau dieses sorgfältige Verhalten durch die Kreditwirtschaft unter dem Stichwort "verantwortungsvolle Kreditvergaben" geregelt.

Warum allerdings Jugendlichen der Zugang zu Hypothekarkrediten erleichtert werden soll, bleibt bislang ungeklärt. Eine britische Abgeordnete forderte die Europäische Kommission ferner auf, sich mit dem wachsenden Markt für Sharia-Recht konformen Hypotheken zu befassen und sicherzustellen, dass eventuelle Rechtsvorschriften den Anforderungen dieses Marktes Rechnung tragen.

Effektivzins-Diskussion

Der effektive Jahreszins war ebenfalls Gegenstand kontroverser Diskussionen. Während einzelne Abgeordnete diesen Zinssatz als Preisindikator zu Vergleichszwecken ansehen, waren andere wiederum der Meinung, dass in diesem Zinssatz alle Kosten einberechnet werden müssen, welche im Umfang mit der Transaktion auch außerhalb der Sphäre des Kreditinstituts anfallen. So wären Notargebühren und Steuern ebenso in den effektiven Jahreszins einzurechnen wie Versicherungskosten.

Der Verbraucher soll damit einen wahren Überblick über die Kosten der Transaktion erhalten. Ob dieser Betrag dann dem Verbraucher dazu dient, Angebote auch grenzüberschreitend vergleichen zu können, bleibt unklar. Die Diskussion um die Definition und Festlegung der Bestandteile des effektiven Jahreszinses ist eher mit einem Glaubenskrieg zu vergleichen, als mit einer inhaltlichen Auseinandersetzung um den Sinn eines solchen Indikators für den Verbraucher.

Die Bandbreite der einzelnen Positionen im Europäischen Parlament zeigt, welche Ergebnisse bei einem legislativen Tätigwerden der Europäischen Kommission möglich sind. Es bleibt zu hoffen, dass die Europäische Kommission jeden ihrer Schritte sorgfältig abwägt und keine Vorschläge erarbeitet, die letztlich nicht den politischen Willen der europäischen Institutionen widerspiegeln. In diesem Zusammenhang wären die Dienststellen der Europäischen Kommission auch an die Worte des zuständigen Binnenmarktkommissars McCreevy zu erinnern, für den bessere Regulierung auch manchmal gar keine Regulierung bedeutet.

Christian König , Geschäftsführender Direktor , Europäische Bausparkassenvereinigung, Brüssel
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