Büroentwicklungen in Berlin: mehr Friedrichshain wagen

Joshua Abadayev, Geschäftsführer, Atrium Development Group GmbH, Berlin

Wenn in der Immobilienfachwelt von Start-ups die Rede ist, dann meist im Kontext möglicher Kooperationen: Ihre neuen Digitaltechnologien sollen Prozesse vereinfachen, Produkte verbessern, Kunden glücklicher machen. Vom Start-up als Mieter ist hingegen seltener die Rede. Allzu häufig wird außen vor gelassen, dass auch junge Gründer moderne und vor allem erschwingliche Büroflächen jenseits der Coworking Spaces benötigen, damit sie ihre Wachstumspotenziale auch tatsächlich freisetzen können. Die Flächen dafür stehen jedoch nur sehr begrenzt zur Verfügung. An keinem anderen Ort wird der Gegensatz so deutlich wie in der Bundeshauptstadt. Inzwischen entsteht jedes vierte neu gegründete deutsche Start-up in Berlin. Gemeinsam mit dem Silicon Valley und Tel Aviv gilt die Spreemetropole als weltweite Start-up-Hochburg - und das bleibt nicht ohne Folgen: Seit Jahren verzeichnet Berlin eine bundesweit einzigartige Sonderkonjunktur. Das Wirtschaftswachstum lag mit 3,1 Prozent verglichen mit dem deutschen Durchschnitt mehr als doppelt so hoch. Maßgeblich dafür verantwortlich ist der sogenannte TMT-Sektor, der die Bereiche Technologie, Medien und Telekommunikation umfasst.

Prinzipiell steht einer Fortsetzung dieser Erfolgsstory nichts im Wege - denn sowohl die niedrigen Geschäftskosten als auch die zahlreichen jungen Fachkräfte, die an den vier großen Universitäten Berlins ausgebildet werden, sorgen weiterhin für exzellente Ausgangsbedingungen. Wer jedoch den rasant wachsenden Flächenmangel betrachtet, erkennt schnell die Problematik für junge Gründer: Aktuelle Erhebungen von CBRE zeigen eine Leerstandsquote von 1,4 Prozent. Innerhalb von zwölf Monaten hat sich die Summe der in der Hauptstadt zur Verfügung stehenden Büro flächen mehr als halbiert - und betrug zur Jahresmitte 2019 nur noch rund 263 000 Quadratmeter. Die Berliner Immobilienwirtschaft hat bereits auf diesen Flächenmangel reagiert und die Bautätigkeit kräftig angekurbelt. Der Neubau-Büroflächenumsatz stieg im zweiten Quartal 2019 um beachtliche 43,3 Prozent. Das heißt jedoch keinesfalls, dass sich das Flächenproblem für Start-ups in einigen Jahren von selbst lösen wird. Denn allzu oft stehen bei Neuentwicklungen nicht die jungen Wachstumsunternehmen, sondern etablierte Mittelständler oder Konzerne mit entsprechend großen Flächenzuschnitten im Fokus. Zudem werden zahlreiche Objekte nach wie vor eher nach Schema F entwickelt. Man setzt auf altbewährte Konzepte und schematische, schnell umsetzbare Grundrisse. Das Problem: Ein Projektentwickler kann in der aktuellen Marktlage auch eine solche Immobilie schnell und zu guten Konditionen weiterverkaufen. Spätestens im zweiten oder dritten Mietzyklus sind diese Flächentypen jedoch veraltet und für langfristig orientierte Bestandshalter kaum mehr vermietbar - bezüglich der Nachhaltigkeit eines solchen Ansatzes lassen sich also berechtigte Zweifel äußern.

Stattdessen ist es wichtig, gerade in Berlin neue Ansätze zu erproben. Eine flexible Mischung aus größeren und kleineren Teilflächen für unterschiedliche Mieterprofile sorgt dafür, dass sich sowohl Start-ups als auch etablierte Player in ein und derselben Immobilie ansiedeln können. Werden darüber hinaus die wichtigen Nutzungsanforderungen der Zukunft - Stichwort Well-Being - berücksichtigt, bleibt die Fläche auch für die kommenden Mietzyklen attraktiv. Investoren dürfen sich also stabile Wertzuwächse versprechen. Aber auch was den Standort betrifft, ist von Projektentwicklern aktuell Mut gefragt. Es müssen nicht immer die inzwischen oft überteuerten A-Lagen sein. Hierbei sollten sich Entwickler mit Fokus auf Büroimmobilien von der Wohnungswirtschaft inspirieren lassen, die bereits seit Längerem aufstrebende Kieze wie Moabit, den Wedding oder allen voran Friedrichshain für sich entdeckt hat. Diese Lagen sind auch für Start-ups erschwinglich und versprühen mindestens genauso viel Charme wie der eher überlaufene Potsdamer Platz. Inzwischen kehren schließlich immer mehr Start-ups den klassischen Lagen freiwillig den Rücken - zumindest, sofern ihnen die passende Fläche zur Verfügung steht.

Joshua Abadayev, Geschäftsführer, Atrium Development Group GmbH, Berlin

Joshua Abadayev , Geschäftsführer, Atrium Development Group GmbH, Berlin
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