Investmentmarkt Deutschland: nichts für Anfänger

Philipp Hafner, Quelle: Verlag Helmut Richardi

"Deutscher Investmentmarkt stellt Fabelrekord auf." Dass so einmal die Headline für das Immobilienjahr 2021 lauten würde, hätten ex ante wohl nicht einmal die kühnsten Optimisten für möglich gehalten. Tatsächlich hat JLL aber genau diese Formulierung gewählt, und zwar völlig zu Recht: Das Transaktionsvolumen (inklusive Mietwohnungen) summierte sich zum Jahresende auf insgesamt 111 Milliarden Euro, gleichbedeutend mit einem satten Plus von 36 Prozent gegenüber 2020.

Natürlich ist dieses neue Allzeithoch wesentlich geprägt von der 23,5 Milliarden Euro schweren Elefantenhochzeit von Vonovia und Deutsche Wohnen. Doch selbst wenn man diesen Sondereffekt herausrechnet, käme man mit 87,5 Milliarden Euro noch immer ganz nah an das bisherige Rekordjahr 2019 heran. Kurzum: Trotz strikter Corona-Regeln und zahlreicher Lockdowns war die Attraktivität des deutschen Immobilienmarktes auch 2021 ungebrochen hoch, und dies gilt im Übrigen quer durch alle Sektoren. Vom Boom bei Logistik-, Wohn- und Gesundheitsimmobilien einmal ganz abgesehen, vermochten selbst die gebeutelten Sorgenkinder Hotel und Retail zum Jahresende 2021 wieder optimistische Signale auszusenden.

Dass die Stimmung unter institutionellen Anlegern grundsätzlich gut ist, kommt denn auch in dem eben erschienenen "Trendbarometer Immobilien-Investmentmarkt 2022" von EY Real Estate zum Ausdruck. Hier schätzen 96 Prozent der 220 Befragten Immobilien-Investments in Deutschland im Jahr 2022 als "attraktiv" oder "sehr attraktiv" ein - im Vorjahr hatte dieser Wert gar noch etwas darüber bei 98 Prozent gelegen. Zudem erwarten 62 Prozent eine Seitwärtsbewegung des (um den Vonovia-Deal bereinigten) Transaktionsvolumens. Rund ein Drittel prognostiziert gar ein steigendes Transaktionsvolumen. Ist somit also alles eitel Sonnenschein in der deutschen Immobilienwirtschaft? Für EY-Real-Estate-Chef Christian Schulz-Wulkow wäre diese Einschätzung zu kurz gegriffen. Ja, die Branche sei bislang besser durch die Krise gekommen, als es die meisten erwartet hätten. "Für Entwarnung oder gar Sorglosigkeit gibt es allerdings keinen Anlass", so Schulz-Wulkow im Rahmen der Studienvorstellung.

Tatsächlich werden sich Corona, Lieferengpässe, Inflationsdruck (und damit die Gefahr steigender Zinsen), Nachhaltigkeit oder die die noch immer weitgehend ungeklärte Zukunft der (Büro-)Arbeit 2022 nicht einfach in Luft auflösen. Ein umsichtiges Vorgehen ist also mehr denn je angezeigt. Das gilt vor allem mit Blick auf die hohe Dynamik beim Thema ESG, denn hier trennt sich jetzt doch scheinbar ziemlich zügig die Spreu vom Weizen. So geben sage und schreibe 79 Prozent der von EY befragten Immobilienprofis an, dass mittlerweile Preisaufschläge für ESG-konforme Immobilien am Markt zu beobachten sind. Aus ureigenstem Interesse müsse die Immobilienwirtschaft deshalb nun die nachhaltige Transformation voll angehen - ansonsten drohe eine nicht zu unterschätzende Abqualifizierung der Assets, ist Schulz-Wulkow überzeugt. Ein sicher richtiger Befund, der angesichts ohnehin schon niedriger Renditen sowie einem ausgeprägten Handwerker- und Materialmangel allerdings nicht leichter in die Tat umzusetzen ist. Als zweischneidiges Schwert erachtet Schulz-Wulkow derweil die anziehende Inflation. Kurzfristig werde sie wohl als zusätzlicher Treiber für den Immobilien-Investmentmarkt wirken. Mittelfristig hänge aber viel davon ab, ob und wann die Geldpolitik reagiert. "Und langfristig müssen wir uns die Frage stellen, wie lange die Mietentwicklung der Teuerung nachfolgen kann", gibt der EY-Chef zu bedenken. Wie könnte nun also die Überschrift für das Immobilienjahr 2022 in rund zwölf Monaten lauten? Angesichts der vielen janusköpfigen Phänomene ist das diesmal besonders undankbar zu prognostizieren. "Ein Markt für Profis" scheint man die Gemengelage aber schon halbwegs trefflich zusammenzufassen. ph

Philipp Hafner , Leitender Redakteur, Immobilien & Finanzierung , Helmut Richardi Verlag
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