60 Jahre Immobilien& Finanzierung

Der unklare Begriff "Wohneigentumsquote"

Nicht nur in der wohnungswirtschaftlichen Literatur, sondern auch in den Tageszeitungen wird immer wieder darauf hingewiesen, dass Deutschland und die Schweiz die niedrigste Wohneigentumsquote in Europa haben. In Deutschland liegt sie bei 43 Prozent. Unter dem Begriff "Wohneigentumsquote" werden drei Sachverhalte subsummiert: Die Haushaltsbasis, die Personenbasis und schließlich der juristische Eigentumsbegriff. Jede dieser drei Berechnungsmethoden führt zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Der Unterschied zwischen der Haushalts- und Personenbasis

Bei der Ermittlung der Wohneigentumsquote kommt es darauf an, ob es sich um das selbst genutzte oder um das juristische Eigentum handelt, das nicht selbst genutzt wird. Beim selbst genutzten Wohneigentum unterscheidet man zwischen der haushalts- und der personenbezogenen Basis.

- Die Haushaltsbasis: Es wird die Anzahl der Haushalte, die im selbst genutzten Wohneigentum wohnen, der Gesamtzahl der Haushalte gegenübergestellt. Der so ermittelte prozentuale Anteil gilt dann als (selbst genutztes) Wohneigentum.

- Die Personenbasis: Hierbei wird eine Relation aus der Anzahl der Personen im selbst genutzten Eigentum und der gesamten Bevölkerung gebildet. Der so ermittelte prozentuale Anteil gilt dann als (selbst genutztes) Wohneigentum.

Entscheidendes Kriterium ist die Nutzung der Wohnung, nicht die Rechtsverhältnisse. In beiden Fällen handelt es sich um das selbst genutzte Wohneigentum, bei dem das juristische Eigentum und der Nutzungsvorgang identisch sind. Die personenbezogene Eigentumsquote liegt nahezu zehn Prozentpunkte höher als die haushaltsbezogene. In absoluten Zahlen bedeutet dieses, dass es 42,5 Millionen Selbstnutzer gibt, aber nur 40 Millionen Mieter. Bereits in elf von 16 Bundesländern lebt die Hälfte der Bevölkerung oder der deutlich größere Anteil in den eigenen vier Wänden. Auch in Ostdeutschland dominiert Thüringen mit 57 Prozent und liegt damit vor Niedersachsen und Schleswig-Holstein.

In der Regel ist die Wohneigentumsquote auf Haushaltsbasis niedriger als diejenige auf Personenbasis, da nur die Haushalte, nicht die Kopfzahl gezählt werden. Bei der Quote auf der Personenbasis ist die Singularisierung zu berücksichtigen, da Einzelpersonen als Folge von Erbschaft, Ehescheidung oder Tod des Ehepartners das Eigenheim oder die Eigentumswohnung weiter nutzen, auch Lebensgemeinschaften ziehen nicht immer zusammen, sondern nutzen ihre eigenen vier Wände.

Dass Deutschland mit nur 43 Prozent Eigentumsquote im europäischen Vergleich ungünstig abschneidet, hat zwei gravierende Ursachen: Die (alte) Bundesrepublik musste rund 14 Millionen Flüchtlinge und Vertriebene aufnehmen, die ihr Wohneigentum verloren hatten. Zunächst mussten sie mit (Miet-)Wohnraum versorgt werden, erst später kam die Wohneigentumsbildung. Mit der Wiedervereinigung Deutschlands sank die gesamtdeutsche Quote, weil das individuelle Wohneigentum in der ehemaligen DDR nur gut 25 Prozent ausmachte, nunmehr wohnen 37 Prozent der Haushalte und 45 Prozent der Personen in den eigenen vier Wänden. Die Schweiz ist geradezu das klassische Beispiel dafür, dass zwischen der Selbstnutzung und dem juristischen Wohneigentum ein wesentlicher Unterschied besteht.

Das juristische Wohneigentum

Es wird der Begriff Wohneigentumsquote gebraucht, der juristischen Ursprungs ist: Im BGB (Bürgerlichen Gesetzbuch) ist der Begriff Eigentum in § 903 definiert, es ist das umfassendste Herrschaftsrecht an einer Sache. Der Begriff Wohneigentumsquote beinhaltet einen zentralen juristischen Begriff, der sich nicht auf die Nutzung der Wohnung bezieht. Der Unterschied zwischen der haushalts- oder personenbezogenen und der juristischen Quote soll durch das folgende Beispiel erläutert werden.

Ein Student studiert in Köln oder München, er wohnt in einem Studentenwohnheim, er ist somit Mieter. Sein Vater, ein Arzt oder Rechtsanwalt, wohnt in Hamburg in einem Eigenheim und ist Eigentümer von zehn Miet- oder Eigentumswohnungen; der Vater stirbt, der Sohn ist Alleinerbe. Da er im Studentenwohnheim wohnt, wird er statistisch als Mieter ausgewiesen, die von ihm geerbten elf Einheiten in Hamburg werden nicht gezählt.

Es gibt andere Fälle, dass ein Haushalt zur Miete wohnt, als Kapitalanleger ein oder zwei Eigentumswohnungen gekauft und vermietet hat, zum Beispiel um seine Miete zu finanzieren und um für das Alter vorzusorgen. Auch in diesen Fällen wird der Wohnungseigentümer statistisch als Mieter ausgewiesen. Diese Beispiele belegen, dass das juristische Wohneigentum quantitativ wesentlich größer ist als das selbst genutzte Wohneigentum.

Das Statistische Bundesamt hat 2000 die Broschüre "50 Jahre Wohnen in Deutschland - Ergebnisse aus der Gebäude- und Wohnungszählung, Stichproben, Mikrozensuserhebungen und Bautätigkeitsstatistiken" herausgegeben. Die Tabelle zeigt die Eigentümergruppen. Das Statistische Bundesamt hat hinsichtlich der Eigentumsstruktur zwischen dem privaten, dem kommunalen beziehungsweise staatlichen und dem unternehmerischen Wohneigentum unterschieden. In diesem Zusammenhang ist das private Wohneigentum von Interesse.

Im früheren Bundesgebiet entfielen 1961 auf das private Eigentum 76,5 Prozent, 1972 waren es 77,4 Prozent, 1987 79,5 und 1993 sogar 81,1 Prozent des gesamten Wohnungsbestandes. Bemerkenswert ist: Das juristische Wohneigentum liegt mit 75 Prozent wesentlich über der selbst genutzten haushalts- oder personenbezogenen Quote und ist seit 1961 kontinuierlich gestiegen. In den neuen Bundesländern einschließlich Berlin-Ost belief sich die juristische Quote 1993 auf 39,7 Prozent, in Gesamtdeutschland 1993 auf 73,3 Prozent. Man kann unterstellen, dass seit 1993 die juristische Quote - ähnlich wie seit 1961 - gestiegen ist und mindestens 75 Prozent beträgt.

Wird in Zukunft das rechtliche Wohneigentum stärker als das selbst genutzte zunehmen? Die Singularisierung wird nicht nur durch die Verhaltensweisen der jüngeren Generation - Lebensabschnittsgemeinschaften statt Eheschließungen, hohe Scheidungsrate und so weiter -, sondern auch durch die Anforderungen der Globalisierung und des dynamischen Arbeitsmarktes begünstigt. Die Bediensteten der internationalen Institutionen - der UNO, der EU, der NATO, des diplomatischen Dienstes - befinden sich während ihres aktiven Berufslebens auf wechselnden Auslandsposten, dieses gilt auch für die leitenden Mitarbeiter weltweit operierender Konzerne. Selbst in nationalen Unternehmen sind Versetzungen durchaus üblich.

Selbst wenn es die Finanzlage erlaubt, wird nicht Wohneigentum - Eigenheim oder Eigentumswohnung - gekauft und bezogen, da dieses eine zu starke Bindung an den Standort verursacht. Das bedeutet, dass Umzüge psychologisch schwieriger werden und Karrieren behindern. Um auf dem Arbeitsmarkt mobil zu bleiben, bevorzugt man eine Mietwohnung, kauft im Zeitablauf Eigentumsobjekte, die vermietet werden. Je stärker die Globalisierung und die Dynamik der Arbeitsmärkte werden, desto größer wird die Neigung, während der aktiven Zeit zur Miete zu wohnen und daneben Teile des Sparkapitals in Wohneigentum anzulegen. Dieses gilt insbesondere für mittlere und höhere Beamte beziehungsweise Manager. Wenn diese Diagnose zutreffen sollte, dann wird in Zukunft der Anteil des rechtlichen Wohneigentums stärker als der des selbst genutzten wachsen, zumal es sich um einkommensstarke Haushalte handeln dürfte.

Die Wohneigentumsquote kann einmal von der Nutzung her und zum anderen als juristische Kategorie ermittelt werden. Nicht nur in Deutschland ist es üblich, die Haushaltsbasis heranzuziehen, mit dem Ergebnis, dass nur rund 43 Prozent in ihrem Wohneigentum leben; würde man die personenbezogene Variante verwenden, dann wären es rund 52 Prozent. Dagegen liegt das rechtliche Wohneigentum bei mindestens 75 Prozent.

Genauere begriffliche Abgrenzung nötig

Der häufig gebrauchte Hinweis, dass die Schweiz eine noch niedrigere (selbst genutzte) Quote habe, ist gleichfalls unzutreffend; denn 1990 belief sich das rechtliche Eigentum auf 86,5 Prozent an den Wohngebäuden und 68,8 Prozent an den Wohnungen. Auch in der wohlhabenden Schweiz wohnen viele Wohnungseigentümer zur Miete und vermieten ihr Eigentum.

Es ist empfehlenswert, dass sowohl in der Wissenschaft als auch in der Wohnungswirtschaft begrifflich sauber zwischen dem juristischen und dem Nutzungsbegriff unterschieden wird. In den Publikationen müsste es künftig heißen, dass mindestens 75 Prozent des Wohnungsbestandes rechtlich Privaten gehört, dass aber nur 43 Prozent der Haushalte beziehungsweise 52 Prozent der Personen in ihrem Eigentum wohnen. Dies wäre nicht nur korrekt, sondern würde auch die Diskussion um die niedrige Eigentumsquote entschärfen.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X