Einzelhandel: Gewinner und Verlierer

Philipp Hafner, Quelle: Verlag Helmut Richardi

"Handel ist Wandel." So abgedroschen dieses vor langer Zeit von Führungskräften der Branche formulierte Mantra mittlerweile auch daherkommen mag - es war zugleich eben nie zutreffender als heute. Wie im Zeitraffer erlebt der Sektor derzeit kolossale Veränderungen, die durch Corona zwar nicht ausgelöst, aber doch erheblich verstärkt wurden. So haben sich beispielsweise Dienstleistungen wie Click & Collect oder Click & Meet in Windeseile zu Mainstream-Maßnahmen etabliert. Das verdient Respekt, gleichwohl konnten damit aber vor allem im Textil- und Modehandel die dramatischen Lockdown-bedingten Umsatzausfälle zumeist nicht annähernd kompensiert werden.

Dies führt bereits heute gut sichtbar zu steigendem Leerstand in Innenstädten und Shoppingcentern. Insbesondere die größere Filialisten bereinigen ihre Netze teils massiv, was wiederum die Mieten unter Druck setzt: Wie das IVD-Institut ermittelt hat, waren im Frühjahr 2020 bei einer Ladenfläche von 80 Quadratmetern in der Münchner Neuhauser Straße noch 410 Euro pro Quadratmeter fällig, im Frühjahr 2021 waren es schon nur noch 300 Euro, Tendenz weiter fallend. Mit Blick auf die betroffenen Immobilieneigentümer ist das zunächst einmal natürlich eine schmerzhafte Entwicklung, perspektivisch eröffnet sie möglicherweise aber auch Chancen für alternative, frische Nutzerkonzepte, die anstelle der x-ten Filiale einer Kette endlich wieder etwas mehr Vielfalt in die doch öde und austauschbar gewordenen deutschen Innenstädte bringen - "Impact Investing" lässt grüßen.

Mietvertragskonditionen aus Händlersicht (in Prozent) Quelle: EHI Retail Institute, Hahn Gruppe

Am Investmentmarkt machen institutionelle Anleger vorerst jedenfalls einen großen Bogen um besagte Highstreet-Lagen und Shoppingcenter. Das heißt aber freilich nicht, dass sie dem Einzelhandel komplett abgeschworen hätten: Fachmarktzentren und lebensmittelgeankerte Betriebstypen haben sich in der jüngeren Vergangenheit - auch dieser Trend existierte bereits vor Corona - zu echten Investorenlieblingen entwickelt. Die gewandelten Geschmäcker zeigen sich auch deutlich bei der Lektüre des jüngst zum sechzehnten Mal erschienenen "Retail Real Estate Report" der Hahn-Gruppe: Wo vor einigen Jahren noch klassische Konsumtempel wie Warenhäuser angepriesen wurden, erfährt man nun über die bemerkenswert dynamischen und voraussichtlich noch längst nicht abgeschlossenen Expansionskurse deutscher Supermarkt- und Discounterketten, Verbraucher- und Drogeriemärkte sowie SB-Warenhäuser (siehe dazu auch Interview mit Jan Riemann in diesem Heft).

Den Run auf diese Assets konnte Hahn-CEO Thomas Kuhlmann bei der Präsentation der Ergebnisse direkt mit handfesten Zahlen untermauern. Demnach haben Supermärkte und Discounter allein in den vergangenen zwölf Monaten eine enorme Renditekompression von 1,3 Prozentpunkten erfahren und rangieren mit einer Spitzenrendite von nur noch 3,90 Prozent inzwischen auf demselben Niveau wie Fachmarktzentren und SB-Warenhäuser. Bei aller Euphorie, die nicht zuletzt auch das Geschäft der Hahn-Gruppe beflügelt - zuletzt konnte die Schallmauer von 3 Milliarden Euro verwaltetem Vermögen (in über 190 Fonds) geknackt werden -, warnt Kuhlmann an dieser Stelle vor einem undifferenzierten Blick der Investoren: "Diese Gleichbehandlung von Fachmarktzentren und Supermärkten unterschätzt die Risiken von kleineren Solitärstandorten."

So ständen alleinstehende Supermärkte und Discounter dem Convenience-Gedanken beziehungsweise dem von Fachmarktzentren so prima erfüllten "One-Stop-Shopping-Ansatz" entgegen. Ein sicher valides Argument. Doch ob die vom Anlagedruck mehr denn je geplagten Anleger für solche Nuancen noch empfänglich sind? Am Ende könnte, frei nach Andi Möller, womöglich eher folgende Devise gelten: Fachmarkt oder Supermarkt - Hauptsache kein Shoppingcenter!

Philipp Hafner , Leitender Redakteur, Immobilien & Finanzierung , Helmut Richardi Verlag

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