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Türkei: Facility Management im Aufbruch

Mit dem stetigen Wirtschaftswachstum in der Türkei steigt das Interesse nationaler und internationaler Investoren am türkischen Immobilienmarkt. Mit Blick auf die rege Bautätigkeit in den zwölf Millionenstädten des Landes ergeben sich auch für die Facility-Management-Branche attraktive Chancen. "An wenigen Finanzplätzen feiern die Bullen so ausgelassen wie an der Börse am Bosporus", titelte der Focus im November 2012. Aber nicht nur die Aktien erleben im Land zwischen Europa und Asien immer neue Höchststände, sondern auch der türkische Immobilienmarkt profitiert seit Jahren vom Überschwang der Investoren.

Bauwirtschaft als ein Wachstumstreiber

Der Grund: Kaum eine Wirtschaft ist so schnell gewachsen wie die der Republik Türkei. Seit dem Amtsantritt von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan im Jahr 2002 hat sich das Bruttoinlandsprodukt (BIP) laut Statistica auf knapp 840 Milliarden Euro fast verdreifacht, während die Staatsverschuldung von 67 Prozent auf knapp 37 Prozent des BIP gesunken ist. Dabei lag das Wirtschaftswachstum des Landes mit seinen rund 75 Millionen Einwohnern im Durchschnitt bei etwa 5,5 Prozent jährlich. Im Jahr 2010 wurde ein Spitzenwert von 9,2 Prozent und 2011 ein Zuwachs von 8,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr erreicht.

Die Bauwirtschaft wirkt auch 2011 als Wachstumsmotor der türkischen Wirtschaft. Das sektorale Bruttoinlandsprodukt trug in dem Jahr mit 4,4 Prozent zur gesamten Wirtschaftsleistung bei. Das Volumen der Bauleistungen hat in 2011 laut dem türkischen Statistikamt etwa wieder den Stand von 2007 erreicht, die zwischenzeitliche konjunkturelle Delle ist also überwunden.

Die Binnennachfrage nach Bauleistungen ist in den vergangenen Jahren enorm gestiegen. Der Bau moderner Büroflächen und Shoppingcenter boomt. Ebenso werden neue, attraktive Wohnkomplexe geschaffen. In den Jahren 2010 und 2011 wurden rund 1,78 Millionen Quadratmeter Büroflächen fertiggestellt. Die Zahl der leerstehenden Bürogebäude ist weiterhin gering.

Eine Studie des Immobilienunternehmens Colliers International beziffert den Bestand an Klasse-A-Büroflächen in Istanbul in der zweiten Jahreshälfte 2011 auf etwa zwei Millionen Quadratmeter. Die Autoren der Studie rechnen in den kommenden zweieinhalb Jahren mit einem zusätzlichen Angebot von rund 780 000 Quadratmetern. Der größte Teil davon werde in den zentralen Stadtteilen Levent und Maslak entstehen.

Neben türkischen haben auch zahlreiche europäische und arabische Anleger in der Türkei investiert, insbesondere in Einzelhandelsimmobilien. So plant beispielsweise Emaar Properties (Vereinigte Arabische Emirate) in Libadiye, im asiatischen Teil Istanbuls, das "New Istanbul Shoppingcenter", das mit 130 000 Quadratmeter Verkaufsfläche das größte in der östlichen Hälfte der türkischen Metropole sein dürfte. Die Eröffnung ist für 2014 vorgesehen.

Die Planung, Kontrolle und Bewirtschaftung der Gebäude, Anlagen und Einrichtungen machen auch in der Türkei ein professionelles Facility Management (FM), das eine hohe Verfügbarkeit der Gebäudetechnik sowie der gesamten Flächen zum Ziel hat, unerlässlich. Aufgrund der Errichtung vieler neuer und komplexer Bürogebäude rückt für die Investoren das Facility Management zunehmend in den Fokus, um durch die nachhaltige Bewirtschaftungsprozesse den Payback des Investments sicherzustellen. Oftmals wird bei der Gebäudetechnik auch nach deutschen Standards gebaut, die zu Kooperationen mit deutschen Dienstleistungsunternehmen bei der Bewirtschaftung führt. Umweltschonende Bauweisen und Ausstattungsmerkmale gewinnen in der Türkei zunehmend an Bedeutung.

Auslandsaktivitäten der FM-Branche

Mit Blick auf den fortschreitenden Konzentrationsprozess und Margenverfall auf dem heimischen Markt ist es für deutsche FM-Unternehmen zunehmend wichtiger, ihre Dienstleistungen und ihr Know-how auch auf internationalen Märkten anzubieten. Mit dem Einstieg in ausgewählte Auslandsmärkte entsprechen die Unternehmen aber auch dem Wunsch ihrer international agierenden Kunden, sie ins Ausland zu begleiten und ihnen das Dienstleistungsspektrum über Deutschland hinaus anzubieten.

Nach der aktuellen Lünendonk-Studie ist deutlich mehr als die Hälfte aller führenden FM-Dienstleister in Deutschland auch im Ausland präsent. Im Geschäftsjahr 2011 lag die Summe der Inlandsumsätze der 25 größten Facility-Service-Unternehmen bei 9,04 Milliarden Euro (2010: 8,6 Milliarden Euro). Zusätzlich zu ihren Aktivitäten mit Kunden im Inland erzielten die Top 25 Auslandsumsätze in Höhe von 2,04 Milliarden Euro (2010: 2,05 Milliarden Euro). Das entspricht einer durchschnittlichen Exportquote von FM-Dienstleistungen an den Gesamtumsätzen von 18 Prozent. Dabei sind infrastrukturelle Leistungen (IGM) ebenso Bestandteil des Exports wie die technische Gebäudemanagement-Leistungen (TGM).

Bei ihren Auslandsaktivitäten bevorzugen die deutschen FM-Dienstleister verwandte Märkte in Europa mit einem gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsraum sowie einer geografischen und kulturellen Nähe. Dazu zählen vor allem Österreich und die Schweiz, aber ebenso die Beneluxländer sowie die Länder Skandinaviens. Hier gelten für den Gebäudebetrieb ähnliche nationale Vorschriften, Richtlinien und vergleichbare Bewirtschaftungsprozesse wie in Deutschland. Auch ist die Wettbewerbssituation mit der heimischen vergleichbar. In diesen bereits stark entwickelten Märkten sind die Markteintrittsbarrieren jedoch entsprechend hoch.

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen einem Developed Market (zum Beispiel Deutschland, Niederlande), einem Emerging Market (Polen, Tschechien) und einem Pre-Emerging-Market (Türkei), in dem die Bedeutung der FM-Dienstleistungen am Bruttosozialprodukt noch gering ist. Das Gebäudemanagement wird dort meist "inhouse" erbracht; das heißt der Outsourcing-Grad, die organisatorische Verlagerung der Dienstleistungen auf externe Dritte, ist noch relativ niedrig.

Expansion ins Ausland

Die RGM Gruppe ist in ausgewählten Märkten Europas präsent. Dabei konzentriert sie sich auf

- Länder mit einem hohem "Verwandtschaftsgrad", das heißt mit ähnlichen Regularien, Gesetzen und einer vergleichbaren Business-Kultur,

- Emerging Markets, die hohes Wachstumspotenzial und attraktive Renditen versprechen sowie

- Länder, die zur Strategie des Unternehmens passen.

Derzeit beschäftigt die RGM im Ausland 120 Mitarbeiter, die eine Bruttogeschossfläche von mehr als 500 000 Quadratmeter betreuen. Insbesondere in den Emerging Markets ist bei technischen Gebäudemanagement-Leistungen das ingenieurwissenschaftliche Know-how "Made in Germany" gefragt.

Bereits im Jahr 2010 hat RGM im Rahmen eines Joint Ventures mit der türkischen Nurol Holding Inc. den Grundstein für eine Expansion in die Türkei gelegt. Nurol gehört zu den großen eigentümergeführten Bau- und Mischkonzernen in der Türkei. Dienstleistungsschwerpunkt des Unternehmens ist das technische FM für ausgewählte Gewerbe- und Spezialimmobilien in den Großräumen Istanbul und Ankara.

Derzeit betreut die RGM Turkey in Istanbul diverse Büroimmobilien, zum Beispiel das Nurol Plaza (55 000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche) in Maslak und die Eureko-Zentrale (8 000 Quadratmeter) im asiatischen Teil der Stadt sowie das Mesa Nurol Sazlibahce mit 182 Wohneinheiten. In Ankara wird die Mischimmobilie Nurol Residence (19 000 Quadratmeter) bewirtschaftet.

In der Türkei erbringt die RGM technische Dienstleistungen mit eigenem Personal. Reinigungs- und Sicherheitsdienste sowie Gartenarbeiten werden von externen Dienstleistern am Markt eingekauft. Dabei bleibt die kaufmännische Verwaltung der Gebäude meist in den Händen der Eigentümer. Erste Tendenzen zur Fremdvergabe auch dieser Dienstleistungen an einen professionellen Immobilien-Dienstleister zeichnen sich jedoch ab.

Die größten Anreize einer Internationalisierung für ein deutsches FM-Unternehmen sind die steigende Wettbewerbsfähigkeit und die Gewinnung zusätzlicher Marktanteile. Gleichwohl verschärft sich auch der Wettbewerb durch Internationalisierung, Unternehmenszusammenschlüsse und Kooperationen zwischen globalen und lokalen Akteuren. "Wenn internationale Unternehmen auf einem lokalen Markt Fuß fassen wollen, tun sie dies mittels Kooperationen - meistens sind dies Akquisitionen - mit lokalen Anbietern", heißt es in einer Studie der Interconnection Consultings.

Jeder Gebäudemanager, für den sich die "Diversifizierungsfrage" stellt, sollte sich daher einen kompetenten lokalen Partner mit qualifizierten Mitarbeitern und überzeugenden Performance-Fak toren wie Produktivität und Prozessqualität suchen. Der Eintritt deutscher FM-Anbieter in Auslandsmärkte sollte also entweder operativ, durch Begleitung des Kunden bei dessen internationalen Aktivitäten, oder strategisch durch Zukäufe ausländischer im Markt agierender Partner beziehungsweise entsprechender Beteiligungen erfolgen.

Servicetransfer durch qualifiziertes Personal

Wurde ein geeigneter Partner gefunden, sollte das operative Auslandsgeschäft im ersten Schritt einem erfahrenen Manager aus den eigenen Reihen übertragen werden, der den Know-how-Transfer überwacht und die Bewirtschaftung von komplexen Immobilien und Liegenschaften durch das lokale Management begleitet.

Der Aufbau einer eigenen Fachabteilung findet also nur bedingt statt. Der heimische FM-Dienstleister stützt sich vielmehr auf den Partner vor Ort und auf die fakultative Bereitstellung von Mitarbeitern mit Spezialwissen im Ausland. Wichtigstes Ziel ist es, gemeinsam mit dem ausländischen Partner den gleichen Service anbieten zu können wie die Muttergesellschaft in Deutschland. Um dies verwirklichen zu können, gilt es, Kostenund Know-how-Vorteile gegenüber dem Wettbewerb im Zielland zu gewinnen. Dies gelingt durch hohes Prozess-Knowhow, ausgereifte IT-Systeme sowie qualifiziertes Personal, welches den Servicetransfer herstellt.

Durch die fortschreitende Globalisierung und damit verbundener Standardisierung werden an unterschiedlichen Standorten immer gleiche Bedingungen benötigt. Dies gilt mittlerweile nicht nur für Produktionsprozesse, sondern auch für die Bewirtschaftung und nachhaltige Pflege von Immobilienbeständen. Hier ist das FM gefordert, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen. Mit Blick auf das prognostizierte Wirtschaftswachstum scheint momentan besonders der türkische FM-Markt für deutsche Unternehmen attraktiv zu sein.

Infolge steigender Energiepreise, Personalkosten und der Errichtung komplexer Bauvorhaben werden FM-Dienstleistungen in der Türkei vermehrt an spezialisierte Dienstleistungs-Unternehmen vergeben. Investoren lassen sich mittlerweile auch davon überzeugen, die operativen Immobilien-Dienstleistungen aus einer Hand einzukaufen.

Fritz-Klaus Lange , Vorsitzender des Vorstandes, Gegenbauer Holding SE & Co. KG, Berlin
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