Im Blickfeld

Unsinnige Reflexe

Nahezu reflexartig wird in Deutschland nach steuerlichen Vergünstigungen gerufen, wenn irgendwo Investitionsanreize geschaffen werden sollen. Das ist unsinnig. Jüngstes Beispiel ist die steuerliche Förderung von energetischen Baumaßnahmen. Speziell im Geschäftsfeld Wohneigentum für Haushalte, die nur über geringe finanzielle Mittel verfügen sogenannte Schwellenhaushalte - ist eine steuerliche Förderung nur bedingt zweckmäßig, denn sie würde erst zeitverzögert greifen. Gerade Schwellenhaushalte aber sind zu Beginn des Eigentumserwerbs auf Unterstützung angewiesen. So verwundern auch die Ergebnisse einer Emnid-Umfrage im Auftrag der BHW wenig: Zinsvergünstigte Darlehen und direkte Zuschüsse, etwa für kinderreiche Familien, sind bei den Deutschen deutlich beliebter als Steuerförderungen.

Hamburg zeigt, wie man erfolgreich Investitionsanreize setzt: Die Stadt gilt seit langem als eine der deutschlandweit vorbildlichsten Städte beim Thema Wohneigentumsförderung. Bereits vor der Krise verzeichnete die Hansestadt bezogen auf die Einwohnerzahl die höchste Neubauförderung. Auch ist festzustellen, dass die Hamburger häufiger als andere energieeffizienter bauen. Die Mehrkosten werden offensichtlich durch Förderungen besser aufgefangen als an anderen Standorten. Selbst Schwellenhaushalten ist es oft möglich, die Mehrkosten für energetische Maßnahmen zu bewältigen.

Über die hundertprozentig staatliche Hamburgische Wohnungsbaukreditanstalt (WK) sieht Hamburg zinsgünstige Baudarlehen und Zuschüsse für Neubauten zur Eigennutzung vor. Allein 2011 stellt die Stadt Hamburg 122,5 Millionen Euro für die Wohnungsbauförderung bereit. Gefördert werden Haushalte, deren Einkommen unterhalb eines bestimmten Jahreseinkommens liegen - bei einem Vier-Personen-Haushalt beispielsweise unter etwa 69400 Euro brutto. Die Höhe des Darlehens richtet sich nach der Anzahl der im Haushalt lebenden Personen und nach einem von der Einkommenshöhe abhängigen Darlehenssatz. Außerdem kann das Darlehen um einen Familienzuschlag erhöht werden, für eine Familie mit zwei Kindern um 20000 Euro. Energieeffizientes Bauen wird zusätzlich begünstigt: Ein Neubau im Energiestandard Effizienzhaus 70 wird mit 100 Euro je Quadratmeter Wohnfläche gefördert, ein Effizienzhaus 40 und ein Passivhaus mit 240 Euro. Es ist sinnvoller, erwiesenermaßen erfolgreiche Modelle wie das in Hamburg auch für andere

Standorte zu übernehmen, statt reflexartig nach Steuervergünstigungen zu rufen. So könnten die bundesweiten Förderprogramme wie das der KfW-Bank aufgestockt werden. Für Eigennutzer wäre dies wahrscheinlich ohnehin der bessere Weg. Diesen beschreitet man aber wohl erst, wenn die steuerliche Förderung endgültig gescheitert ist.

Nils Olov Boback, Geschäftsführer, NCC Deutschland GmbH, Fürstenwalde

Noch keine Bewertungen vorhanden


X