Notenbanker-Sehnsüchte

Joachim Nagel ist nicht nur Bundesbankvorstand, sondern auch ein echter Kapitalmarktspezialist. Das macht ihn zu einem gern gesehenen Redner auf Veranstaltungen und Teilnehmer an Diskussionsrunden, wo er immer wieder mit Schlagfertigkeit und Humor überrascht. Kürzlich gab er bei einem solchen Anlass einen tieferen Einblick, welche Sehnsüchte er als Notenbanker so hat: Er wünscht sich sehnsüchtig die alten Zinstender zurück. Anstatt praktisch unbegrenzt an Notenbankgeld zu kommen, müssten Banken wie vor der Finanzkrise für das Geld der Zentralbanken bieten. Obwohl sich an der Politik der EZB bis auf Weiteres wenig ändern wird, so hat Joachim Nagel doch noch Chancen, seinen geliebten Zinstender live zu erleben: Zum einen wird er kommendes Jahr erst 50. Zum anderen zeigte er sich, durchaus zur Überraschung vieler Teilnehmer der vom Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) und vom Institut für bankhistorische Forschung (IBF) organisierten Konferenz, nicht davon überzeugt, dass die EZB bald Teil 2 des Quantitative Easing verkünden wird. Er warnte dagegen vorausschauend, dass Banken sich darauf vorbereiten müssen, auch ohne Überliquidität leben zu können.

Das ist für Louis Hagen nicht wirklich ein Thema. Ihn schmerzt vielmehr die Regulierung. Unter dem Motto "die Refinanzierung der Banken in schwierigen Zeiten" plädierte der Vorstandssprecher der Münchener Hypothekenbank für eine Änderung der Anforderungen bei der Berechnung der Leverage Ratio, die er als Killer bezeichnete, um Banken mit margenarmen und sicheren Krediten nicht die Arbeitsgrundlage zu entziehen. Er befürchtet auch, dass eine starke Begrenzung der Ausleihungen einige Wettbewerber dazu verleiten wird, künftig mehr Risiken einzugehen. Da spricht eindeutig der geschulte Hypothekenbanker. Und noch ein weiteres Thema beunruhigt die Vertreter der Kreditwirtschaft.

So zeigte sich Michael Reuther, der Kapitalmarktvorstand der Commerzbank, besorgt über die geplante "Schlechterstellung" von unbesicherten Bankanleihen gegenüber Einlagen. Damit ist Michael Reuther nicht alleine. Die Bundesregierung hat europäische Vorgaben umzusetzen und sich dabei für den Weg der unterschiedlichen Rangfolge entschieden. Hierbei scheint wohl der Wunsch der Deutsche Bank, diese Variante zu wählen, eine wichtige Rolle gespielt zu haben. Für Deutschlands Bankgiganten wäre es sonst wohl unmöglich gewesen, die Anforderungen der für global systemrelevante Banken geltenden Auflagen (TLAC) für das Vorhalten von Bail-in-fähigen Titeln zu erreichen. Würde es die gesetzliche Abstufung nicht geben, hätte die Bank sonst in riesigem Umfang entsprechende Titel neu begeben müssen, was die Aufnahmekapazität des Marktes gesprengt hätte und nicht erst durch den präsentierten Milliarden-Verlust klar wurde. Es wird nicht die letzte Pflege gewesen sein, die die Deutsche Bank als Sorgenkind des Sektors brauchen wird. Die Stabilität des eigenen Finanzsystems ist für Notenbanker natürlich stets auch eine Sehnsucht. ber

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