Nachhaltige Immobilien sind keine Erfindung unserer Zeit

Jürgen F. Kelber, Geschäftsführender Gesellschafter, Dr. Lübke & Kelber

Es begann als ausgefallenes Projekt auf dem Grundstück einer exzentrischen Unternehmerfamilie - und machte schnell Schule: Plötzlich wollte jeder Bauherr in New York einen Dachgarten als gemeinsam nutzbare Grünfläche auf seinem Gebäude. Eine Modeerscheinung unserer Zeit? Mitnichten, denn die Rede ist hier nicht vom "Urban Gardening". Wir sprechen von einem Bautrend aus den 1890er-Jahren, der durch die Entwicklung des ersten "Madison Square Garden" im Eigentum von Cornelius Vanderbilt befeuert wurde. Mit anderen Worten: Die Forderung nach "mehr Grün" oder auch "mehr Gemeinschaft" in den Metropolen ist kein neues Phänomen. Sie prägt Immobilienentwicklungen bereits seit Jahrhunderten. Entsprechende Forderungen und Kriterien sind nicht erst durch das Aufkommen des ESG-Begriffs entstanden. Vielmehr ist es genau umgekehrt - die umwelt- und sozialrelevanten Kriterien, die eine weitsichtige Entwicklertätigkeit schon immer geprägt haben, er halten nunmehr einen rechtlich verbindlichen Rahmen.

Besonders interessant ist daher der Blick auf diejenigen Projekte, die vor fünf oder zehn Jahren konzipiert wurden und inzwischen entwickelt sind. Beispielsweise wurden bereits Anfang und Mitte der 2010er-Jahre Inklusionswohnungen im Rahmen einer breit durchmischten Wohnprojektentwicklung realisiert - inklusive Gemeinschaftsflächen als gemeinsamer Lebensmittelpunkt. Auch wenn es damals noch nicht unbedingt "Quartier" hieß, wurden bereits Kriterien erfüllt, die heutzutage klar zum "S" in ESG zählen. Besonders aber lohnt sich ein Blick auf die Projekte aus dem vergangenen Jahrzehnt, bei denen die derzeit wichtigen nachhaltigen Entwicklerstrategien erstmals in ihren Vorformen umgesetzt wurden. Wer sich intensiv mit solchen Projekten beschäftigt, erhält wichtige Erkenntnisse für die Zukunft: Er kann ermitteln, wie sich die damaligen Konzepte noch verbessern lassen. Beispielsweise hat sich gezeigt, dass Inklusionswohngemeinschaften umso besser funktionieren, je mehr Bewohner sich eine Einheit teilen. Auch die tatsächliche Nutzung der Freizeit- und Gemeinschaftsflächen lässt wichtige Rückschlüsse für kommende Entwicklungen zu.

Ähnlich wichtig ist jedoch auch die Tatsache, dass sich solche Immobilien noch Jahre nach Baufertigstellung ohne großen Zusatzaufwand managen lassen - und auch die dahinterliegenden wirtschaftlichen Konzepte erfolgreich sind. Dies gilt zum Beispiel für die Quersubventionierung einzelner Wohneinheiten für Studenten oder Menschen mit geringerem Einkommen durch die übrigen nicht preisgedämpften Wohnungen. Der wirtschaftliche Erfolg dieser Immobilien schafft dann den Beweis, dass sich für institutionelle wie auch für private Anleger Fondsprodukte, die auf ökologisch und sozial nachhaltigen Wohnportfolios basieren, allemal durchsetzen können. Aber auch für den Gesetzgeber kann sich ein solcher Blick auf bestehende Projekte durchaus lohnen. Sie zeigen, was in Sachen ESG-Richtlinien machbar und gleichzeitig bezahlbar ist - im Unterschied zu den immer höheren Standards, die gesetzlich vorgegeben werden, aber aus Sicht des Entwicklers in einigen Fällen schlichtweg unwirtschaftlich sind.

Jürgen F. Kelber , Geschäftsführender Gesellschafter , Dr. Lübke & Kelber GmbH, Frankfurt am Main
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