BGH-Urteil trifft Bausparkassen hart

Bundesgerichtshof

Wieder einmal hat der BGH mit harter Hand gegen die Kreditwirtschaft "zugeschlagen": Dieses Mal waren die Bausparkassen das Ziel, also eine Institutsgruppe, die schon durch die EZB-Zinspolitik unter erheblichen Rentabilitätsdruck geraten ist. Er könnte sich nun weiter verstärken. Da die Justiz bekanntlich "ohne Ansehen der Person" entscheidet, konnte die Branche nicht darauf hoffen, dass der BGH wegen ihrer erwartbaren Folgeprobleme seine juristischen Maßstäbe relativieren und von seinem für "rechtens" gehaltenen Wege abweichen würde. Mit Urteil vom 8. November 2016 (Aktenzeichen XI ZR 552/15 - abgedruckt in ZIP 2017 S.67ff.) hat der BGH der von einem Verbraucherverband beklagten Bausparkasse nun attestiert (und damit praktisch allen Bausparkassen), dass ihre tradierte Praxis nach § 307 BGB im Verhältnis zu Verbrauchern unwirksam sei, in Bausparverträgen formularmäßig eine Darlehensgebühr (in aller Regel von zwei Prozent) festzulegen und bei Auszahlung dem Kunden zu belasten.

Mit dieser Entscheidung hat der BGH zwar eine angesichts widerstreitender OLG-Urteile bestehende Rechtsunsicherheit beendet. Er hat damit aber zugleich einen "Lebensnerv" der Bausparkassen getroffen. Der Bankensenat des BGH hält diese Darlehensgebühr für eine "gerichtlicher Klauselkontrolle unterliegende Preisnebenabrede", die dahin zu verstehen sei, dass mit ihr keine konkrete Gegenleistung bepreist werde. Sie diene vielmehr der "Abgeltung von Verwaltungsaufwand", der für Tätigkeiten der Bausparkasse im Zusammenhang mit dem Bauspardarlehen anfalle. Die Gebührenklausel weiche von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab, weil sie ein Entgelt erhebe, das "abweichend vom gesetzlichen Leitbild für Darlehensverträge" (das nach § 488 Absatz 1 Satz 2 BGB einen laufzeitabhängigen Zins vorsehe) nicht laufzeitabhängig ausgestaltet sei. Dieses Leitbild gelte auch für Verträge über Bauspardarlehen, und zwar ungeachtet der Tatsache, dass § 5 Absatz 3 Nr. 3 BSpKG die Bausparkassen verpflichtet, alle Kosten und Gebühren in ihre AGB aufzunehmen.

Es entspreche im Übrigen ständiger Rechtsprechung des BGH, dass formularmäßige Entgeltklauseln dann mit wesentlichen Grundgedanken der Rechtsordnung unvereinbar seien, wenn Aufwand auf den Kunden für Tätigkeiten abgewälzt werde, zu denen der Verwender der Klausel gesetzlich oder nebenvertraglich selbst verpflichtet sei oder die er überwiegend im eigenen Interesse erbringe. Das gelte auch für die formularmäßigen Gebührenklauseln in Bausparverträgen. Die Vertragspartner der Bausparkasse würden durch so abweichende Klauseln unangemessen benachteiligt. Der BGH hebt dazu hervor, dass die Gebühr auch nicht etwa "im kollektiven Gesamtinteresse der Bauspargemeinschaft erhoben (werde), da sie keinen Beitrag zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Bausparwesens (leiste)". Auch werde die Gebühr nicht durch Individualvorteile für Bausparkunden (zum Beispiel günstige Darlehenszinsen) ausge glichen.

Die Entscheidung des BGH folgt der europarechtlich vorgegebenen, formstreng an die sogenannten "Grundgedanken der gesetzlichen Regelung" gebundenen Linie, die den Verbraucher vor formularmäßigen (dieser Begriff gilt extensiv) vertraglichen Verpflichtungen schützen soll, die nicht im Einzelfall dispositiv ausgehandelt wurden, dem Partner aber zugleich ein über den jeweiligen gesetzlichen Rahmen hinausgehendes und ihn daher "benachteiligendes" Maß an Pflichten auferlegt. Dass man Darlehensgebühren für Bauspardarlehen nicht zwingend in dieses strenge Raster einordnen musste, haben die früheren Urteile mancher Oberlandesgerichte gezeigt, die die Wirksamkeit der Klausel anerkannt haben. Nun aber muss für die Bausparkassen gelten: Karlsruhe locuta - causa finita! Sie werden sich jetzt neben ihren anderen Problemen (wie das der Kündigung nicht in Anspruch genommener Bausparverträge) auf die Rückforderungen von Darlehensgebühren einstellen müssen. Wie wenig die Justiz an solche Folgeprobleme von Prozessparteien denkt, zeigt sich in dem BGH-Urteil besonders deutlich an der Stelle, wo die Richter meinen, dass die Bausparer ja hinnehmen müssten, "dass ihre Spareinlagen bezogen auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Bausparvertrags nur vergleichsweise niedrig verzinst werden" und dass sie ihr "niedrig verzinsliches Bauspardarlehen nur dann erhalten, "wenn sie ... bei Abschluss des Bausparvertrags auf eine marktgerechte Verzinsung ihrer Spareinlagen verzichten". Ob sie dabei an ihre eigenen vor Jahrzehnten abgeschlossenen Bausparverträge gedacht haben?

Dr. Claus Steiner, Rechtsanwalt, Wiesbaden

Dr. Claus Steiner , Rechtsanwalt, Wiesbaden
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