Schwerpunkt: Alternative Finanzierung

Streitpunkt Bewertung - vor allem mit den Banken

Unterschiedliche Herangehensweisen bei der Bewertung von Immobilien führen immer wieder zu Irritationen. Die Differenzen zwischen deutschen Gutachten und angelsächsischen Bewertungsverfahren sind jedoch meist nur prinzipiel ler Art, die Ergebnisse kommen sich oft erstaunlich nahe. Denn grundsätzlich basieren alle Wertermittlungen auf folgenden drei wesentlichen Ansätzen: dem Ertragswert-/Disconted-Cash-Flow-Verfahren, dem Vergleichswertverfahren und dem Sachwertverfahren. Diese Ansätze werden jedoch international oft unterschiedlich gewichtet.

Unterschiedliche Märkte unterschiedliche Ansätze

Der angloamerikanische Ansatz ist - im Vergleich zum deutschen Bewertungsmodell - deutlich weniger standardisiert und basiert stärker auf der persönlichen Einschätzung des Bewerters, zum Beispiel bei der Nutzung des Disconted-Cash-Flow-Verfahrens (DCF). Dabei agieren angloamerikanische Bewerter keineswegs willkürlich. Im Gegenteil: Ihre Bewertungen profitieren nicht zuletzt davon, dass ihnen aufgrund der hohen Transparenz der jeweiligen Märkte oft sehr umfangreiche und detaillierte Datensammlungen zur Verfügung stehen. In Deutschland spielen hingegen die Daten der Gutachterausschüsse eine große Rolle. Deren Datenbestände sind aber - abhängig vom Standort - mal mehr oder weniger lückenhaft. Bei den Gutachten wird daher häufig mit standardisierten Zu- oder Abschlägen gearbeitet. Das heißt: Auch bei deutschen Gutachten ist eine Punktlandung öfter ein Glückstreffer als gemeinhin angenommen.

Insgesamt führen die Methoden alle zu ähnlichen Ergebnissen. Der Methodenstreit und beispielsweise die Frage, ob wir einen globalen Bewertungsstandard brauchen, sind nicht zielführend. Immobilien sind ein lokales Geschäft, und daher sind auch regionale Unterschiede in der Bewertung durchaus legitim. Auch für Cross-Border-Investitionen sind die unterschiedlichen Bewertungsansätze grundsätzlich kein Problem. Hier gilt ebenfalls: Wer im Ausland investieren will, muss ohnehin die regionalen Eigenheiten des Marktes kennen. Dazu zählen auch eventuelle Besonderheiten bei der Bewertung.

Kritische Felder

Ist damit also alles in bester Ordnung? Leider nicht. Es gibt aktuell zwei kritische Felder: Das erste Feld betrifft den großen Einfluss kurzfristiger Markttrends. Die Wertermittlung ist grundsätzlich statisch. Dadurch hängt viel vom jeweiligen Bewertungszeitpunkt, insbesondere von kurz davor liegenden Transaktionen und dem aktuellen Verhältnis von Angebot und Nachfrage, ab. Ist das Transaktionsumfeld beispielsweise still, finden also nur wenige Käufe oder Verkäufe statt, werden Immobilien tendenziell niedriger bewertet. Insbesondere im angelsächsischen Raum ist dies auf die dann fehlenden Vergleichstransaktionen zurückzuführen. Es fehlt an repräsentativen Vergleichsmöglichkeiten, und so nimmt das Gewicht von "Ausreißern" und Einzelfällen zu, in denen beispielsweise ein Eigentümer zum Verkauf gezwungen war und niedrige Preise akzeptieren musste.

Im deutschsprachigen Raum basiert der Ansatz zwar stärker auf den Daten der Gutachterausschüsse, sodass das Fehlen von Vergleichstransaktionen vermeintlich eine kleinere Rolle spielt. Geringere Umsätze wirken sich hier aber indirekt auf die Bewertung aus: Die Vervielfältiger, mit denen die voraussichtlichen Mieterträge multipliziert werden, um zum Ergebnis des Wertgutachtens zu kommen, werden in transaktionsschwachen Zeiten niedriger angesetzt. Die Folge davon sind Diskrepanzen zwischen niedrigen Werten, die in schlechten Marktphasen in den Büchern stehen, obwohl sich an den zugrunde liegenden maßgeblichen Eigenschaften wie dem tatsächlichen Cash-Flow aus der Immobilie im Grunde nichts geändert hat. Dieser Widerspruch ist je nach Markt unterschiedlich stark ausgeprägt.

Zu beobachten ist ein besonderer Hang zur ausgeprägten Abwertung in schwachen Transaktionsmärkten in Osteuropa. Es gibt dort Beispiele von Immobilien, die mit 30 Prozent Wertabschlag in den Büchern stehen - obwohl sie einen tadellosen Cash-Flow aufweisen.

Dabei gilt - ebenfalls unabhängig von der Bewertungsmethode -, dass die Daten, die für die Bewertung herangezogen werden, nicht überall und in gleichem Maße transparent und verfügbar sind.

Wenn also das Pendel im Marktgeschehen umschlägt und beispielsweise die Zahl der Transaktionen sinkt, wirkt sich dies erst zeitversetzt auf die Bewertung aus. In vielen Märkten liegen Transaktionsdaten quartalsweise vor. Es gibt aber auch Märkte, in denen die Zahlen sechs Monate auf sich warten lassen oder für Teilmärkte überhaupt nicht erhoben werden. Das soll an dieser Stelle keine Wertung sein - es ist einfach eine Tatsache. Die Bewertung hinkt dem tatsächlichen Marktgeschehen hinterher, und zwar umso stärker, je intransparenter die Märkte sind.

Auswirkungen auf das Loan- to-Value-Verhältnis

Das zweite grundsätzliche Problemfeld: Die beschriebenen Diskrepanzen und auch das Problem der zeitlichen Verzögerung können enorme Auswirkungen auf die laufende Finanzierung von Immobilien haben. Wenn in den Kreditbestimmungen eine laufende Marktbewertung vorgesehen ist, das Loan-to-Value-Verhältnis zu ermitteln, kann die Bewertungspraxis insbesondere bei generell fallenden Marktwerten für Eigentümer zum Fallstrick werden. Wie bereits angedeutet, kann die Immobilie dem Bewertungsgutachten zufolge trotz starker operativer Entwicklung und optimalem Cash-Flow im Wert sinken. Es sind Beispiele bekannt, in denen Immobilien Mietrestlaufzeiten von 20 Jahren aufwiesen und die Miete eine deutlich steigende Tendenz zeigte - und die dennoch abgewertet wurden, weil das Transaktionsumfeld schwach war. Dabei gab es in diesen Fällen von der Eigentümerseite überhaupt keine Verkaufsabsichten - warum auch? Die Immobilie, als Core-Investment gekauft, entwickelte sich prächtig. Je nach konkreter Ausgestaltung der Vereinbarungen zum Loan-to-Value-Verhältnis kann die finanzierende Bank in solchen Fällen aber dennoch das Kreditvolumen reduzieren oder die Zinsen anpassen - oder den Eigentümer zwingen, Eigenkapital nachzuschießen. Die Mehreinnahmen aus der Immobilie infolge steigender Mieten können hierdurch schnell aufgezehrt werden.

Auch bei Investitionen können sich Bewertungen als unerwartetes Hindernis erweisen. Ziehen in einem Markt die Preise spürbar an, sind die Banken oft irritiert, wenn eine bestimmte Schwelle überschritten wird. Mit Blick auf das vorliegende Gutachten, das sich an den zurückliegenden niedrigen Preisen orientiert, kann es dann heißen: Sie haben zu teuer eingekauft. Bei diesem Preis können wir keine Finanzierung bewilligen.

Bewertungsdebatte mit Banken

Die Erfahrungen zeigen: Die Bewertungsdebatte sollte nicht zwischen den Gutachtern einzelner Länder geführt werden. Wir haben hier trotz unterschiedlicher Ansätze grundsätzlich ähnlich gute Ergebnisse. Etwaige kleinere regionale Unterschiede gehören zur Natur der Immobilienmärkte - einen global einheitlichen Ansatz brauchen wir nicht. Die Bewertungsdebatte sollte vielmehr mit den finanzierenden Banken geführt werden. Hier brauchen wir ein einheitliches und verlässliches Verständnis dafür, dass Immobilien vom Grundsatz her kerngesund sein können, selbst wenn Wertgutachten etwas anderes suggerieren.

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