Alternative Finanzierungen: ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der Branche

Jörg Scheidler; Quelle: Engel & Völkers

Laut einer Umfrage von Engel & Völkers Investment Consulting sehen sich Projektentwickler und Bauträger zunehmend mit Problemen hinsichtlich der Finanzierung ihrer Immobilienentwicklungen konfrontiert: Über die Hälfte der befragten Entwickler äußerte, dass sie aus Gründen der Finanzierbarkeit 2020 Transaktionen abbrechen musste. Dieses Ergebnis macht deutlich, dass alternative Finanzierungen künftig eine immer entscheidendere Rolle in der Immobilienwirtschaft spielen werden. Ein zentraler Grund dafür ist die restriktive Bankenpolitik, die sich in den kommenden Jahren weiter verschärfen wird. Die Umsetzung zentraler Bestandteile des seit 2014 eingeführten internationalen Bankenstandards Basel III wurde aufgrund der Corona-Pandemie zwar auf Januar 2023 verschoben, die bisher schon hohen Hürden bei der Kapitalvergabe bleiben jedoch unvermindert bestehen.

Das Pandemie-Geschehen stellt eine zusätzliche Belastung für die Initiierung und Fertigstellung von Bauvorhaben dar. Coronabedingte Verzögerungen im Bauprozess bringen unerwartete Kostensteigerungen mit sich und erhöhen die Nachfrage nach flexiblen Finanzierungsstrukturen. Gleichzeitig führt die Krise zu einer stärkeren Marktvolatilität mit zunehmend negativen Risikobewertungen seitens klassischer Kapitalgeber - und so zu einem insgesamt vorsichtigeren Finanzierungsverhalten der Banken. Dies gilt in erster Linie für Assetklassen, die von der Krise besonders stark getroffen wurden, wie Hotel- und Retailimmobilien, aber teilweise auch Büroimmobilien.

Die fremdkapitalseitige Lücke, die die klassischen Finanzierer in diesen Segmenten hinterlassen, muss durch flexible und schnelle Kreditvergabeprozesse geschlossen werden. In jeder Phase eines Bauvorhabens müssen Projektentwicklern passende Mittel für Überbrückungs- beziehungsweise Begleitfinanzierungen zur Verfügung stehen, um auch dem Immobilienmarkt die nötige Stabilität zu geben und ein nachhaltiges Wachstum zu gewährleisten. Von nachrangig besicherten Kapitalinstrumenten, Whole-Loan-Strukturen, Eigenkapital-Lösungen wie Private Equity über mittelbare Finanzierungen durch Forward Commitments bis hin zu Mezzanine-Kapital stellen alternative Finanzierer ein breites Spektrum an Möglichkeiten bereit und leisten somit einen entscheidenden Beitrag zur Stabilität und Erholung der Immobilienwirtschaft sowie der deutschen Wirtschaft insgesamt.

Alternative Finanzierungsinstrumente sind nicht nur existenziell, wenn es um die Bewältigung von Krisen geht. Auch überraschend positive Marktentwicklungen können flexiblere Strukturen notwendig machen: Die Corona-Pandemie und der damit einhergehende Lockdown haben im Bereich der Logistikimmobilien einen unerwarteten Boom ausgelöst. Damit Projektentwickler die stark gestiegene Nachfrage bedienen und dem zunehmenden Wettbewerbsdruck in den entsprechenden Marktsegmenten gerecht werden können, bedarf es ebenfalls schneller Kapitalvergabeprozesse, die es erlauben, Projekte zügig zu realisieren.

Auch ohne globale Ausnahmesituationen ist die immer schnellere Anpassung an neue Trends zur zentralen Anforderung an die Akteure der Immobilienwirtschaft geworden. Ob bei der Einhaltung von ESG-Kriterien, der Erfüllung digitaler Standards oder der Berücksichtigung von Entwicklungen wie New Urbanism - wer nicht schnell genug agiert, wird Opfer des zunehmenden Selektionsdrucks. Diese Anpassungsfähigkeit kann seitens der Projektentwickler nur gewährleistet werden, indem flexible Finanzierungsstrukturen von alternativen Kapitalgebern bereitgestellt werden, die nicht nur entsprechend liquide, sondern durch ihre schlanken Strukturen auch in der Lage sind, schnelle Entscheidungen zu treffen. Insgesamt bedarf es zunehmend einer vielfältigen Finanzierungslandschaft, die durch das Zusammenwirken klassischer Kreditinstitute und alternativer Kapitalgeber mit zusätzlichen Finanzierungsinstrumenten neue Opportunitäten am Markt schafft und damit das Rüstzeug für ein nachhaltiges Wachstum der deutschen Immobilienwirtschaft liefert.

Jörg Scheidler, Mitglied des Vorstands, Engel & Völkers Capital AG, Hamburg

Jörg Scheidler , Mitglied des Vorstands, Engel & Völkers Capital AG, Hamburg
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