Ausland

US-Wohnimmobilien: Apartments statt Eigenheime

Hans-Werner Sinn hat die Subprime-Krise mit der Explosion einer Atombombe verglichen. Von den Schockwellen der Detonation, so der Leiter des Münchener Ifo-Institutes, sei letztlich die gesamte Weltwirtschaft erfasst worden. Der Vergleich trifft - und das nicht nur beim Blick auf die Weltwirtschaft, sondern auch bei der Analyse des Anlageverhaltens vieler Immobilieninvestoren: So sieht die Mehrheit der deutschen Investoren den US-Wohnimmobilienmarkt noch immer als kontaminiertes Terrain, auf dem es viele Risken aber kaum Chancen gibt. Eine solche Sichtweise wird von den derzeit schwachen US-Wirtschaftsdaten gestützt. Sie verstellt jedoch den Blick auf die Chancen, die sich in einigen Segmenten und ausgesuchten Standorten bieten. Vor allem die Mietwohnungsmärkte in den Wirtschaftzentren des Südens und den Küstenmetropolen profitieren von sinkenden Eigentumsquoten und vom demografischen Wachstum in den USA.

Die Einwohnerzahl San Antonios (Texas) wächst beispielsweise jährlich um durchschnittlich zwei Prozent. Phoenix (Arizona) verzeichnet jedes Jahr ein Bevölkerungsplus von drei bis 3,5 Prozent. Die starken Zuwächse in den Städten nahe der mexikanischen Grenze gehen zum großen Teil auf den Zuzug lateinamerikanischer Einwanderer zurück. Doch nimmt die US-Bevölkerung auch geburtenbedingt und durch die wachsende Lebenserwartung jährlich um rund zwei Millionen Menschen zu. Hinzu kommt, dass immer mehr Amerikaner auf ein eigenes Heim verzichten und eine Mietwohnung beziehen. In den vergangenen sechs Jahren ist die Eigentumsquote in den USA um fast drei Prozent gefallen, von rund 70 Prozent im Jahr 2004 auf rund 67 Prozent im Jahr 2010. Die Gründe für diese Entwicklung sind vielschichtig: Sicher ist, dass viele Amerikaner im Verlauf der Immobilienkrise einen Teil oder ihr gesamtes Vermögen verloren haben und sich jetzt kein Eigenheim mehr leisten können. Dazu trägt bei, dass Finanzierungen für den Immobilienkauf heute nicht mehr so leichtfertig vergeben werden wie noch vor drei Jahren. Hinzu kommt, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den vergangenen zwei Jahren verschlechtert haben. Die Arbeitslosenquote beispielsweise wird nach IWF-Schätzungen in diesem Jahr bei durchschnittlich 9,4 Prozent liegen. Sollten die Beschäftigungszahlen mittelfristig nicht steigen, wird sich dies vermutlich auch auf die Eigentumsquote auswirken.

Verändertes Verhältnis zum Wohneigentum

Zu den Amerikanern, die sich kein Eigenheim mehr leisten können, kommen noch jene, die sich keines mehr leisten wollen oder bewusst zwischenzeitlich auf Immobilienbesitz verzichten, weil sie beispielsweise aus beruflichen Gründen mobil bleiben wollen. Dazu gehören die für den Mietwohnungsmarkt überaus wichtigen "Echo Boomers". So nennt man in den USA die zwischen 1980 und 2001 geborenen Jahrgänge. Die rund 70 Millionen "Echo Boomers" sind mehrheitlich noch stärker karriereorientiert als vorangegangene Generationen und daher auch schnell zu einem Wohnortwechsel bereit. Wohneigentum scheint ihnen oft hinderlich. Diese Sichtweise wird auch dadurch gestützt, dass sich die Einstellung zu Wohneigentum in den vergangenen zwei Jahren allgemein deutlich verändert hat. Die Erfahrung, dass hunderttausende Amerikaner ihr Eigenkapital durch Finanzierung von überbewerteten Immobilien verloren haben, führt dazu, dass viele Mieter, die sich noch vor Jahren ein Eigenheim gekauft hätten, heute lieber Mieter bleiben.

Günstige Finanzierungskonditionen für eigenkapitalstarke Investoren

Vor dem Hintergrund einer steigenden Mieternachfrage scheint es paradox, dass gerade jetzt vermietbare Wohnanlagen teilweise für lediglich 50 Prozent des Neubaupreises verkauft werden - und das nicht nur, weil einige Eigentümer ihre Kredite nicht mehr bedienen können. Auch finanzstarke Investoren trennen sich von hochwertigen Wohnanlagen. Aufgrund von niedrigen Aktienkursen stehen vor allem Pensionskassen vor dem Problem, dass ihre festgelegte Immobilienquote zu hoch ist. Um die Überallokation abzubauen, verkaufen sie Teile ihrer Immobilienportfolios. Und da es momentan kaum akzeptable Ankaufsfinanzierungen für Büroimmobilien in den USA gibt, können die Pensionskassen derzeit fast nur Apartmenthäuser veräußern.

Hinzu kommen Projektentwickler, die ihre Wohnungen nicht mehr wie ursprünglich geplant als Eigentumswohnungen verkaufen können. Viele von ihnen suchen händeringend nach einem Komplettabnehmer für ihre zu Boomzeiten geplanten Wohnanlagen.

Der Verkauf ganzer Wohnanlagen erweist sich jedoch mitunter als vergleichsweise schwierig. Nur wenige inländische Interessenten verfügen derzeit über das für den Erwerb von hochwertigen Wohnhäusern erforderliche Eigenkapital: Die staatlich geförderten Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie Mac beispielsweise verlangen, dass Investoren teilweise mindestens 25 Prozent der Investitionssumme selbst aufbringen, ermöglichen dann allerdings Finanzierungen zu sehr günstigen Bedingungen. Für eigenkapitalstarke Investoren ist dies ein äußerst interessantes Angebot, da sich bei den aktuellen Kreditzinsen oft eine attraktive Verzinsung des Eigenkapitals erreichen lässt.

Apartmenthäuser haben zudem bei einer langfristigen Betrachtung die höchsten Gesamtrenditen aller US-Immobilienklassen. Während Büros und Einzelhandelsimmobilien in einer 30-Jahres-Betrachtung eine jährliche Durchschnittsrendite von 8,7 beziehungsweise knapp zehn Prozent erreichen, kommen Apartmenthäuser über die gesamte Haltedauer auf eine jährliche Durchschnittsrendite von etwa elf Prozent. Hauptursache für das gute Ergebnis der Apartmenthäuser sind in der Regel nicht die absoluten Mieteinnahmen, sondern die vergleichsweise geringen Instandhaltungskosten. Da Büro- und Einzelhandelsflächen von den Eigentümern immer wieder an die Flächenbedürfnisse der jeweiligen Mieter angepasst werden müssen, fließt ein geringerer Anteil der Mieteinnahmen tatsächlich an die Investoren. Wohnungen müssen dagegen nicht bei jedem Mieterwechsel aufwendig umgebaut werden. Das Beratungsunternehmen CB Richard Ellis hat ermittelt, dass bei Apartments nach Abzug aller Kosten durchschnittlich 83 Prozent der Mieteinnahmen an die Investoren fließen. Die Eigentümer von Büros und Einzelhandelsflächen können, unter Berücksichtigung der eventuell für Umbauten notwendigen Rücklagen, dagegen nur zwischen 65 und 67 Prozent der Miete vereinnahmen.

Das gute Risiko-Rendite-Profil ist vermutlich auch der Grund für die derzeitige Erholung auf dem Apartmentmarkt. Nahezu zehn Milliarden US-Dollar flossen im ersten Halbjahr 2010 in US-Apartmentanlagen. Im Vergleich zum äußerst schwachen Vorjahreshalbjahr bedeutet dies eine Steigerung um knapp 70 Prozent. Auch die Preise ziehen wieder an. Seit Jahresbeginn haben sich Apartments im Schnitt um knapp 20 Prozent verteuert. Aufgrund des starken Interesses befürchten Experten für die kommenden Monate bereits eine spürbare Angebotsverknappung. Denn das Angebot an neuen Mietwohnungen ist in den USA momentan äußerst beschränkt. Der Wohnungsneubau ist in den vergangenen zehn Jahren stark zurückgegangen. Im Jahre 2000 wurden jährlich noch rund 230000 Mietwohnungen in Anlagen mit fünf und mehr Wohneinheiten gebaut. 2009 lag die Zahl der Fertigstellungen bei etwa 120000 und für dieses Jahr prognostiziert Torto Wheaton Research (TWR), dass lediglich 100000 Mietwohnungen fertiggestellt werden. Das sind noch weniger als bei der vorangegangen Rezession von 1993. Umfangreiche Privatisierungen im Vorfeld der Krise und die aktuell schwierige Finanzierungssituation bei Projektentwicklungen wirken sich ebenfalls negativ auf das Mietwohnungsangebot aus. Das geringe Angebot und steigende Mieternachfrage sollten Investoren jedoch nicht zu der Annahme verführen, dass sich die Objekte wie von selbst vermieten würden.

Denn im landesweiten Durchschnitt liegt die Leerstandsquote von Apartments derzeit bei 8,2 Prozent.

Beachtliches Leerstandsrisiko

Dabei wächst die Gefahr von Leerstand in der Regel mit zunehmender Entfernung von den urbanen Zentren. Denn die Wohnbedürfnisse der "Echo Boomers" unterscheiden sich deutlich von denen der älteren Generationen. Die heute 30-Jährigen bevorzugen städtisches Flair und ziehen ungern in weitab gelegene Vorstadtsiedlungen. Gefragt sind Standorte im Stadtgebiet beziehungsweise in der Umgebung von Einkaufsmöglichkeiten, Kinos und Restaurants sowie von Sport- und Freizeiteinrichtungen. Eine große Rolle spielt auch die Verkehrsinfrastruktur, wobei insbesondere die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr zunehmend an Gewicht gewinnt.

Von großer Bedeutung für die Mietentscheidung sind auch Architektur und Ausstattung. Die jungen Berufstätigen bevorzugen häufig Anlagen im Ressortstil mit Clubhaus, Pool und Grillplätzen sowie einigen Extras bei der Wohnungsausstattung: hohe Decken, großzügige Wohnungsschnitte, Granitarbeitsplatten und Edelstahlkühlschränke in den Küchen, übergroße Badewannen und separate Duschen sowie Terrassen oder Balkone. Dabei müssen sicherlich nicht immer alle diese Merkmale erfüllt sein. Doch insgesamt gilt: Mit Komfort steigen die Vermietungschancen und die Wahrscheinlichkeit des Investitionserfolgs.

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