Schwerpunkt Forderungsmanagement

Vorausschauender Umgang mit Problemkrediten

Mit Einführung der Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) wurde die Behandlung von Problemkrediten in Kreditinstituten regulatorisch intensiver verankert. Sie sehen neben der Normalbetreuung im weiteren Kundenlebenszyklus die Intensivbetreuung und die Problemkreditbearbeitung vor, wobei die Kundenengagements von den Kreditinstituten organisatorisch einem der drei Bereiche zugeordnet werden. Die Problemkreditbearbeitung, auch als Workout bekannt, stellt dabei die letzte Stufe dar, die ein Engagement durchlaufen kann. Bei einem Problemkredit handelt es sich immer entweder um ein Sanierungs- oder ein Abwicklungsengagement: Sind noch finanzwirtschaftliche und leistungswirtschaftliche Potenziale vorhanden, ist ein Sanierungsprozess möglich. Falls eine Rettung nicht möglich ist, folgt der Abwicklungsprozess.

Umgang mit Problemkrediten nach MaRisk

Laut den gesetzlichen Mindestanforderungen hat das Kreditinstitut selber Kriterien festzulegen, die die Abgabe eines problematischen Engagements an Mitarbeiter regeln, welche auf die Bereiche Sanierung beziehungsweise Abwicklung spezialisiert sind. Zu den üblichen Kriterien für eine solche Übergabe gehören zum Beispiel Pfändungen, permanente Limitüberschreitungen, nicht gegebene Kapitaldienstfähigkeit, beantragte Insolvenzverfahren oder Negativeinträge im Grundbuch. Geprüft wird, ob das Engagement noch ein Sanierungsfall oder bereits ein Abwicklungsfall ist. Aus Sicht des Kreditinstitutes sollte zunächst geklärt werden, ob in dem jeweiligen Kundenengagement die Begleitung einer Sanierung überhaupt möglich ist. Dafür liegen den Instituten Checklisten vor, mit denen die Sanierungsfähigkeit eines Kreditnehmers unter betriebswirtschaftlichen Aspekten beurteilt werden kann. Falls die Prüfung negativ verläuft, wird die Abwicklung des Engagements eingeleitet.

Ein vorausschauender Umgang mit Problemkrediten sollte jedoch mehr im Blick haben, als die MaRisk vorschreiben. Wenn er bereits zum frühestmöglichen Zeitpunkt ansetzt, ergeben sich daraus deutliche Vorteile für das Kreditinstitut. Folgende fünf Faktoren sind von zentraler Bedeutung für den Erfolg der Strategie:

1. Frühwarnindikatoren definieren. Die gängige Praxis in Kreditinstituten ist, dass mit der Kreditvergabe eine umfassende Bonitätsprüfung der Kreditnehmer erfolgt. Um das Kreditrisiko und damit das mögliche Verlustrisiko des Kreditinstitutes zu minimieren, wird ein intensives Monitoring betrieben. In den MaRisk sind die organisatorischen Anforderungen an den Kreditüberwachungsprozess umfassend verankert und die Festlegung nach den Betreuungsstufen Normal-, Intensiv- und Problemkreditbetreuung ist in den Kreditinstituten etabliert. Wie die Organisation der Intensivbetreuung und Problemkreditbearbeitung gestaltet werden soll, legen die Institute individuell fest. Generell gilt: Zeichnet sich ein erhöhter Risikogehalt ab, so ist das betreffende Engagement in die Intensivbetreuung zu übertragen.

Besondere Relevanz für einen vorausschauenden Umgang mit problematischen Krediten hat die Art der Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Kreditnehmer. Auch hier haben die Kreditinstitute Gestaltungsmöglichkeiten, die sich an der Komplexität, dem Risikogehalt des Engagements und der Risikotragfähigkeit des Institutes ausrichten sollten. Die Verfahren zur Risikofrüherkennung sollen das Institut in die Lage versetzen, schon in einem möglichst frühen Stadium Gegenmaßnahmen einleiten zu können. Die MaRisk skizzieren dafür lediglich ein Grundgerüst. Das Institut selbst sollte auf Basis der quantitativen und qualitativen Risikomerkmale Indikatoren für eine frühzeitige Risikoidentifizierung entwickeln. Dabei handelt es sich bei quantitativen Indikatoren (hard facts) um Daten aus der Kontobeobachtung und der Risikoklassifizierung. Qualitative Indikatoren (soft facts) hingegen sind Informationen von Dritten oder Unternehmensinterna, zum Beispiel Geschäftsführerwechsel, Veränderungen des Gesellschafterkreises oder eine fehlende Nachfolgeregelung.

Aber auch wenn das Kreditinstitut die Frühwarnindikatorenliste umfangreich institutionalisiert, bleibt nach bisheriger Beobachtung das Problem, dass viele Institute die Krise des Kreditnehmers mitunter nicht zeitnah erkennen und dadurch ein geringerer Handlungsspielraum für Gegenmaßnahmen zur Verfügung steht. Der Handlungsdruck auf den Kreditnehmer und das kreditgebende Institut steigt dann enorm. Viele Kreditinstitute konzentrieren sich bei der Risikofrüherkennung überwiegend auf die Verwendung der Indikatoren aus der Kontobeobachtung, dadurch wird ein erhöhtes Risiko erst in der Phase der Liquiditätskrise erkannt. Die vorausgehenden Krisen (Strategie- oder Erfolgskrisen) sind meist schon in einem früheren Stadium aufgetreten und nicht beziehungsweise zu spät erkannt oder beachtet worden. Als Ergebnis bleibt festzuhalten: Eine differenzierte Ausgestaltung der Organisation in Bezug auf Problemkredite und Risikofrüherkennung kann zu einer verbesserten Risikobilanz führen.

2. Auf Frühwarnindikatoren reagieren. Insbesondere bei Firmenkundenengagements, die im Regelfall für jedes Kreditinstitut höhere Blankorisiken und Komplexitäten bedeuten, ist eine erhöhte Aufmerksamkeit in Bezug auf mögliche Frühwarnindikatoren geboten. Denn trotz der insgesamt stark verbesserten Kreditüberwachungsprozesse werden die Engagements meist erst in der Phase des akuten Liquiditätsengpasses beziehungsweise in der Insolvenz mittels Krisengesprächen und weiterer Bestandsaufnahmen begleitet. Resultat: Die Erfolgsaussichten schwinden aufgrund des immensen Handlungsdruckes.

Bei großen Firmenkunden werden oftmals noch Sanierungsprozesse eingeleitet, wenn die externen Sanierungsberater respektive Insolvenzverwalter leistungswirtschaftliches Veränderungspotenzial vorfinden. In den häufigsten Fällen der kleineren Engagements unter zwei Millionen Euro sind die Sanierungschancen aber nur noch gering. Im Sinne einer Kreditbereinigung werden von den meisten Kreditinstituten oftmals nur noch finanzwirtschaftliche Maßnahmen ergriffen, um das Engagement wieder der Normalbetreuung zuführen zu können. Wie erfolgreich diese langfristig sind, ist wiederum abhängig davon, ob der Unternehmer weitere Maßnahmen auf leistungswirtschaftlicher Ebene entwickelt und umsetzt.

Privatkundenengagements werden im Optimalfall beim Auftreten von Frühwarnindikatoren zunächst der Intensivbetreuung zugeführt, um die weiteren Krisenursachen zu untersuchen und möglichst zeitnah die Kapitaldienstfähigkeit wieder herzustellen oder das Engagement zurückzuführen. Andernfalls werden die Engagements der Abwicklung übertragen. Bisher werden jedoch oft noch in zu geringem Maße lösungsorientierte Krisengespräche mit Privatkunden geführt, um eine für alle Beteiligten optimale Lösung zu finden.

Auch im Rahmen der Abwicklung fehlen mitunter flankierende Maßnahmen, um gemeinsam mit dem Schuldner eine Kreditbereinigung zu erreichen. Die rasant steigende Zahl an Privatinsolvenzen indiziert, dass Kreditinstitute und Kunden im Krisenfall oft getrennte Wege beschreiten. Empfehlenswert wäre hier eine rechtzeitige Reaktion auf Frühwarnindikatoren, zum Beispiel durch professionelle Beratung und Begleitung gefährdeter Kreditnehmer - insbesondere im Hinblick auf betriebswirtschaftliche Entscheidungen.

3. Firmenkundenbetreuer qualifizieren. Im Krisenfall werden die Frühwarnsignale oft nicht rechtzeitig erkannt, weil die Kundenbetreuer in erster Linie für den Vertrieb ausgebildet sind. Oft sind sie im Umgang mit Warnsignalen zu zögerlich und kommunizieren mit dem Kunden erst, wenn die Kreditüberwachung entsprechende Anforderungen stellt. Der Übergang zur Intensiv- oder Sanierungsberatung dauert dann aufgrund des Abstimmungsbedarfs oft viel zu lange.

Verbesserungen wären durch fachliche Weiterbildungen der vorrangig auf Vertrieb ausgerichteten Mitarbeiter sowie eine Schärfung ihres Problembewusstseins möglich. Die interne Kommunikation zwischen den einzelnen Abteilungen sollte kundenbezogen intensiviert werden. Dazu könnten zum Beispiel die Möglichkeiten von Jobrotation genutzt werden, um das gegenseitige Verständnis zu schärfen. Außerdem kann es Kreditinstituten helfen, die Kommunikation mit dem Kunden beim Auftreten von Krisenanzeichen zu verbessern und im Rahmen von moderierten Krisengesprächen zu vertiefen. In der Regel ist eine proaktive Begleitung durch das Kreditinstitut sinnvoll, weil sich die Kunden im Krisenfall sonst eher zurückhalten und abwarten.

Die Einbindung von externen Spezialisten wie Wirtschaftsprüfern, Steuer- oder Unternehmensberatern und Immobilienexperten sollte bereits in einem möglichst frühen Stadium der Krise erfolgen, um den Informationsaustausch und die Sensibilisierung des Kunden zu erhöhen. In schwierigen Fällen können auch externe Mediatoren hinzugezogen werden, um die Kommunikation zwischen dem Kreditinstitut und dem Kunden in eine lösungsorientierte, vertrauensvolle Richtung zu lenken.

4. Problemkredite segmentieren. Problemkredite sollten immer nach Komplexitätsgrad segmentiert und entsprechend durch unterschiedliche Personen oder Abteilungen beziehungsweise Unterabteilungen betreut werden. Dies machen die Institute vielfach schon, allerdings kann die Praxis häufig noch intensiviert werden. Die Kreditinstitute haben mit Einführung der MaRisk strukturelle und organisatorische Anpassungsmaßnahmen im Kreditbereich vorgenommen. Aufgrund der geordneten Strukturen sind die Ausfälle in den Instituten seitdem deutlich zurückgegangen. Aufbauorganisationen, die die Kreditüberwachung des problembehafteten Kreditgeschäftes separieren, weisen eine signifikant geringere Einzelwertberichtigungsquote (EWB-Quote) auf. Konkret heißt das für die Aufbauorganisation: Verbleib der Betreuungszuständigkeit im Falle der Intensiv- oder Sanierungsbetreuung im Markt und separate Überwachung durch den unabhängigen Bereich.

Dies bedeutet aber auch, dass die Qualifikationen der Mitarbeiter in Bezug auf das Erkennen von Risikomerkmalen, die Analysefähigkeit und das Kommunikationsverhalten im Krisenfall geschult und geübt werden sollten. Jahrelang aufgebautes Wissen über den Kunden und das gewachsene Vertrauensverhältnis können dazu genutzt werden, die Reaktionsfähigkeit zu erhöhen. Bei schwierigen Verhandlungen sowie bei uneinsichtigen Kunden sollte das Kreditinstitut jedoch Experten aus dem Bereich Problemkreditbearbeitung hinzuziehen.

Im Fall einer insgesamt schwierigen Risikosituation des Kreditinstitutes (zum Beispiel identifizierte Sanierungs- oder Präventivbanken) sollte das Problemkreditmanagement in einer separaten Organisationseinheit mit hoher Fachexpertise gebündelt werden, um in einem überschaubaren Zeitraum die Bereinigung des Kreditportfolios zu intensivieren. Auf der anderen Seite sollte der Markt dadurch entlastet werden, um die Betreuung der Zielkunden auf der Basis einer adjustierten Kreditrisikostrategie sicherzustellen.

Geringere Grenzen bei der Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse führen ebenso zu geringeren EWB-Quoten. Wenn zusätzliche ablauforganisatorische Überwachungsinstrumente und systematische Auswertungen eingesetzt werden, kann dies die Ausfälle minimieren. Die gesetzlichen Mindestanforderungen der Offenlegung sollten deshalb im Eigeninteresse des einzelnen Kreditinstitutes bei der Festlegung der Kreditrisikostrategie durch niedrigere Offenlegungsgrenzen und verbesserte systematische Auswertungen ersetzt werden. Die Risikoadjustierung des Kreditgeschäftes ist eine maß gebende Größe, um das künftige Problemkreditportfolio zu begrenzen. Zudem hat sie langfristig eine positive Wirkung auf die Qualität des Kreditportfolios.

5. Grenzen erkennen: Outsourcing. Ein effizientes Problemkreditmanagement stellt hohe Anforderungen an jedes Kreditinstitut. In Hinblick auf die Strategie, die Risikosituation, die eigenen Ressourcen und den Umfang der Problemkreditport folios kann es deshalb sinnvoll sein, auch ein Outsourcing der Abwicklung, einen Kreditverkauf oder einen "stillen Transfer der Risiken aus gekündigten Immobilienkre diten" in Betracht zu ziehen. Bei dieser Entscheidung sollte der Kosten-Nutzen-Aspekt genauso eine Rolle spielen wie die strategische Ausrichtung der Bank. Oft eröffnet der neutrale Blick eines Dritten neue Perspektiven.

Wenn folgende Situationen gegeben sind und das Kreditinstitut für alternative und kreative Lösungsansätze zugänglich ist, sollten das Outsourcing, der Verkauf von Problemkrediten oder ein stiller Transfer der Risiken optional in Erwägung gezogen werden:

- Das Kreditinstitut benötigt dringend Liquidität.

- Erhöhte Eigenkapitalanforderungen beziehungsweise eine verschlechterte Risikosituation liegen vor.

- Die Personalressourcen im Bereich Problemkredite reichen nicht aus. - Erfahrene Mitarbeiter wandern ab oder scheiden aus.

- Spezialisten für das Problemkreditmanagement - mit entsprechender Erfahrung - sind im eigenen Unternehmen oder am Arbeitsmarkt nicht zu finden.

- Spezialausbildung für geeignete Mitarbeiter ist langwierig und aufwendig. - Die Workout-Prozesse innerhalb des Institutes sind zu langwierig und zu aufwendig.

- Die Abwicklungsengagements (zum Beispiel gekündigte Immobilienkredite) liegen außerhalb der Region.

- Die Aufwand-Ertrags-Relation soll durch Kostensenkungsmaßnahmen im Kreditgeschäft verbessert werden.

Wenn die Problemkreditbearbeitung keine Kernkompetenz des Kreditinstitutes ist, dann sollte es sich auf die Kernkompetenzen fokussieren.

Durch einen vorausschauenden Umgang mit Problemkrediten, der über die Mindestanforderungen an das Risikomanagement hinausgeht, können Banken und Sparkassen die Ausfälle im Kreditgeschäft minimieren und sich einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.

Fünf Stellschrauben

Dabei sind fünf Stellschrauben von Bedeutung: Erstens eine klar definierte und gelebte Kreditrisikostrategie, die die Kreditvergabe nach Kundengruppen, Risikogehalt und Risikoklassifizierung begrenzt. Zweitens die Veränderung der Offenlegungsgrenzen unterhalb der Mindestanforderungen und eine systematische Auswertung der Bonitätsunterlagen. Drittens die konsequente Überwachung der Frühwarnsignale und zeitnahe Zuordnung der Kundenkredite. Viertens die marktnahe Bearbeitung der Intensiv- und Sanierungskredite bei entsprechendem Aufbau der Personalqualität und Überwachung sowie Begleitung der Aktivitäten durch den Problemkreditbereich. Und fünftens der Verkauf beziehungsweise das Outsourcing von notleidenden Krediten bei Ressourcen- und/oder Qualitätsproblemen.

Quellen:

DSGV: "Mindestanforderungen an das Risikomanagement - Interpretationsleitfaden", 4. Aufl., 2011.

Ralf Hannemann, Andreas Schneider: "Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk)", Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart 2011.

Clemens J. Jobe, Rainer Stachuletz: "Workout, Management und Handel von Problemkrediten", Bankakademieverlag, Frankfurt 2005.

VRSP GmbH (Hrsg.): "Organisationshandbuch Kredit" (Autoren: Mitarbeiter der VRSP GmbH, unter anderem Peter Sandler), München 2008.

Andreas Pfingsten, Fredik Hesse, Christian Kucklick: "Der Einfluss der aufbau- und ablauforganisatorischen Gestaltung des Kreditgeschäftes auf den "Misserfolg" von Sparkassen", Münster 2012.

Wolfgang Portisch, Michael Neumann: "Sanierungs- und Insolvenzprozesse in Banken, Sparkassen und bei Insolvenzverwaltern", Hochschule Emden-Leer 2013.

Tanja Schlösser: "Problemkreditmanagement im deutschen Kreditgeschäft", Diss. , Düsseldorf 2011.

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