Digitalisierung: Licht und Schatten

Philipp Hafner, Quelle: Verlag Helmut Richardi

Fünf Jahre - das ist in Zeiten der Digitalisierung eine halbe Ewigkeit. Und genau in dieser Tatsache liegt auch der Charme der jüngst zum fünften Mal erschienenen Digitalisierungsstudie von ZIA und EY begründet: Wo steht die Branche bei der digitalen Transformation heute im Vergleich zum Herbst 2016? Das erfreuliche: Entgegen dem ihr vorauseilenden Ruf eines schwerfälligen Tankers unfähig zur Adaption an die Moderne hat die Immobilienwirtschaft durchaus Schritte in die richtige Richtung gemacht - keine riesigen zwar, aber immerhin stimmt die Stoßrichtung.

Davon zeugt die "Jubiläumsausgabe" an vielen Stellen. So erinnert ZIA-Innovationsbeauftragter Martin Rodeck beispielsweise daran, dass vor fünf Jahren den meisten Marktteilnehmern der Begriff "Proptech" überhaupt noch nicht geläufig war und dementsprechend erstmal eine Definition vorgelegt werden musste. Heute dagegen arbeite die Branche an vielen Stellen Hand in Hand mit den Tech-Start-ups. Abseits solch eher anekdotisch geprägter Belege identifizieren ZIA und EY durchaus auch harte, sprich monetäre Fortschritte. So steigt insbesondere die Bereitschaft für signifikante Digitalisierungsinvestitionen weiter dynamisch an: Gut jedes vierte der 250 befragten privatwirtschaftlichen wie auch öffentlichen Immobilienunternehmen (27 Prozent) investiert mittlerweile mehr als 5 Prozent seines Jahresumsatzes in die digitale Transformation. Noch vor zwei Jahren lag dieser Anteil mit 14 Prozent gerade einmal bei der Hälfte.

Wofür die steigenden Budgets im Detail verwendet werden, bleibt indes unklar. Definitiv zu wenig scheint bislang jedenfalls in die Gewinnung entsprechender Fachkräfte zu fließen: "Fehlende personelle Ressourcen" werden von 72 Prozent der Befragten als die größte Herausforderung bei der Umsetzung einer Digitalisierungsstrategie erachtet. Seit nunmehr fünf Jahren, also seit Anbeginn der Studie, wird dieses Problem als gravierendste Hürde erachtet. Nur knapp dahinter (71 Prozent) folgt das wahrlich ebenfalls nicht neue Problem intransparenter Datenstrukturen sowie mangelnder Datenqualität. Nach Einschätzung von EY-Immobilienchef Christian Schulz-Wulkow hinkt die deutsche Immobilienwirtschaft hier vor allem deshalb zurück, weil andernorts der Datenaustausch unter den Marktteilnehmern oftmals schon viel verbreiteter sei. Immerhin: Die Bereitschaft zur Datenkollaboration mit Wettbewerbern ist in der aktuellen Befragung deutlich auf 59 (2019: 51) Prozent gestiegen.

Dass die Branche an dieser Stelle unbedingt zu Potte kommen muss, offenbart sich nicht zuletzt auch mit Blick auf die Mammutaufgabe "klimaneutraler Gebäudebestand bis 2050": "Ohne Digitalisierung lassen sich die Klimaziele nicht erreichen", ist Schulz-Wulkow überzeugt. Denn eine solide Datenbasis sei die Voraussetzung, um ESG-Vorgaben wie etwa die Reduktion von Verbräuchen und Emissionen überprüfen zu können. Das Thema Nachhaltigkeit dürfte somit langfristig betrachtet ein wesentlich wichtigerer Digitalisierungstreiber sein als die Corona-Pandemie. Zwar hat Letztere durchaus dazu beigetragen, auch die letzten verbliebenen Skeptiker vom Nutzen digitaler Technologien und Anwendungen zu überzeugen. Auf der anderen Seite erwartet ein Drittel der Befragten, dass finanzielle Mittel nach der Pandemie knapp sind und Investitionen zur Digitalisierung folglich geringer ausfallen werden. Die ZIA-EY-Digitalisierungsstudie wird somit wohl noch einige weitere Jubiläen, geprägt von kleinen Fortschritten, feiern dürfen. ph

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