Einzelhandel: Wer tut sich das noch an?

Philipp Hafner, Quelle: Verlag Helmut Richardi

Von der anhaltenden Hochstimmung am gewerblichen Immobilieninvestmentmarkt in Deutschland ist eine Assetklasse ausgenommen: die Einzelhandelsimmobilie. Dabei ist das im ersten Halbjahr 2018 laut BNP deutlich rückläufige Transaktionsvolumen in Höhe von rund 4,7 Milliarden Euro (minus 16 Prozent) zum Teil sicher auf die geringe Produktverfügbarkeit zurückzuführen. Gleichzeitig ist es aber mindestens ebenso ein Indiz für die zunehmend kritische Haltung vieler Investoren. Eindrucksvoll verdeutlicht wird dies beispielsweise von den Ergebnissen des aktuellen Investmentklimas von Union Investment: Demnach gedenken ganze 63 Prozent der 163 befragten Investmententscheider aus Deutschland, England und Frankreich in den nächsten zwölf Monaten die Finger von Handelsimmobilien zu lassen.

Fakt ist: Die Mietvertragskonditionen entwickeln sich derzeit tendenziell zugunsten der Einzelhändler, die Mietpreisniveaus tendieren seitwärts, die Modernisierungszyklen der Immobilien verkürzen sich und, als wäre all das nicht anspruchsvoll genug, sorgt das "Schreckgespenst" der Digitalisierung in Form des E-Commerce für enorme Verunsicherung. Seit Jahren wächst dieses Segment prozentual zweistellig und stellt viele stationäre Geschäftsmodelle vor Herausforderungen, auf die bislang nicht jeder Marktakteur angemessen vorbereitet zu sein scheint. Die aus der Not geborene Fusion der traditionsreichen, aber seit Jahren strauchelnden deutschen Warenhausinstitutionen Karstadt und Kaufhof ist ein gutes Beispiel für verschlafene Anpassungsmaßnahmen. Sofern das Kartellamt zustimmt, muss der vereinte Warenhauskonzern zügig zukunftsfähige Konzepte erarbeiten, um gerade bei den vom Onlinehandel verwöhnten jungen Konsumenten punkten zu können. Dazu gehören belebende Elemente wie die Schaffung von Verweilmöglichkeiten abseits des bloßen Shoppens - Stichwort "Erlebniseinkauf" - ebenso wie die Etablierung eines reibungslos funktionierenden Omnichannel-Konzepts im Sinne der digitalen Customer Journey. Eine ähnliche Mammutaufgabe wird im Übrigen auch den Käufer der derzeit von Metro feilgebotenen Warenhauskette Real im Rahmen der Neupositionierung am Markt erwarten.

Aus Sicht institutioneller Investoren wäre es gleichwohl ein Fehler, den Handelsimmobilienmarkt aufgrund solcher zweifellos existierenden Problemfälle gänzlich zu schmähen. Dass es für andere Retail-Objekttypen derzeit nämlich richtig gut läuft, offenbart beispielsweise der aktuelle Hahn Retail Real Estate Report 2018/2019. Insbesondere Fachmarktzentren mit ihrem ausgewogenen Mietermix aus Lebensmitteleinzelhändlern, Drogeriemärkten und Non-Food-Discount zeigen sich bemerkenswert immun gegenüber der Onlinekonkurrenz und dürften deshalb auch langfristig eine gute Miet- und Renditeperformance erzielen. Entsprechend entfielen laut dem Report im vergangenen Jahr bereits 6,2 Milliarden Euro (plus 17 Prozent) des hierzulande insgesamt getätigten Einzelhandelstransaktionsvolumens auf Fachmarktzentren, mehr als doppelt so viel wie die im Gegenzug stark an Bedeutung verlierenden Shoppingcenter. Hahn-Vorstand Thomas Kuhlmann betonte bei der Präsentation der Ergebnisse einen weiteren wichtigen Vorteil des Einzelhandels: Er weist traditionell eine vergleichsweise geringe Zyklizität auf. Während die derzeit so heiß begehrten Büro- und Logistikimmobilien stark von konjunkturellen Einflüssen geprägt sind und infolge der aktuell schwelenden Handelskonflikte oder des Rückgangs wichtiger Konjunkturindikatoren Schaden nehmen könnten, erweist sich der private Konsum und somit auch das Retailsegment in Abschwungphasen regelmäßig als überaus robust. Und möchte am Ende des Tages nicht ein jeder umsichtiger Investor einen auskömmlichen Anteil solch widerstandsfähiger Assets im Portfolio haben? ph

Noch keine Bewertungen vorhanden


X