Core oder Value-Add: Auch eine Frage der Finanzierung?

Morten Hahn, Geschäftsführender Gesellschafter, Dr. Lübke & Kelber GmbH, Frankfurt am Main

Die neue Normalität bei der Immobilienfinanzierung in Zeiten von Covid-19 lässt sich in den folgenden Punkten zusammenfassen: Einerseits sind Banken krisenbedingt und aus regulatorischen Gründen im Neugeschäft kritischer geworden. Daraus folgen höhere Zinsen sowie höhere Eigenkapitalquoten für Kreditnehmer, insbesondere bei Projektentwicklungen und Value-Add-Objekten. Andererseits ist jedoch nach wie vor enorm viel Liquidität im Markt; deutsche und internationale Investoren suchen nach rentablen und sicheren Anlagemöglichkeiten.

Bei den Immobilienanlagen institutioneller Investoren zeichnet sich dabei eine deutliche Verschiebung ab: Während die vergangenen Jahre aufgrund der zunehmenden Renditekompression von einer höheren Risikoaffinität und einer Fokussierung hin zu Core-Plus und Value-Add-Projekten geprägt waren, stehen aktuell wiederum risikoärmere Core-Objekte im Fokus. Gefragt sind vor allem Immobilien jüngeren Baujahres mit langfristigen Mietverträgen und stabilen und bonitätsstarken Mietern in guten oder sogar sehr guten Lagen. Vor allem Banken und Versicherer sind in diesem Branchensegment als Kapitalgeber aktiv, wobei sie dabei eher konservativer ans Werk gehen. Entsprechend ziehen die Preise für Immobilienfinanzierungen im Vergleich zu 2019 tendenziell leicht an.

Anders sieht die Situation für Projektentwicklungen und Value-Add-Objekte aus, bei denen sich die Kapitalkosten im Vergleich zu 2019 erheblich verteuern. Gerade für Projekte, die spekulativ errichtet werden und noch nicht vorvermietet sind, können die Risikoaufschläge sogar noch größer ausfallen - oder die Finanzierung wird gar nicht erst bewilligt. Die Folge davon ist, dass risikoaffine Investments teilweise nur noch mit sehr viel Eigenkapital getätigt werden können und somit der mögliche Anlegerkreis stark dezimiert wird. Die Zeit des billigen Geldes scheint für einige Marktteilnehmer somit erst einmal passé zu sein, das Gleiche gilt für die zuletzt durchschnittlichen Eigenkapitalquoten von rund 30 Prozent. Die Verschiebung der Basel-IV-Eigenkapitalanforderungen an (Immobilien-)Finanzierungen ab 2023 gibt den Banken allerdings in der Corona-Krise noch Handlungsspielraum.

Bei den meisten Transaktionen ziehen sich Finanzierungverhandlungen zudem deutlich länger hin als vor der Krise. Viele Finanzinstitute prüfen insbesondere die Zahlungsbereitschaft der Mieter und bereits existente Mietausfälle. Im Zuge der allgemeinen Unsicherheit werden Transaktionen häufiger verschoben und somit die Märkte entschleunigt. Die eingeschränkten Transaktionsaktivitäten vor allem im Value-Add-Segment sind daher keinesfalls auf mangelndes Interesse zurückzuführen. Hinzu kommt, dass einige Investoren aufgrund der vorhandenen Eigenkapitalbasis aktuell nur eingeschränkt handlungsfähig sind. Erst mit einer zunehmenden Stabilisierung der Wirtschaft und einer gesicherten Nachfragesituation bei Gewerbeflächen nehmen die Risikofaktoren für offensivere Investments ab. Es bleibt dann zu hoffen, dass die Banken entsprechend nachziehen und ihre Restriktionen gegenüber der Finanzierung von Value-Add-Investments lockern, auch wenn sie zukünftig für etwaige Kreditausfälle oder Wertberichtigungen mehr Vorsorge tragen müssen.

Morten Hahn, Geschäftsführender Gesellschafter, Dr. Lübke & Kelber GmbH, Frankfurt am Main
Peter Valy, Head of Transaction München, Dr. Lübke & Kelber GmbH, Frankfurt am Main

Morten Hahn , Geschäftsführender Gesellschafter, Dr. Lübke & Kelber GmbH, Frankfurt am Main
Noch keine Bewertungen vorhanden


X