BGH: Steuerfragen keine "Nebenpflicht" des Maklers

Bundesgerichtshof

Der Eigentümer eines Mehrfamilienwohnhauses, das er 2004 zu einem Preis von 170 000 Euro erworben hatte, beauftragte 2013 einen Immobilienmakler mit dem Verkauf dieses Objekts. Der Makler fand einen Kaufinteressenten. Um dessen mögliches "Abspringen" abzuwenden, drängte der Makler den Auftraggeber zu schnellem Vertragsabschluss. Demgemäß wurde der notarielle Kaufvertrag mit dem Interessenten im Juli 2013 - vor Ablauf der steuerlichen Zehnjahresfrist - zu einem Kaufpreis von 295 000 Euro abgeschlossen. Der Notar hatte wie üblich in der Urkunde festgehalten, dass er keine steuerliche Beratung erteilt habe.

Der Verkäufer erhielt alsbald zu seiner großen Überraschung eine Steuerforderung des Finanzamtes von zirka 50 000 Euro für den "steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn", die er nolens volens bezahlte. Da er der Meinung war, dass der Makler ihn auf diese Steuerpflicht hätte hinweisen müssen, erhob er Klage gegen ihn auf Schadensersatz. Aus dem Grundbuch sei für den Makler die noch nicht abgelaufene Zehnjahresfrist erkennbar gewesen, sodass es dessen (Neben-)Pflicht gewesen sei, auf diesen Steuertatbestand hinzuweisen. Mit seiner Klage scheiterte der Verkäufer jedoch in allen drei Instanzen. Der BGH stellte dem Revisionsurteil vom 12. Juli 2018 (Aktenzeichen I ZR 152/17) drei Leitsätze voraus, die ihrer klaren Diktion und Verständlichkeit wegen hier wörtlich wiedergegeben werden:

1. Einen Makler trifft beim Fehlen einer entsprechenden Vereinbarung grundsätzlich keine vertragliche Nebenpflicht, steuerrechtliche Fragen zu prüfen, die sich im Zusammenhang mit dem Vertrag stellen, den er vermittelt oder (...) nachweist und seinen Auftraggeber über die in diesem Zusammenhang relevanten Umstände aufzuklären.

2. Abweichendes gilt im Einzelfall ausnahmsweise etwa dann, wenn der Makler sich hinsichtlich bestimmter Steuerfragen als Fachmann geriert, wenn er sich beispielsweise in seiner Werbung einer langjährigen Tätigkeit und Erfahrung berühmt, wenn der Auftraggeber hinsichtlich vertragsrelevanter Umstände erkennbar rechtliche Belehrung bedarf oder wenn der Makler den Auftraggeber zu einem riskanten Vorgehen veranlasst oder ihn sonst zu einem unvorteilhaften und überstürzten Vertragsschluss verleitet.

3. Ein Makler, der einen Grundstücksverkauf vermittelt, ist nur dann gehalten, auf mögliche steuerrechtliche Folgen des vermittelten Geschäfts hinzuweisen, wenn er aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles Anlass zu der Vermutung haben muss, seinem Kunden drohe ein Schaden, weil er sich der Gefahr des Entstehens einer besonderen Steuerpflicht wie etwa gemäß § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht bewusst ist."

Mit diesem Urteil hat der BGH den Immobilienmaklern und deren Auftraggebern eindeutige und verständliche Grundsätze an die Hand gegeben, denen im Wesentlichen zuzustimmen ist. Das gilt vor allem für das Prinzip, dass ein Makler nur dann auf Schadensersatz haftet, wenn er eine im Maklervertrag vorgegebene Aufklärungs- oder Beratungspflicht schuldhaft (also vorsätzlich oder fahrlässig) verletzt hat. Und ferner, dass diese Haftung grundsätzlich nicht beziehungsweise nur in den vom BGH aufgeführten Sachverhalten aufgrund einer im Maklervertrag zwar nicht benannten, aber aus dem Vertragsverhältnis abzuleitender Nebenpflicht des Maklers besteht.

Allerdings stellt sich in dem konkreten vom BGH entschiedenen Fall die Frage, ob der Makler nicht doch im Sinne des dritten Leitsatzes auch ohne entsprechende Vereinbarung den Auftraggeber auf die drohende Besteuerung seines Veräußerungsgewinns wegen Unterschreitung der Zehnjahresfrist hätte hinweisen sollen. Denn er hatte doch vor dem Hintergrund seines Drängens zu schnellem Vertragsabschluss wohl "Anlass zu der Vermutung", dass sein Auftraggeber diese Steuerpflicht möglicherweise nicht kennen würde, die man aber andererseits als zum "Grundwissen" eines Immobilienmaklers gehörig unterstellen sollte.

Zwar ist der Ansicht eines Kommentators dieses Urteils (Wachter in EWiR 2019 S. 45) zuzustimmen, dass "angesichts der Komplexität des deutschen Steuerrechts eine steuerliche Prüfung von einem Makler nicht ernsthaft erwartet werden (könne)". Dennoch meine ich, dass der BGH hier dem Makler durchaus hätte vorhalten können, einen für den Auftraggeber offenkundig essenziellen Hinweis unterlassen zu haben. Das wäre für die Haftungsfrage nicht ohne Einfluss geblieben. Die Immobilienmakler sollten insofern dieses BGH-Urteil nicht nur als sie "enthaftenden" Freibrief zur Kenntnis nehmen, sondern auch als Anregung, ihre in vielen Fällen rechtlich unkundigen Auftraggeber zumindest im Rahmen des eigenen beruflichen Wissensspektrums über drohende "Stolperfallen" insbesondere steuerlicher Art auch unaufgefordert oder nicht durch den Maklervertrag verpflichtet zu informieren.

RA Dr. Claus Steiner, Wiesbaden

Dr. Claus Steiner , Rechtsanwalt, Wiesbaden
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