60 Jahre Immobilien& Finanzierung

Verbriefungen - aktuelle Lage und Perspektiven des Marktes

Der europäische Verbriefungsmarkt wuchs im Zeitraum 2000 bis 2006 gemessen am jährlichen Neuemissions-Volumen - mit durchschnittlich 34 Prozent pro Jahr. In diesem Zeitraum wurden - soweit ersichtlich - alle Transaktionen vollständig bei Investoren platziert. Seit Ausbruch der Subprime- beziehungsweise Finanzkrise im Sommer 2007 ist dagegen eine Platzierung von Verbriefungstransaktionen bei Investoren lange Zeit kaum noch möglich gewesen, wie die schwarzen Teile in der Abbildung 1 illustrieren.

Kaum Platzierungen möglich - Ausweg Repo-Geschäfte

Die Anleihen wurden vielmehr zum großen Teil von den verbriefenden Banken einbehalten, um sie sofort oder später zur Besicherung von Repo-Transaktionen im europäischen System der Zentralbanken respektive der Bank of England zu verwenden. Im laufenden Jahr konnte immerhin wieder rund ein Drittel der neuen Anleihen platziert werden, wobei das gesamte Emissionsvolumen mit 85 Milliarden Euro bis Ende Mai im Vorjahres-Vergleich jedoch deutlich abfällt.

Von dieser Entwicklung hin zu einem "Schatten-Markt" ist natürlich auch Deutschland betroffen. Der deutsche Markt weist traditionell im europäischen Kontext zwei Besonderheiten auf. Zum einen hat sich in Deutschland ein nennenswertes Segment für synthetische Verbriefungen entwickelt (vergleiche in Abbildung 2 die Anteile von unfunded Risikotransfer). Dies galt vor allem in der Welt von Basel I und bis zum Ausbruch der Krise sowie aufgrund regulatorischer Hemmnisse für True-Sale-Verbriefungen. Im Laufe der Zeit haben sich insbesondere zwei Plattformen beziehungsweise Serien der KfW, Promise für Mittelstandskredite und Provide für private Immobiliendarlehen, etabliert. Daneben wurden aber auch zahlreiche weitere synthetische Strukturen, vor allem im Segment CMBS, begeben.

Erst relativ spät nach Gründung der True Sale International (TSI) im Jahre 2004 sind unter deren Federführung die regulatorischen Voraussetzungen für True Sale-Verbriefungen von Bankforderungen geschaffen worden. Seitdem wurden über die TSI-Plattform über 60 Transaktionen im Gesamtvolumen von mehr als 120 Milliarden Euro Emissionsrespektive Risikotransfervolumen abgewickelt.

Nutzung des Marken-Vorteils der TSI-Zertifizierung

14 Transaktionen hiervon nutzen den "Marken-Vorteil" einer TSI-Zertifizierung. TSI und TSI-Zertifizierung sind ein Alleinstellungsmerkmal von Verbriefungen "Made in Germany". Die dritte Besonderheit des deutschen Marktes war und ist der Asset-Klassen-Mix. Während in Europa traditionell mehr als zwei Drittel des Marktvolumens auf die Verbriefung privater Immobiliendarlehen mittels RMBS entfallen, dominieren in Deutschland die Asset-Klassen Auto- und Lease ABS, SME CLO sowie CMBS. In diesen Segmenten haben deutsche Verbriefungen auch eine führende Position in Europa.

Trotz Krise und Einbruch bei den Neuemissionen ist das Bestandsvolumen des europäischen Verbriefungsmarktes erheblich. Bei den Term-ABS liegt es Ende 2009 bei rund 1,9 Billionen Euro und wird mit Abstand durch private und gewerbliche Immobilienverbriefungen dominiert, deren Marktanteil rund 70 Prozent beträgt (vergleiche dazu Abbildung 3).

Während Term-ABS primär der Refinanzierung von Banken dienen, spielen Asset-Backed-Commercial-Paper-Programme (ABCP) eine wichtige Rolle in der Unternehmensfinanzierung. Allein schon aufgrund der relativ kurzen Laufzeiten des Geldmarktinstruments ABCP fiel der Einbruch beim Bestandsvolumen mit etwa zwei Dritteln, bezogen auf den Höchststand von 2006, drastischer aus als bei Term-Verbriefungen.

Fatale Abkehr vom Grundgedanken der ABCP

Was den ABCP-Markt aber insbesondere in Mitleidenschaft zog war die Tatsache, dass hinter vielen Programmen Arbitrage-Vehikel für amerikanische Immobilien-ABS-Investments standen, die im Zuge der dortigen Immobilienkrise den Programmen und Sponsoren hohe Verluste bescherten. Das stellte eine bedauernswerte Abkehr vom nützlichen Grundgedanken des ABCP als Finanzierungsinstrument, vor allem für mittelständische Unternehmenskunden, dar, was aber in Zukunft aufgrund der Erfahrungen und des neuen regulatorischen Umfelds keine Rolle mehr spielen wird.

ABCP, die Portfolios von insbesondere Leasing- und Handelsforderungen sowie Autofinanzierungen über den Geldmarkt refinanzieren, kommt in Zukunft als Alternative zum Bankkredit wachsende Bedeutung zu. Deutsche Banken betreiben derzeit elf ABCP-Conduits mit Programmvolumina zwischen drei und 15 Milliarden Euro.

Die fundamentale Performance-Entwicklung europäischer Verbriefungen ist im Großen und Ganzen als sehr gut zu bezeichnen und unterscheidet sich insoweit grundsätzlich von den US-amerikanischen Marktsegmenten US Subpri-me-RMBS im weitesten Sinne sowie Mehrfachverbriefungen (CDO2 beziehungsweise CDO auf ABS), die mitverantwortlich für den Ausbruch der Krise waren.

Sehr geringe Verluste bei europäischen Verbriefungen

Die über die bisherige Laufzeit angefallenen Portfolio-Verluste europäischer Verbriefungen liegen in vielen Fällen deutlich unter einem Prozent (zum Beispiel Auto-ABS, SME CLO, RMBS aus Deutschland und den Niederlanden), und ansonsten meist zwischen einem und zwei Prozent, was auch für Länder mit Problemen am Immobilienmarkt, wie Spanien und Großbritannien, gilt. Unter Druck stehen derzeit vor allem europäische CMBS, welche unter sinkenden Mieten, zunehmenden Leerständen und fallenden Objektwerten leiden. Immer häufiger kommt es zu Darlehensrestrukturierungen und aufgrund des Preisverfalls stellen die in den nächsten Jahren anstehenden Refinanzierungen eine Herausforderung für diese Asset-Klasse dar.

Im Zuge der Krise wurden verschiedene systemweite Verlustberechnungen und -schätzungen unternommen, die zum Teil Größenordnungen von mehreren Billionen US-Dollar respektive Euro erreichten. Diskussionswürdig war stets, wie viele Verluste temporär (Bewertungsverzerrungen) beziehungsweise endgültig (Ausfälle, Abschreibungen) waren, und welcher Teil der Verluste auf Verbriefungs-Produkte entfiel. Eine Statistik von S&P vom März dieses Jahres belegt, dass die kriseninduzierten Ausfälle europäischer Verbriefungen im Beobachtungszeitraum Mitte 2007 bis Ende 2009 sich mit brutto - vor Verwertungserlösen - sieben Milliarden Euro beziehungsweise 0,39 Prozent bei einem Bestandsvolumen von rund 1,9 Billionen Euro in sehr engen Grenzen gehalten haben. Für granulare Konsumenten-Verbriefungen in Form von ABS und RMBS lag die Default-Rate sogar nur bei 0,03 Prozent. Der europäische Verbriefungsmarkt hat insgesamt damit sehr viel besser abgeschnitten als der US-amerikanische (vergleiche Abbildung 7).

Immer noch vielfach höchste Ratingnoten

Rund 75 Prozent des ausstehenden Verbriefungsvolumens weisen ein AAA-Rating auf und dies trotz Eintrübung des fundamentalen Umfeldes und nach vielfältigen Methodenanpassungen der Ratingagenturen. Zu der AAA-Default-Rate in der Tabelle oben links ist insoweit anzumerken, dass sich der Wert von 0,30 Prozent ausschließlich aus dem CDO-Segment ergibt. In den übrigen betrachteten Segmenten, insbesondere ABS, RMBS und CMBS, ist während der Krise keine mit AAA geratete Anleihe ausgefallen.

Der Verbriefungsmarkt ist derzeit immer noch nicht funktionsfähig und steht sowohl von Seiten des Produktangebots als auch der Investoren unter Druck. Unsicherheit über die künftige Marktentwicklung und Regulierung, immer noch recht hohe Credit-Spreads sowie die nur relativ teure Option, Risiken zu transferieren und damit Eigenkapital freizusetzen, hemmen das "öffentliche" Angebot. Die Investoren-Basis ist geschmolzen und muss zwingend erweitert werden.

Die immer noch negative Belegung des Themas "Verbriefung" hemmt psychologisch aber sowohl alte als auch potenzielle neue Investoren. Regulatorische Veränderungen verunsichern derzeit tendenziell. Es fehlt an externen Stimuli im Sinne einer Initialzündung für mehr Aktivität.

Die immanenten Möglichkeiten und Vorteile von Verbriefungen kommen jedoch gerade in der Krise immer deutlicher zu Tage und sollten schon sehr bald Wirkung auf Angebot und Nachfrage entfalten (vergleiche Abbildung 6).

Förderlich wird mittelfristig auch die Erkenntnis sein, dass die Gefahr von Interdependenzen und "Domino-Effekten" beziehungsweise von Überraschungen im Sinne von Event-Risiken bei anderen Credit-Produkten wesentlich ausgeprägter sind.

Eine zentrale Rolle im Hinblick auf die Überlegungen von Anbietern und Investoren spielen unter Kosten-/Nutzenerwägungen die Credit Spreads. Diese haben sich von den Verwerfungen der Krise inzwischen wieder sehr gut erholt, reagieren zwar natürlich auch auf die aktuelle Unruhe und Diskussion um die Staatsverschuldung in Europa und bieten von daher noch einiges Einengungspotenzial.

Auslöser der Finanzkrise waren im Sommer 2007 die amerikanischen Immobili-en-Subprime ABS-Märkte. Die darauf folgende allgemein menschliche, wenngleich kurzschlüssige Gleichsetzung von Auslöser ist gleich Ursache zog die weltweiten ABS-Märkte herunter und setzte bei den Regulierungsbehörden eine ABS-Regulierungsdiskussion in Gang, die schließlich in vielfältigen neuen Regeln mündete, die aktuell vor ihrer Umsetzung stehen.

Bewertung der Regulierungsvorhaben

Im Kern lagen den ersten Analysen der Finanzkrise folgende Prämissen zugrunde:

- Die ABS-Strukturen seien zu komplex und zu undurchschaubar und die zugrunde liegenden Risiken wären von den Investoren daher nicht richtig verstanden worden.

- Die Zersplitterung der Verantwortlichkeiten im Kreditprozess hätte die Basis gebildet für Moral Hazard in der Kreditvergabe und -bearbeitung.

Entsprechend werden den beaufsichtigten Investoren nunmehr umfangreiche Prüf- und Überwachungspflichten aufgebürdet. Darüber hinaus dürfen sie nur in Transaktionen investieren, bei denen die Originatoren sich zu einem mindestens fünfprozentigen Selbstbehalt verpflichtet haben. Darüber hinaus gibt es Ansätze (EZB, BoE, SEC), Originatoren zu verpflichten, Investoren Einzelkreditdaten für ihre ABS-Transaktionen öffentlich bereitzustellen.

Die neuen Regeln für ABS gehen weit über das hinaus, was bei anderen Asset-Klassen üblich ist. Und es sind nicht nur die Regeln an sich, die verunsichern, sondern mehr noch die damit verbundene Unklarheit und Unsicherheit, zumal unterschiedlichste Akteure auf internationaler und nationaler Ebene wenig koordiniert nebeneinander agieren.

Bevorstehende Rehabilitierung der Verbriefungsinstrumente

Zurzeit begünstigt die Regulierungsdiskussion um die Verbriefungsmärkte die Asset-Klasse Corporate Bonds; korrespondierenden Röhren gleich gewinnen Unternehmensanleihen das an Nachfrage, was die Verbriefungsmärkte verlieren, und für Unternehmen, die sich über die Kapitalmärkte refinanzieren können, sind die Zeiten so gut wie selten zuvor. Wer jedoch vom Bankkredit und damit von Banken abhängig ist, bewegt sich zunehmend in einer anderen Welt.

Die Refinanzierungsbedingungen von Banken haben sich gegenüber den Nicht-Finanzunternehmen deutlich verschlechtert; dies, Hand in Hand mit den geplanten strengeren Eigenkapitalanforderungen, wird den Bankkredit in Mitleidenschaft ziehen. Es sei denn, dass die Verbriefungsmärkte wieder anspringen würden und somit Banken unabhängig von ihrer eigenen Bonität sich zu guten Konditionen refinanzieren und eigenkapitalschonend Risiken auf die Kapitalmärkte transferieren könnten.

Wann dies geschehen wird, lässt sich nicht genau vorhersagen. Jedoch mehren sich die Zeichen, dass im Zuge einer differenzierteren Krisenerklärung und der stattfindenden Verschiebung der Risikowahrnehmung von den Verbriefungsmärkten auf andere Asset-Klassen, wie zum Beispiel Staatsanleihen, eine Rehabilitierung des Instruments der Verbriefung bevorstehen könnte. 2010 13:14 Uhr Seite 1

Dr. Hartmut Bechtold , Global Writers Group GmbH
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