Bewertung

"Wir wollen ausdrücklich nicht die Wertermittlung darstellen"

Die Schufa kann immer mehr, will immer mehr, macht immer mehr. Was tun Sie mittlerweile alles?

Neumann: Die Schufa steht heute auf fünf produktpolitischen Säulen: der Schufa ConsumerLine, der Schufa BusinessLine, der Schufa FinanceLine, der Schufa PersonalLine und - jüngst hinzugekommen - der Schufa RealEstate Line. Unser Kerngeschäft ist nach wie vor die Kreditauskunft (Schufa ConsumerLine). Daneben haben wir uns inzwischen aber breiter aufgestellt. So wurde in den vergangenen Monaten eine Datenbank der in den Handelsregistern eingetragenen Firmen angelegt - als Bestandteil der Schufa BusinessLine. Angeschlossene Unternehmen werden von uns automatisch per E-Mail informiert, wenn sich Geschäftsführungen, Gesellschaftsanteile, der Unternehmenssitz oder ähnliches ändern. Die Resonanz aus der Wirtschaft auf diese Datenbank ist ausgesprochen positiv, weil manche Unternehmen für Außenstehende und Geschäftspartner schwer zu durchschauende Strukturen und Rechtsverhältnisse haben. Diese machen wir mit der Datenbank transparent.

Die Schufa PersonalLine beinhaltet alles, was der Verbraucher selbst über seine Bonität und die Schufa wissen sollte. Neu eingeführt wurde beispielsweise, dass Privatpersonen für einmalig 15,80 Euro jederzeit über das Internet ihre Eigenauskunft und den jeweiligen Schufa-Score abrufen können - gewissermaßen ein Leben lang. Seit August dieses Jahres haben wir mit der Schufa RealEstate Line zudem eine weitere Säule geschaffen, in der wir eine Datenbank für Vergleichswerte zu Immobilien in Deutschland aufbauen, um die Finanzwirtschaft bei der Bewertung von Immobilien als Kreditsicherheiten zu unterstützen.

Warum sieht die Schufa hier gerade jetzt Handlungsbedarf?

Neumann: Die Idee zu dieser Datenbank haben wir schon vor fünf Jahren gehabt. Das Konzept war damals auch schon fast fertig, musste aber wieder zu den Akten gelegt werden, weil der Markt seinerzeit noch nicht reif dafür war. Jetzt hat sich die Situation geändert. Anfang dieses Jahres rief uns eine große Bank an und erklärte, dass sie im Rahmen von Basel II Sicherheiten vorhalten und fortschreiben müsse, doch die interne Bewertung der Bank allein reiche der BaFin dafür wahrscheinlich nicht aus.

Dass die Aufsicht bei den Sicherheiten einen gewissen Wert auf Neutralität legt, spricht für eine Schufa-Lösung. Denn wir sehen uns als Intermediär konkurrierender Kreditinstitute, der weder einem Verband noch einem Einzelinstitut nahe steht. Neutralität beweisen wir seit nunmehr 80 Jahren. Deshalb lautete unser Ansatz, zu jeder Immobilie in Deutschland Informationen zu den jeweils aktuellsten Bewertungen von verschiedenen Banken einzuholen und diese als anonymisierte Vergleichswerte zur Verfügung zu stellen.

Braucht die Datenbank einen BaFin-Stempel?

Neumann: Einen BaFin-Stempel benötigt bereits die Basel II-Lösung der Bank. Im Rahmen der Prüfung dieser Lösungen wird sich das BaFin auch mit der Schufa-Lösung auseinandersetzen. Anregungen aus dem BaFin werden wir in unserem Modell umsetzen.

Stehen Sie mit der Immobiliendatenbank nicht in Konkurrenz zu Ihren Partnern/Eigentümern? Wie nehmen diese Ihren Vorstoß auf?

Neumann: Wir wurden von unseren Partnern/Eigentümern aufgefordert, eine Immobiliendatenbank aufzubauen. Wir verstehen unser Angebot als Dienstleistung im Rahmen unseres Kerngeschäfts, nicht als den Vorstoß in neue Märkte. Mit unseren bisherigen Aufgaben fühlen wir uns gut ausgelastet. Aber wir hören, dass der Markt ein solches Angebot will. Deshalb versuchen auch andere, eine vergleichbare Bewertungshilfe zu etablieren. Doch wir sehen hier kein Konkurrenzverhältnis, sondern die Chance, den Markt transparenter zu machen. Unser Vorteil ist die Unabhängigkeit.

Wie stellen Sie sicher, dass eine Bank anhand der Bewertung eines konkurrierenden Instituts nicht versucht, die Finanzierung abzujagen?

Hladil: In unserem Modell können keine Kaufpreise oder die Bewertungen anderer Banken für eine konkrete Immobilie abgefragt werden, sondern es werden über einen Filter nur anonymisierte Daten zu vergleichbaren Objekten in der Umgebung zurückgemeldet. Wie bei den übrigen Schufa-Datenbanken können sich die Kreditinstitute also sicher sein, dass mit ihren Daten kein wettbewerbspolitischer Missbrauch betrieben wird. Wie viele Bewertungen respektive Datensätze erhält man pro Anfrage?

Hladil: Für jede Abfrage liefert die Datenbank mindestens fünf anonymisierte Vergleichsobjekte im Umkreis der zu bewertenden Immobilie. Wir versuchen aber derzeit, nicht nur Objekte in einem bestimmten Radius anzugeben, sondern auch geografische Strukturen zu berücksichtigen. Beispielsweise würde eine Abfrage für die Schu-fa-Zentrale, Kormoranweg 5 in Wiesbaden auch die andere Rheinseite erfassen.

Ob das in jedem Fall realistisch ist, kann durchaus in Frage gestellt werden. Deshalb wäre es sinnvoll, wenn die Region zur Suche von vergleichbaren Immobilien für dieses Beispielobjekt auf der diesseitigen Rheinseite abgebildet würde. Hier arbeiten wir noch an Verfeinerungen.

Wie haben Sie das technisch gelöst?

Hladil: Alle Datensätze basieren auf Geodaten. Wir nutzen dafür die langjährigen Erfahrungen der on-geo GmbH, die einerseits eine Software zur Verfügung stellt, mit der Immobilien nach allen hierzulande gängigen Verfahren bewertet werden können und andererseits internetbasierte Zusatzservices anbietet. Im August 2007 wurde mit der Schufa RealEstate Line GmbH eine eigenständige Gesellschaft gegründet, an der die Schufa mit 50,2 Prozent und die on-geo mit 49,8 Prozent beteiligt sind.

Warum war eine eigene Gesellschaft nötig?

Neumann: Eine eigene Gesellschaft für die Immobiliendatenbank macht deutlich, dass es keine Verbindung zu den übrigen Schufa-Daten gibt und sie schafft einen besser zu handhabenden juristischen und wirtschaftlichen Rahmen.

Wonach richtet sich, was ein vergleichbares Objekt ist?

Neumann: Das entscheidet der Nutzer selbst, indem er den Filter individuell einstellt. Er kann ein Intervall für das Baujahr, für die Grundstücksfläche und weiteres einstellen. Wurde der Filter zu eng gewählt, teilt ihm das System mit, dass nicht genügend Datensätze gefunden wurden. Wie man diesen Filter am besten ausstattet, lernen wir gerade im Pilotprojekt.

Ist die Immobiliendatenbank schon marktreif?

Neumann: Derzeit sammeln wir noch Erfahrungen und führen eine umfassende Evaluation des Marktumfeldes, der technischen sowie auch der rechtlichen Rahmenbedingungen durch. Dazu haben wir im Raum Berlin ein Pilotprojekt aufgesetzt. Berlin wurde deswegen ausgewählt, weil die dort im lokalen Markt führenden Immobilienfinanzierer zur Teilnahme bereit waren.

Wir wollen im Laufe des Pilotbetriebes Argumente sammeln, um das Projekt entweder fortzusetzen oder einzustellen. Dass es technisch funktioniert, daran zweifeln wir nicht. Aber wir müssen klären, ob die derzeitigen Rahmenbedingungen ausreichen, um die Datenbank technisch und wirtschaftlich effizient betreiben und realistische Bewertungen ermöglichen zu können. Zudem muss sich zeigen, welche Erwartungen die Pilotteilnehmer an die Datenbank haben und wie sich diese erfüllen lassen.

Darüber hinaus lassen wir die rechtlichen Grundlagen der Datenbank begutachten, um unseren Partnern und uns die entsprechende Rechtssicherheit zu geben.

Wann fällt die endgültige Entscheidung?

Neumann: Wir planen, den Geschäftsbetrieb zu Beginn des kommenden Jahres aufzunehmen.

Wann das genau sein wird, hängt aber noch von den Ergebnissen der Testphase ab. Wie groß ist die Datenbank aktuell und welche Nutzungsarten erfassen Sie?

Hladil: Wir haben derzeit etwa 90 000 Datensätze, sowohl von Wohnimmobilien als auch gewerblichen Objekten. Die Verfahren zur Ermittlung von Vergleichswerten und die jeweils gespeicherten Informationen unterscheiden sich jedoch deutlich. Wir prüfen derzeit noch, welche gewerblichen Nutzungsarten wir sinnvoll in die Datenbank einbeziehen können. Bei Büros sehen wir ebenso wenig ein Problem wie bei der gewerblichen Wohnungswirtschaft und Einzelhandelsimmobilien.

Was haben Sie für Ziele? Wo wollen Sie mit der Immobiliendatenbank hin?

Hladil: Die Antworten auf diese Frage wollen wir uns am Ende der Pilotphase geben. Ziel ist zunächst, dass wir allen Pilotteilnehmern am Ende der Testzeit ein technisch und funktional ausreichend gereiftes Produkt vorstellen können.

Wie teuer ist die Datenabfrage?

Hladil: Das werden wir am Ende der Pilotphase entscheiden. Ist die Software auch in der Lage, den Markt bundesweit abzubilden?

Hladil: Technisch ist das heute kein Problem, selbst wenn wir davon ausgehen, dass alle etwa 17 Millionen Immobilien in Deutschland mit über die Laufzeit mehreren Kaufpreisen und Mehrfachbewertungen in der Datenbank erfasst würden. Die Schwierigkeit liegt eher bei "Erstbefüllung" durch die Poolteilnehmer mit ihren Beständen an Kaufpreisen.

Welchen Anteil des lokalen Immobilienmarktes müssen Sie abbilden, damit Ihre Datenbank valide Ergebnisse bringt?

Neumann: Genau lässt sich das nicht beziffern, aber aus dem Gefühl heraus wären wir zufrieden, wenn 30 Prozent des Marktes erfasst wären.

Wer erhält Zugriff auf die Daten?

Neumann: Nur die Banken, die auch Daten zur Verfügung stellen. Wir wollen die Pflicht zur Einmeldung, um möglichst rasch eine kritische Masse an Daten zu bekommen. Wenn die Immobiliendatenbank steht, könnte mit dem zuliefernden Unternehmen überlegt werden, ob und unter welchen Bedingungen auch Dritte zum Beispiel Aufkäufer von Kredit- oder Immobilienportfolios - Zugang erhalten dürfen.

Trotzdem brauchen Sie sehr viel Zeit, um einen halbwegs verlässlichen Datensatz für Deutschland zusammenzustellen?

Hladil: Eine Datenbank nur aus Transaktionen, die ab sofort erfolgen, oder aus Neubewertungen aufzubauen, würde viel zu lange dauern. Wir sind darauf angewiesen, dass uns die teilnehmenden Kreditinstitute ihren Kaufpreis- und Bewertungsbestand, den sie heute verwenden, zur Verfügung stellen, damit wir relativ schnell eine Grundgesamtheit zustande bekommen. Die kritische Masse werden wir in den Ballungsräumen naturgemäß eher erreichen als auf dem Land.

Aber bereits in der Pilotphase hat sich gezeigt, dass die kritische Masse gar nicht so einfach herzustellen ist, denn nicht jedes Institut hält die Bestandsdaten in elektronischer Form vor. Und wenn sie elektronisch vorliegen, dann arbeitet jede Bank mit einer anderen Software. Deshalb ist die Pilotphase nicht in der Dynamik angelaufen, wie wir uns das anfangs vorgestellt hatten. Die Bereitschaft der Banken an einer Lösung und Fortführung des Projektes ist aber sehr groß. Auch außerhalb Berlins wurde Interesse bekundet.

Das Problem, die bestehenden Datensätze neu einzupflegen besteht doch aber weiterhin, wenn eine Bank ihre Sicherheiten entsprechend den Basel-II-Vorgaben turnus- und außerplanmäßig neu bewerten muss.

Erhalten Sie dann jeweils den kompletten neuen Datensatz der Bank?

Hladil: Ja, die Banken müssen uns bei jeder Neubewertung den kompletten neuen Datensatz zur Verfügung stellen. Dieses Verfahren der permanenten Datenlieferung an die Schufa ist aber im Retailgeschäft schon längst geübte Praxis. Daher dürfte das Verfahren auch bei der Immobilien-Datenbank reibungslos funktionieren. Zudem können die Kreditinstitute, wenn sie bei der Neu- oder Folgebewertung auf unser System zurückgreifen, gleich die neuen Daten einstellen. Wir sehen hier keine unlösbaren Probleme.

Wie wird verfahren, wenn drei verschiedene Banken ein und dasselbe Objekt mit unterschiedlichen Werten in das System eingestellt haben?

Hladil: Dann steht das Objekt mit diesen unterschiedlichen Bewertungen zum jeweiligen Zeitpunkt im System. Die Software geht damit transparent um, weil derjenige, der über unser System Vergleichswerte ermitteln möchte, mindestens fünf Datensätze erhält - die drei für ein und dasselbe Objekt (wobei er nicht sieht, welches Objekt es genau ist) und in diesem Falle zwei weitere Bewertungen für vergleichbare Objekte. Das ist ein logischer Weg, wie man mit diesem Problem - wenn man es als ein Problem auffasst - umgehen kann. Der Schwerpunkt bei der Ermittlung von Vergleichsobjekten liegt jedoch auf der Nutzung von gespeicherten Kaufpreisen und erst in zweiter Linie auf der Nutzung von Wertermittlungsdaten.

Ist das mathematisch richtig?

Neumann: Die Frage ist irrelevant, denn auch für einen Gebrauchtwagen können sie von drei verschiedenen Händlern drei unterschiedliche Preise genannt bekommen, obwohl es eine sogenannte Schwacke- Liste für Pkw gibt, die aber stets nur als Richtschnur dienen kann, weil sich jedes Fahrzeug im Detail unterscheidet. Wir wollen mit unserer Datei ausdrücklich nicht die Wertermittlung der Banken darstellen, sondern sie dabei unterstützen, indem wir die Ergebnisse von Begutachtungen durch qualifizierte Sachverständige sammeln und - anonymisiert zur Verfügung stellen.

Welche Werte finden sich in der Schufa-Datenbank - Belei-hungs-, Markt-, Sach- oder Verkehrswerte?

Hladil: Beleihungswerte bilden wir nicht ab, unsere Datenbank zeigt Marktwerte.

Wie wirkt so eine Datenbank auf den Markt? Werden zyklische Schwankungen tendenziell verstärkt oder geglättet?

Hladil: Zu jedem Kaufpreis und zu jeder Bewertung liefern wir auch das Datum, an dem sie vorgenommen wurde, sodass Marktschwankungen sehr genau ablesbar sind. Es werden zudem die wesentlichen Grundinformationen, wie zum Beispiel Baujahr, Grundstücksgröße, Wohn- oder Nutzfläche sowie die Gebäudeart angezeigt. Dagegen ist die genaue Adresse und wer die Daten eingemeldet hat, nicht ersichtlich. Lediglich eine Postleitzahl dient als geografische Einordnung.

Wie stellen Sie sicher, dass die Banken Ihnen die Immobiliendaten liefern, die Sie benötigen?

Hladil: Wer an die Datenbank angeschlossen werden will, muss auch Daten liefern. Dazu muss ein Datenblatt mit Pflichtfeldern und optionalen Feldern ausgefüllt werden. Die bisherigen Erfahrungen zeigen uns aber, dass die gelieferten Daten sich nicht immer zu 100 Prozent mit dem decken, was wir brauchen. Hier müssen wir nacharbeiten, anpassen und zuweilen sogar transformieren. Wenn also ein Kreditinstitut mit einer viergliedrigen Klassifikation arbeitet, müssen wir mit der Bank klären, wie diese in unsere Skala mit zehn Bewertungsklassen eingepasst werden kann.

Woher haben Sie die zehnstufige Klassifikation und wie transformieren sie?

Hladil: Unser Raster wird beispielsweise auch von der Hypzert verwendet. Im Rahmen der Datenübernahme muss uns jede Bank darlegen, wie sich ihr Bewertungssystem zusammensetzt und wie es in unserem Datensatz zu interpretieren ist, damit unser Bewertungsraster in sich konsistent bleibt. Es findet dabei aber keine Bewertung, Anreicherung oder Veränderung der Daten statt.

Lässt sich mit Ihren Daten auch der Mikrostandort analysieren?

Neumann: Nein, wir gehen im Gegensatz zu anderen Datenbanken, die am Markt angeboten werden, nicht in die mikrogeografische Ebene hinein, sondern liefern nur anonymisierte Vergleichsobjekte und deren ermittelte Werte. Sie finden bei uns keine Angaben zum Käufer oder Verkäufer, zum Mieter, Nutzer oder welche Autos in der Straße parken.

Besteht eine Verbindung zwischen der Immobiliendatenbank und den übrigen Datenbanken der Schufa oder lassen sie sich kombinieren?

Neumann: Nein, gerade das wollen wir nicht. Denn hier entstehen sofort Fantasien, wonach die Bonität einer Person anhand ihres Eigenheims bewertet wird. Wir werden die Verbraucher- und die Immobiliendatenbank strikt auseinander halten. Es wird weder heute noch in der Zukunft Personendaten in der Immobiliendatenbank und umgekehrt auch keine Immobiliendaten in der Verbraucherdatenbank geben.

Welche nächsten Schritte planen Sie? Welcher Ballungsraum soll als nächstes erfasst werden?

Neumann: Wie es nach Berlin weitergeht, wohin wir unser Angebot ausdehnen, entscheidet sich am Ende der Pilotphase. Sicherlich ist das Produkt in den schwierigeren Märkten eher gefragt als beispielsweise in München, wo die Immobilienpreise weiterhin steigen oder zumindest auf absehbare Zeit wahrscheinlich nicht fallen werden. Dort gibt es dem Vernehmen nach keine Probleme mit den Sicherheiten und daher offensichtlich auch weniger Bedarf an einer Immobiliendatenbank.

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