MESSEBERICHT

EXPO REAL 2021: WENIGER IST MEHR

Foto: Messe München GmbH

"Bin ich hier wirklich richtig?" Dieser Gedanke wird sicher einige Immobilienprofis befallen haben, als sie an diesem Montagmorgen, den 11. Oktober, die U-Bahnlinie U2 mit dem Ziel Messestadt West betraten. Denn egal ob man nun bereits am Scheidplatz oder erst einige Stationen später am Sendlinger Tor zustieg - ein freier Sitzplatz war immer zu ergattern. Das wäre vor zwei Jahren, als die U-Bahnfahrt zur Messe doch viele Parallelen zu den intensiven "Nahkörpererfahrungen" auf dem Weg zu einem Champions-League-Spitzenspiel des FC Bayern aufwies, sicher noch unvorstellbar gewesen.

Doch ähnlich wie in so vielen anderen Lebensbereichen, hat das heimtückische Corona-Virus auch hier seinen Tribut gefordert. Unter dem Strich fiel die erste (und zugleich hoffentlich letzte) Expo Real unter diesen außergewöhnlichen Pandemie-Bedingungen mit 1 198 Ausstellern aus 29 Ländern (2019: 2 189/44) sowie 19 200 (2019: 46 747) Teilnehmern wenig überraschend deutlich kleiner aus als gewohnt. Dass der Faktor "Größe" aber rein gar nichts über die Qualität einer solchen Fachmesse aussagt, verdeutlicht die quasi einhellig positive Resonanz der Besucher. "Die Expo ist auch unter Corona-Bedingungen eine hervorragende Plattform und als Arbeitsmesse sowie zum Netzwerken unverzichtbar", fasst es Jochen Schenk, CEO der Real I.S. AG, stellvertretend für die Branche zusammen. Messe-München-Chef Klaus Dittrich war die Erleichterung ob des gelungenen Neustarts bei seinem Gang durch die fünf (statt bisher sechs) Hallen deutlich anzusehen. "Es war eine Atmosphäre der Zuversicht, die überall in den Messehallen zu spüren war", so sein Fazit.

Totgesagte leben länger

Dabei war die gute Annahme der Messe vorab keine Selbstverständlichkeit. Was wurde vor einem Jahr, als die geplante hybride Expo in letzter Minute abgesagt werden musste, nicht alles spekuliert. Selbst die Frage nach der Daseinsberechtigung wurde damals gestellt - voreilig, wie sich nun guten Gewissens sagen lässt. Trefflich auf den Punkt bringt es Klaus Kirchberger, Geschäftsführer der OFB Projektentwicklung GmbH: "Unsere Branche neigt manchmal zur Übertreibung. Viele haben die Expo Real im Vorfeld schon totgesagt. Ich bin daher positiv überrascht, dass dennoch eine große Zahl von hochrangigen Teilnehmern anwesend war, daraus haben sich Gespräche von hoher Qualität ergeben. Die Messe beweist auch jetzt wieder ihren großen Wert für die Immobilienbranche."

Ziemlich diszipliniert hielten sich die Besucher bei alldem an das detaillierte Schutz- und 3G-Hygienekonzept, das insbesondere natürlich das Tragen einer Maske vorsah. Das Erkennen altbekannter Weggefährten wurde dadurch mitunter zwar erschwert ("Bist es wirklich du?!"), doch was nimmt man nach über 18 Monaten ruckelnder Videokonferenzen nicht alles für ein persönliches Gespräch von Angesicht zu Angesicht in Kauf? Und manch einer erkannte sogar die positive Seite: "Mit der FFP2-Maske hat man hier doch eindeutig mehr und bessere Luft als vor der Pandemie ohne sie", stellte ein Besucher korrekt fest. Ein Highlight waren darüber hinaus die nach so langer Zeit etwas unbeholfen anmutenden Begrüßungsrituale: Neben dem guten alten Handschlag erfolgte sie mal per Faust ("Fist Bump"), Ellenbogen oder gar den Füßen - Amüsement-Garantie inklusive.

Definitiv zur Stimmung bei trugen derweil natürlich auch die pünktlich zu Messebeginn von den Maklerhäusern vorgelegten Zahlen zum Immobilien-Investmentmarkt in Deutschland - mehr denn je scheint das Land seinem Ruf als "Safe Haven" gerecht zu werden. So ist im Windschatten der fortschreitenden Pandemiebekämpfung sowie einer weiter auf Erholungskurs bleibenden deutschen Wirtschaft das gewerbliche Immobilien-Investmentvolumen laut BNP Paribas Real Estate (BNPPRE) auf 39,4 Milliarden Euro im ersten Dreivierteljahr 2021 angewachsen. Dieser Wert liegt damit knapp 17 Prozent über dem zehnjährigen Durchschnitt - angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen ein mehr als beachtliches Ergebnis. "Das Vertrauen der Investoren in die deutschen Immobilienmärkte ist ungebrochen", konstatiert BNPPRE-CEO Marcus Zorn.

Besonders freut ihn dabei, dass der Anteil an Einzeldeals mit rund 78 Prozent überproportional hoch geblieben ist. Dies sei ein Zeichen für einen gut funktionierenden Transaktionsmarkt, der nicht von großen Portfolio-Deals abhänge. Und dass alles auf einen sehr starken Jahresendspurt hindeutet, weiß Sascha Becker, Country Head Germany bei Barings Real Estate, zu berichten: "Ich erwarte ein spannendes und sehr betriebsames viertes Quartal. Zum Teil habe ich das Gefühl, als ob versucht wird, alles, was in den vergangenen 18 Monaten an Transaktionen liegen geblieben ist, jetzt noch im letzten Quartal unterzubringen."

Schnäppchenjäger hoffen vergebens

Neben den aktuell ganz besonders begehrten Core-Immobilien sieht Becker dabei aber auch das Value-Add-Segment wieder spürbar an Fahrt aufnehmen: "Allein in den vergangenen rund vier Wochen ist die Anzahl der Angebote, die wir dazu bekommen haben, extrem gestiegen." Durchaus spannende Opportunitäten gibt es nach Einschätzung von Jochen Schenk aber auch im europäischen Ausland: "Die dynamische Wachstumserholung in Spanien spricht für mittelfristiges Mietsteigerungspotenzial und damit attraktiven Investitionsmöglichkeiten in diesem Markt. Dies gilt auch für Frankreich." Für Deutschland geht Zorn im gewerblichen Segment jedenfalls von einem Jahresgesamtvolumen "deutlich jenseits der 50 Milliarden Euro" aus. "Sollte zudem noch die Fusion von Vonovia und Deutsche Wohnen in diesem Jahr vollzogen werden, könnte der hiesige Markt erstmals die Schallmauer von 100 Milliarden Euro an Gewerbe- und Wohnimmobilien durchbrechen", fasst Zorn die rosigen Aussichten zusammen. Zumindest für den Investmentmarkt scheint Corona damit weitgehend abgehakt, wobei es hier im Prinzip ohnehin nie ein großes Thema gewesen zu sein schien. So sind beispielsweise die anfänglichen Hoffnungen mancher Marktteilnehmer auf Schnäppchen infolge Pandemie-bedingter Preisrückgänge selten erfüllt worden, wie Becker erklärt: "Das haben wir fast gar nicht gesehen. Lediglich bei Core-Plus-Büroimmobilien gab es zwischen den Lockdowns im vergangenen Jahr vereinzelt Momente, wo es zu einer Art Miss-Pricing kam. Im Value-Add-Bereich hingegen haben Angebot und Nachfrage in dieser Zeit nicht zusammengefunden. Die Verkäufer waren noch in ihren alten Preisvorstellungen gefangen und standen darüber hinaus in aller Regel auch nicht unter Zugzwang, zu verkaufen." Ähnlich beurteilt Jonas Hafner, Fondsmanager bei REInvest Asset Management, die Situation: "Die Immobilienwerte erwiesen sich als sehr robust in der Pandemie, sie waren quasi eingefroren, auch aufgrund der vorübergehend sehr geringen Anzahl an Vergleichstransaktionen. Stützend wirkte dabei sicher, dass sich die Bestands halter nicht zu Notverkäufen infolge von beispielsweise Liquiditätsengpässen genötigt sahen."

Es gab aber auch einige (wenige) mahnende Stimmen, etwa die von Torsten Hollstein, Geschäftsführer von CR Investment Management, die das dicke Ende erst noch auf die Immobilienbranche zukommen sehen: "Die deutschen Insolvenzverwalter erleben derzeit die größte Flaute seit dem 2. Weltkrieg. Das liegt zum einen an der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, zum anderen an den üppigen Corona-Hilfsprogrammen. Diese künstlichen Stützungsmaßnahmen können aber nicht ewig fortgesetzt werden und das wird letztlich auch noch zu Verwerfungen auf dem gewerblichen Immobilienmarkt führen. Denn die größte Gefahr der Corona-Krise besteht doch darin, dass diejenigen am stärksten betroffen sind, die die Party am Ende bezahlen, nämlich die Mieter."

Dass die Mieter und deren Belange grundsätzlich schon sehr viel Aufmerksamkeit genießen, wurde bei der auf der Messe intensiv, mitunter gar leidenschaftlich geführten Debatte über die Auswirkungen von Homeoffice auf den künftigen Büroflächenbedarf deutlich. Sascha Becker von Barings ist überzeugt, dass viele der Unternehmen, die derzeit stark auf Homeoffice setzen, mit Blick auf ihre Performance Probleme bekommen werden: "Das mag in der kritischen Phase der Pandemie halbwegs funktioniert haben, aber auf Dauer ist ein hoher Homeoffice-Anteil in vielen Fällen einfach eine Gefahr für den Unternehmenserfolg, insbesondere dann, wenn Kreativität gefragt ist, die Komplexität hoch ist und es sich um interdisziplinäre Teams handelt." Klaus Kirchberger von der OFB erwartet dennoch, dass sich der Anteil des mobilen Arbeitens - wo möglich - bei ungefähr 20 bis 30 Prozent einpendeln wird: "Das bedeutet aber im Umkehrschluss nicht, dass die Büroflächennachfrage entsprechend sinkt. Denn einerseits müssen die Unternehmen auch für ihre mobil Arbeitenden Flächen vorhalten, andererseits impliziert der übergeordnete Trend New Work einen tendenziell höheren Flächenbedarf. Am Ende dürften sich diese beiden Effekte nahezu die Waage halten. Darauf deuten auch unsere Neuabschlüsse während der Pandemie hin."

Real I.S.-CEO Jochen Schenk sieht es ähnlich: Laut Umfragen dürfte der Trend eher in Richtung Umgestaltung gehen, um mehr Platz für kreatives Arbeiten und Austausch zu schaffen - also weniger Platz für Schreibtische, aber nicht unbedingt weniger Fläche. Unter dem Strich erwarte ich also eher Nullwachstum als Flächenreduzierung." Einen Tick pessimistischer ist hingegen die Einschätzung von Thomas Köntgen, stellvertretender CEO der pbb Deutsche Pfandbriefbank: "Wir gehen davon aus, dass sich die Büroflächennachfrage aufgrund des Effekts von Homeoffice und unter Berücksichtigung von Gegeneffekten um 10 bis 15 Prozent reduzieren wird. Dieser Rückgang dürfte sich primär bei den Nebenlagen auswirken und insbesondere dann, wenn Investitionen in die Nachhaltigkeit solcher Immobilien mangels entsprechender Mieteinnahmen ausbleiben."

Nachhaltigkeit - das klar dominierende Thema

Wessen Prognose der Wahrheit letztlich am nächsten kommt, werden die kommenden Monate zeigen. Definitiv keine prophetischen Fähigkeiten braucht es jedenfalls, um eine weiter steigende Bedeutung des Faktors "Nachhaltigkeit" für die Immobilienwirtschaft vorherzusehen. Es war das klar dominierende Thema auf der diesjährigen Expo, und das wird es mit Sicherheit auch noch in den nächsten Jahren sein. Der Druck, hier voranzukommen, ist immens und beeinflusst das Geschäft bereits heute massiv, wie Leonhard Sachsenhauser, Founding Partner bei Coros, berichtet: "Die Klimaneutralität sowie der CO2-Fußabdruck und der nachhaltige Beitrag einer Immobilie zur Lebensqualität und Produktivität des Viertels wird zu einem erfolgskritischen Kriterium bei Ankaufs- oder Mietentscheidungen. Schon jetzt steigt die Nachfrage nach grünen Büroflächen signifikant, insbesondere in München oder Berlin, wo Tech-Unternehmen und Dax-Corporates Treiber dieser Nachfrage sind. Hier eröffnen sich tolle Chancen für Green Refurbishments."

Sollte Sachsenhauser dabei zufällig auf einen zum Refurbishment passenden Green Loan angewiesen sein, so könnte er damit unter Umständen bei der pbb landen. Die nämlich hat gerade rechtzeitig zur Messe ihr Produktangebot um grüne Immobilienkredite erweitert: "Mit den grünen Krediten unterstützen wir unsere Kunden bei Investitionen in nachhaltige Immobilien und bei ihrer Positionierung", erklärt Thomas Köntgen. Dabei habe die pbb bereits im vergangenen Jahr begonnen, ihr Neugeschäft systematisch auf der Basis von Umweltkriterien zu analysieren: "Diese Analyse führen wir fort, um zukünftig unser gesamtes Kreditbuch entsprechend klassifizieren zu können, was wiederum die Basis für die Formulierung von Zielen ist", so Köntgen.

Mittendrin in der ESG-Thematik befinden sich natürlich längst auch die Immobilienfondsanbieter. Hier hat die EU mit der im März 2021 in Kraft getretenen Offenlegungsverordnung de facto drei Produktkategorien geschaffen, die die Branche nun gehörig auf Trab halten: Unter Artikel 6 der Verordnung fallen "normale" Fonds, die keinen expliziten Wert auf Umwelt- oder Ethikaspekte legen. Bei Artikel-8-Fonds handelt es sich um "hellgrüne" Sondervermögen, die Umwelt- oder soziale Kriterien im Investmentprozess berücksichtigen. Und Artikel 9 ist schließlich "dunkelgrünen" Fonds vorbehalten, die explizite Nachhaltigkeitsziele verfolgen. Wie sich die Produkte der Real I.S. hier einordnen, verrät Jochen Schenk: "Wir haben schon einige Fonds als ESG-Strategiefonds nach Artikel 8 der EU-Offenlegungsverordnung aufgelegt beziehungsweise Bestandsfonds "nachgerüstet". Bis Ende dieses Jahres sollen dann alle unsere zehn Bestandsfonds den Artikel-8-Anforderungen genügen."

Zugleich plädiert Schenk bei Dringlichkeit dafür, möglichst realistisch an das Thema heranzugehen: "Wir werden den Gebäudesektor nicht über Nacht klimaneutral bekommen. Real I.S. geht das Thema Sanierung deshalb in unterschiedlichen Stufen beziehungsweise schrittweise an. Das ermöglicht es uns, das Portfolio über einen längeren Zeitraum energetisch zu sanieren und ist somit auch wirtschaftlich besser darstellbar." Für Sascha Becker von Barings ist derweil klar, dass das Ganze am Ende nicht nur über bauliche Maßnahmen zu schaffen ist: "Man wird insbesondere auch auf die Produktion von grünem Strom vor Ort angewiesen sein. Da gibt es Stand heute noch einige Hürden. Man denke nur an die steuerlichen Probleme, in die gewerbliche Vermieter laufen, wenn sie grünen Strom an ihre Mieter verkaufen wollen. Da könnte und sollte die Politik unbedingt nachbessern."

Über Hürden bei der Energiewende im Gebäudesektor kann auch die Wohnungswirtschaft ein Lied singen. Lars von Lackum, CEO der LEG Immobilien AG, sieht insbesondere im Bereich des CO2-Handels Verbesserungspotenzial: "Die momentane Systematik bei der Bepreisung von CO2, sprich mit Verkehr und Gebäudewärme auf der einen, und den übrigen Sektoren auf der anderen Seite, entfaltet keine optimale Lenkungswirkung. Darüber hinaus ist es ineffizient und teuer." Er plädiert deshalb für die Schaffung eines einheitlichen europäischen Marktes für alle Sektoren, damit könnten laut Schätzung des ZEW jährlich 150 Milliarden Euro an CO2-Vermeidungskosten eingespart werden. "Das wäre eine wichtige Maßnahme, der natürlich viele weitere folgen müssen, beispielsweise im Bereich der Subjektförderung", so von Lackum.

Letzterer Aspekt wäre dann eine Aufgabe für die neue, voraussichtlich rot-grüngelbe Bundesregierung, mit der sich von Lackum durchaus anfreunden kann: "Eine Ampel-Koalition kann für Deutschland einen echten Neuaufbruch bedeuten, denn die drei Parteien bringen genau die Elemente ein, die zur Bewältigung der anstehenden Herausforderungen unverzichtbar sind: Die Grünen stehen für den Klimaschutz, die FDP für die Marktwirtschaft und die SPD repräsentiert das Soziale. Im Prinzip ist das also ein idealer Dreiklang, der enormes Potenzial birgt - auch mit Blick auf die Wohnungspolitik." Gute Denkanstöße für die Politik hat auch Tanja Volksheimer, Senior Portfolio Manager von Nuveen Real Estate und Co-Leiterin des Arbeitskreises Immobilien bei der Bun des initiative Impact Investing: "Es gibt hierzulande unzählige Förderprogramme rund um das Thema bezahlbares Wohnen. Das verursacht einen enormen administrativen Aufwand. Hier wäre eine Vereinfachung wirklich wünschenswert. Dasselbe gilt natürlich für die Unmengen an Bauvorschriften."

Kreditfonds im Aufwind

Davon abgesehen bot die Expo Real wie gewohnt eine breite Palette an Themen, die ein wenig im Schatten von ESG und Corona standen, deshalb aber freilich nicht minder spannend waren. Beispiel Kreditfonds: Diese Vehikel sind zuletzt förmlich aufgeblüht, wie Ralf Kind, Head of Real Estate Debt bei Edmond de Rothschild, zu berichten weiß: "Debt ist ein Gewinner der Krise. Der Markt hat sich in den vergangenen Monaten gedreht, Banken sind noch vorsichtiger bei der Kreditvergabe geworden. Entsprechend suchen Investoren nach Alternativen." Der stetig steigenden Zahl an Playern sieht er dabei gelassen entgegen: "Es kommen zwar immer mehr Wettbewerber in den Markt. Aber solange der Kuchen insgesamt größer wird, mache ich mir keine Sorgen." Und Luft nach oben ist vorhanden: Während in den USA der Marktanteil der Kreditfonds an den gesamten Immobilienfinanzierungen bereits rund 40 Prozent erreicht hat, sind es in Kontinentaleuropa erst 6 Prozent.

Interessanterweise dringen die Kreditfonds dabei mitunter in den bislang eigentlich klassischen Immobilienbanken vorbehaltenen Senior-Debt-Bereich vor. Wächst den "Platzhirschen" hier also ernstzunehmende Konkurrenz heran? Manuel Köppel, Vorstand der BF.direkt AG, gibt Entwarnung: "In der gewerblichen Immobilienfinanzierung sind Banken und Kreditfonds meistens keine Konkurrenten. Stattdessen sind die beiden Akteure häufig in unterschiedlichen Phasen im Lebenszyklus einer Immobilie tätig und ergänzen sich also weitgehend. Entsprechend partnerschaftlich verläuft auch die Zusammenarbeit." Torsten Hollstein von CR schätzt die Perspektiven für die Assetklasse derweil skeptisch ein: "Im Unterschied zur Finanzkrise sind es diesmal nicht die Banken, die zu risikofreudig agiert haben. An ihre Stelle sind zumeist Mezzanine- und Debt-Fonds getreten, von denen einige die Auswirkungen noch deutlich zu spüren bekommen werden."

Munter zu ging es wie gewohnt bei den schwerpunktmäßig in Halle A2 angesiedelten Proptechs. Die "Tech Alley", ein spezieller Ausstellungsbereich für Start-ups, sowie das angrenzende "Real Estate Innovation Forum", brachten wie gewohnt die Newcomer mit den etablierten Immobilienunternehmen zusammen. Für Letztere ist die proaktive Auseinandersetzung mit den Innovationsideen inzwischen gang und gäbe. "Wir werden tagtäglich von Proptechs mit neuen Ideen angesprochen. Im Vordergrund steht dabei die Kompatibilität unserer Datenbanken intern und auch extern. Es wäre kontraproduktiv, für die Dateneffizienz Insellösungen zu schaffen. Wir arbeiten deshalb gerne mit Anbietern zusammen, die zumindest von den Problemlösungen und Schnittstellen her viele Aspekte, also quasi ein größerer Teil des Workflows, aus einer Hand anbieten können", berichtet Jochen Schenk von Real I.S.

Sascha Becker von Barings zweifelt indes an Proptech-Ansätzen, die etwa mithilfe umfangreicher Transaktionsplattformen versuchen, eine Art "Eierlegende Wollmilchsau" zu etablieren: "Vom Gedanken her ist das gut, aber da die kritische Masse zu bekommen, könnte schwierig werden. Wir von Barings schielen eher auf Lösungen für "kleine" Probleme, etwa im Bereich Artificial Intelligence und Machine Learning. Solche Innovationen helfen insbesondere bei der Auswertung von Dokumenten und Daten."

Rückkehr der Inflation

Ob Machine Learning mit Blick auf den zuletzt spürbar gestiegenen Inflationsdruck sowie den damit einhergehenden Implikationen für die Immobilienwirtschaft brauch bare Antworten liefern kann, muss indes wohl mit einem Fragezeichen versehen werden. Denn nach der sehr langen Phase äußerst niedriger Teuerungsraten mangelt es schlicht an Erfahrungswerten, die ein solch künstliches System angemessen füttern könnten. Nichtsdestoweniger war das Thema Gegenstand vieler Gespräch auf der Messe. Dazu Thomas Köntgen von der pbb: "Gewerbliche Immobilienmärkte vertragen Inflation grundsätzlich recht gut, da die Mieten in aller Regel indexiert sind. Sollten die derzeit zu beobachtenden Inflationstendenzen aber zu einem sprunghaften Anstieg der Inflation führen, dann müssten auch die Immobilienrenditen steigen. Das wird man weiter genau beobachten müssen."

Dass sich die Europäische Zentralbank im Zuge dessen zu Zinsanhebungen genötigt sehen könnte, ist allen klar, auch wenn niemand wirklich glaubt, dass dies zu einer Gefahr für die Assetklasse Immobilien werden könnte: "Angesichts des aktuellen Negativzinsumfeldes ist hier noch viel Luft, bevor ein Zinsanstieg für den Immobilienmarkt bedrohlich werden könnte", bringt es Jochen Schenk auf den Punkt. Ob Corona oder Inflation: An der Immobilie führt so schnell also kein Weg vorbei, dieses Sentiment war auf der Expo letztlich allgegenwärtig - und das sicher auch zu Recht.

Gleichwohl wird es von diesem hohen Maß an Resilienz in Zukunft nicht weniger brauchen. Die Klimaneutralität im Gebäudesektor ist dabei zweifellos die alles überstrahlende Herkulesaufgabe, von der heute noch keiner so recht weiß, wie sie konkret finanziert geschweige denn bis 2045 erreicht werden soll. Nicht zu unterschätzen ist darüber hinaus aber beispielsweise auch die Notwendigkeit, mehr Durchmischung in den Objekten zu erreichen, wie Leonhard Sachsenhauser von Coros betont: "Die seit der Nachkriegszeit dominierende Funktionstrennung in einzelne Assetklassen wie Büro, Wohnen, Einzelhandel hat ausgedient. Monolithische, gesichtslose Einkaufsstraßen, Bürowüsten oder Schlafstädte erfassen nicht mehr ein Lebensgefühl moderner Stadtgesellschaften. Sie verkörpern kein urbanes Flair und werden künftig nicht mehr funktionieren - aus Mieter- wie aus Investorensicht."

Welches Resümee lässt sich damit also für diese drei schönen, intensiven, außergewöhnlichen Messetage ziehen? Der Branche geht es im Großen und Ganzen weiter sehr gut, sie blickt optimistisch in die Zukunft, hat die Risiken dabei aber fest im Blick. Und last, but not least: Die Expo Real bleibt ein absoluter Pflichttermin - im nächsten Jahr dann sogar wieder mit der Wiesn als Ouvertüre. ph

Die nächste Expo Real findet von Dienstag, den 4. Oktober, bis Donnerstag, den 6. Oktober 2022, in den Münchener Messehallen statt.

"Die Expo ist auch unter Corona-Bedingungen eine hervorragende Plattform und als Arbeitsmesse sowie zum Netzwerken unverzichtbar."Jochen Schenk"Unsere Branche neigt manchmal zur Übertreibung. Viele haben die Expo Real im Vorfeld schon totgesagt."Klaus Kirchberger"Die Immobilienwerte erwiesen sich als sehr robust in der Pandemie, sie waren quasi eingefroren."Jonas Hafner"Die größte Gefahr der Corona-Krise besteht doch darin, dass diejenigen am stärksten betroffen sind, die die Party am Ende bezahlen, nämlich die Mieter."Torsten Hollstein"Eine Ampel-Koalition kann für Deutschland einen echten Neuaufbruch bedeuten."Lars von Lackum"Man wird insbesondere auch auf die Produktion von grünem Strom vor Ort angewiesen sein. Da gibt es Stand heute noch einige Hürden."Sascha Becker"In der gewerblichen Immobilienfinanzierung sind Banken und Kreditfonds meistens keine Konkurrenten."Manuel Köppel"Es gibt hierzulande unzählige Förderprogramme rund um das Thema bezahlbares Wohnen. Das verursacht einen enormen administrativen Aufwand."Tanja Volksheimer"Gewerbliche Immobilienmärkte vertragen Inflation grundsätzlich recht gut, da die Mieten in aller Regel indexiert sind."Thomas Köntgen

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