Kirche und Immobilien

Umnutzung von Kirchen was ist machbar?

Seit 1990 wurden nach Angaben der Deutschen Bischofskonferenz mehr als 300 Kirchen geschlossen und in den nächsten zehn Jahren könnten rund 700 dazukommen. Nicht nur Kirchen, sondern auch Kindertagesstätten, Bildungs- und Sozialeinrichtungen sind vom Sparprogramm der Kirche betroffen. Die Kirche möchte somit die laufenden Kosten für Bewirtschaftung und Bauerhalt verringern. Eigentümer der Kirchen sind meist die Gemeinden selbst.

Sollten sie einen Verkauf beabsichtigen, wird vorerst der Käufer und dessen neues Nutzungskonzept genau geprüft, aber eingeengt durch Richtlinien des Denkmalschutzes ist die klassisch renditeorientierte Umnutzung einer Kirche eher problematisch, zumal es sich dabei um einen "speziell auf den christlichen Kultus ausgerichteten" Baukörper handelt.

Erst wenn vollständig von der sakralen Nutzung Abstand genommen wird, ist die Spezialimmobilie Kirche auch für einen größeren Kreis von Investoren interessant.

Eine Markteingrenzung

Die beiden großen Konfessionen in Deutschland stellen naturgemäß den Hauptteil der Sakralgebäude. Trotz kaum öffentlich zugänglicher Informationen kann von folgenden Näherungswerten ausgegangen werden: Der Baubestand der Katholischen Kirche in Deutschland umfasst etwa 60 000 Gebäude. Davon sind 24 500 Kirchen und frei stehende Kapellen, wovon etwa ein Drittel aus dem 20. oder 21. Jahrhundert stammt. Der Gebäudebestand der Evangelischen Kirchen in Deutschland: 21 000 Kirchen, 3 148 Gemeindezentren mit Gottesdiensträumen.

Öffentlich zugänglichen Quellen der beiden Glaubensgemeinschaften zufolge wird der Renovierungsbedarf auf fast sechs Milliarden Euro geschätzt. In Brandenburg und Berlin sind von 2 130 Kirchen und Kapellen rund sechshundert in sehr kritischem Zustand. In Hamburg stehen laut Aussage des Oberbaudirektors von 127 denkmalswürdigen Kirchen 35 auf der schwarzen Liste. Im katholischen Bistum Essen sollen laut Pressemeldungen über 100 Kirchen geschlossen werden. Betroffen sind vor allem Großkirchen aus dem 19. Jahrhundert und Nachkriegsneubauten.

Zum Immobilienbesitz der beiden großen Konfessionskirchen gehören neben Kirchen und Pfarrzentren auch zahlreiche karitative und soziale Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen, Pflegeheime und Krankenhäuser sowie unbebaute Grundstücke. Für diese Immobilien ist der Handlungsdruck ziemlich groß, aber auch vielfältig. Viele karitative und soziale Einrichtungen können nicht weitergeführt werden, weil die hierzu erforderlichen Subventionen fehlen. Etliche Alten- und Pflegeheime entsprechen nicht mehr den heutigen Anforderungen und verursachen dadurch zusätzliche Kosten.

Umnutzungen beziehungsweise auch die vollständige Aufgabe der kirchlichen Funktion gibt es schon seit Jahrhunderten. Eine starke Profanierungswelle erlebte das damalige Deutsche Reich bereits unter Napoleon. Man denke auch an die Paulskirche in Frankfurt, in der 1848 die Nationalversammlung zustande kam oder in der heutzutage zum Beispiel der Friedenspreis des deutschen Buchhandels verliehen wird. Allerdings verbergen sich unter den alarmierenden Überschriften der letzten Jahre oftmals gar keine Sakralgebäude im eigentlichen Sinne, sondern Pfarr- oder Gemeindehäuser. Nicht überall, wo ein Verkauf ansteht, handelt es sich auch um eine klassische Kirche.

Hohe Betriebskosten und geringe Auslastung

Die Gründe für diese Entwicklung lassen sich kurz zusammenfassen: Hintergrund ist, dass in Zeiten einer gut gesicherten kirchlichen Finanzierung und wachsender Städte vor allem aufgrund der Kriegsflüchtlinge nach dem 2. Weltkrieg vielerorts sehr großzügig Kirchen und Pfarrheime gebaut wurden. Hinzu kommt, dass ein großer Teil dieser Kirchenbauten sanierungsbedürftig ist. Die Bausubstanz ist zwar in vielen Fällen noch zufriedenstellend, aber die anfallenden Betriebskosten stehen in keinem Verhältnis zur - oftmals nur temporären - Auslastung und Nutzung der Kirchen.

Von Sanierungsmaßnahmen betroffene Kirchen stammen oft aus dem Bau-Boom der sechziger Jahre, aber auch Kirchen aus dem 19. Jahrhundert, geschützte Baudenkmäler, zählen dazu. Nachkriegsbauten wurden meist als Betonbauten oder Mischkonstruktionen mit häufig schlechten Materialqualitäten errichtet. Daher besteht hier ein enormer Sanierungs- und Wartungsaufwand (alle 25 bis 30 Jahre), wohingegen die Wartungsintervalle bei Gründerzeit- und Ziegelkirchen bei 75 bis 100 Jahren liegen.

Die bisherige Erfahrung zeigt, dass eine nur auf Rendite orientierte Nutzung zielende Strategie zumeist scheitert, von Extrembeispielen wie reinen Hotelnutzungen abgesehen. Daher sollte eher die Frage gestellt werden, ob nicht zunächst die Nutzung des Sakralgebäudes intensiviert werden könnte. Verträgliche Umnutzungen im Sinne des Denkmalschutzes sind substanzschonende, museale Nutzungen, in deren Verlauf keine Eingriffe in die Baumasse getätigt werden und die nur mobile Einbauten in den Sakralraum zulassen. Hier aber wird die renditeorientierte Funktion verlassen. Erst wenn vollständig von der sakralen Nutzung Abstand genommen wird, ist die Spezialimmobilie Kirche auch für einen größeren Kreis von Investoren interessant.

Unterscheiden kann man drei Konzepte:

- teilweise kirchliche Nutzung, teilweise Nutzung für Veranstaltungen, Ausstellungen oder ähnliches der Gemeinde und

- die Entwidmung, aber keine renditeorientierte Nutzung; Museen, Umbau zu gemeinnützigen Wohnungen oder Einrichtungen.

- Die rein gewinnorientierte Nutzung wie zum Beispiel in Form von Erholungseinrichtungen. Jede Nutzungsart, die dem Image und der Geschichte der Kirche entgegensteht, sollte dabei allerdings sehr kritisch gesehen werden. Urheberrechtliche Inhalte müssen bei der Umgestaltung im Kircheninneren beachtet werden. Zumal auch das Kirchenrecht vorschreibt, dass das Gotteshaus zwar einem profanen, nicht aber einem "unwürdigen" Gebrauch dienen darf.

Baulich-nutzungstechnische Aspekte

In der Regel verfügen Kirchen über eine solide Baukonstruktion, natürlich nur ihrer Verwendung als Kirche entsprechend. Baumaßnahmen im Rahmen einer Umnutzung sollten möglichst reversibel gestaltet werden, damit künftige Generationen die Kirchenräume ihrer eigentlichen Bestimmung wieder zuführen könnten. Um diese Solidität aufrecht zu erhalten, ist eine regelmäßige Kontrolle der Gebäude inklusive Reparaturen beginnender Bau- und Ausstattungsschäden erforderlich.

Die Anpassung und der Umbau des vorhandenen Raumbedarfs mit neuer Elektronik, Heizungssystemen und Sanitäreinrichtungen sind sehr kostenaufwendig. Umgestaltungen und Umbauten von Kirchen gehören mit zu den anspruchsvollsten Aufgaben für Architekten und Bauherren, denn viele einzelne Gesichtspunkte und ihre sehr komplexen Zusammenhänge müssen berücksichtigt werden. Davon betroffen sind insbesondere die bauphysikalischen Faktoren Wärme-, Schall- und Brandschutz.

Kirchen erfüllen oft nicht die Anforderungen an einen ausreichenden Wärmeschutz. Die Folgen sind hohe Heizkosten. Aber Wärmedämmmaßnahmen sind teuer und noch dazu bauphysikalisch nicht ganz unproblematisch. Wenn anschließend nicht eine intensivere Nutzung des Kirchengebäudes erfolgt, ist der Umbau wirtschaftlich nicht vertretbar. Für den Schallschutz und die Akustik gilt das Gleiche. In Kirchen muss man meistens mit großen Nachhallzeiten rechnen, was aber eine ungünstige Situation für die Verständlichkeit des gesprochenen Wortes bedingt.

Beim Brandschutz geht es vorrangig um den Schutz von Personen und erst danach um den Schutz von Gebäuden. Im Hinblick auf eine mögliche Fremdnutzung durch Dritte (Vermietung) empfiehlt es sich, den Brandschutzbestimmungen nachzukommen. Die richtige Belüftung eines Kirchenraumes ist aus hygienisch-gesundheitlichen Gründen wie auch in bauphysikalischer Hinsicht von Bedeutung. Einzelne Gemeinderäume innerhalb der Kirche sollten unabhängig vom Rest beheizt werden können. Rücksicht nehmen muss man bei der Kirchenbeheizung auf wertvolle Deckenmalereien und andere Kunstwerke, bei denen die Gefahr besteht, dass sie austrocknen und beschädigt werden.

Alle baulichen Veränderungen sollten nach Möglichkeit rückbaufähig sein. Die Eingriffe in die historische Substanz sind kleiner und damit sowohl kostengünstiger als auch denkmalpflegerisch vertretbar. Zudem werden sie von der Gemeinde eher akzeptiert, da Optionen für zukünftig andere Ansprüche und Notwendigkeit erhalten bleiben. Glaswände sind in diesem Zusammenhang ein beliebtes Ausbauelement bei Umnutzungen, denn sie beeinträchtigen die Gesamtwirkung des Kirchenraumes kaum. Nachteilig sind hohe Anschaffungskosten, Pflegeaufwand und Sicherheitsprobleme. Bei allen Eingriffen oder bei veränderten Nutzungen ist die Bausubstanz, das öffentliche Baurecht wie Landesbauordnung und Denkmalschutzgesetz zu beachten.

Durch eine mögliche Konservierung kann vorerst auch eine Bedenkzeit erreicht und eventuell eine Umnutzung oder ein Abriss umgangen werden. Auch der Abriss für einen möglichen Neuanfang ist aus der Geschichte der Kirche als weitere Option bekannt. Von großem Wert sind oft die Grundstücke, auf denen sich die Kirchbauten, vor allem die in größeren Städten, befinden. Ihre Lage mitten in den Stadtteilen und ein dementsprechendes Einzugsgebiet sowie Fußgängerfluktuation machen die Grundstücke, natürlich nur nach einem Abriss der Kirchengebäude, interessant für eine Vielzahl von Investoren.

Erheblicher Renovierungsbedarf Bei der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburg-Vorpommern ist fast jedes fünfte der insgesamt 680 Kirchengebäude einsturzgefährdet. Eine Notsicherung wäre nur durch eine Finanzspritze von 24, 5 Millionen Euro möglich, wohingegen sich der gesamte Baubedarf an Kirchengebäuden auf 330 Millionen Euro beläuft. Als kleiner Vergleich: Im vergangenen Jahr wurden für die Sanierung von Kirchen und Pfarrhäusern rund 14 Millionen Euro ausgegeben.

Bestimmte Kirchen sind von dieser Problematik weniger betroffen, denn sie unterliegen der sogenannten Staatsbaulast, das heißt, die anfallenden Kosten bei Renovierungen der äußeren wie inneren Bauschale werden von staatlicher Seite übernommen. Hierzu zählen zum Beispiel der Bamberger oder der Regensburger Dom. Die 27 katholischen Bistümer investieren pro Jahr mehr als 400 Millionen Euro zum dauerhaften Erhalt dieser Kulturgüter; zugleich sinkt der staatliche Zuschuss.

In den meisten Bundesländern liegt er inzwischen bei weniger als fünf Prozent der tatsächlichen Kosten pro Maßnahme. Die katholischen Kirchen unseres Landes stammen aus nahezu eineinhalb Jahrtausenden. Allein zwanzig von ihnen sind als Einzelbauten (wie der Hildesheimer oder der Kölner Dom) oder im städtischen Ensemble (wie seit 2006 der Regensburger Dom als Teil der als schützenswert eingestuften historischen Altstadt) Unesco-Weltkulturerbestätten.

Nur selten gibt es ein professionelles Management für die Vermietung von Kirchengebäuden. Durch die Vielzahl von unterschiedlichsten Raumangeboten bietet sich ein zentralisiertes Management an. Als Vermietungs-Nutzungskonzepte sind kulturelle Veranstaltungen, Empfänge, Galas, Firmenpräsentationen, Betriebsversammlungen, Vorträge und Seminare vorstellbar. Das Ganze müsste um ein individuell abgestimmtes Event-Management erweitert werden, welches sich den Kundenwünschen annimmt und marktorientiert arbeitet.

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