Trendwende am NPL-Markt

Philipp Hafner, Redakteur, Foto: Verlag Helmut Richardi

"The Times They Are A-Changin'" - an diesen Klassiker von Bob Dylan fühlt man sich in Zeiten von Corona des Öfteren erinnert. Ziemlich gut beschreibt er dabei sicher auch die neue Lage am NPL-Markt. Um ein besseres Bild von der Stimmung am deutschen Markt für notleidende Kredite zu zeichnen, hatte die Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing (BKS) vor fünf Jahren das NPL-Barometer gestartet. Große Beachtung fand das im Halbjahresturnus erscheinende Barometer indes nicht - dafür herrschte einfach zu wenig Bewegung auf dem seit vielen Jahren infolge robuster Konjunktur und steigender Immobilienpreise quasi ausgetrockneten Markt.

Doch das scheint sich nun innerhalb kurzer Zeit zu ändern, denn die Corona-Krise haucht dem Segment definitiv neues Leben ein. In der aktuellen Untersuchung erwartet erstmals eine große Mehrheit der 50 befragten Kredit- und Risikomanager aus deutschen Kreditinstituten für die kommenden zwölf Monate steigende NPL-Bestände, verstärkte Forderungsverkäufe, sinkende Transaktionspreise sowie einen stärkeren Fokus auf die Auslagerung von Portfolios - kurzum: einen deutlich aktiveren Markt für den Handel mit notleidenden Krediten. Folgerichtig ist der die Zukunftserwartung abbildende Barometerwert, der zwischen plus 1,00 (wachsender NPL-Markt) und minus 1,00 (rückläufiger NPL-Markt) schwankt, auf 0,42 und damit den "mit großem Abstand höchsten je gemessenen Wert seit Beginn der Erhebung" geschnellt, so die BKS.

Hinsichtlich der Gesamt-NLP-Bestände in Deutschland rechnen die Teilnehmer des Barometers im Durchschnitt mit einem Anstieg von 33 Milliarden Euro (2019) auf 45 Milliarden Euro bis Ende 2020 und auf 59 Milliarden Euro bis Ende 2021. Prozentual entspräche dies einem Anstieg von derzeit rund 1,3 auf 2,3 Prozent. Nach Einschätzung der BKS könnte das Volumen fauler Kredite bis 2023 sogar auf 100 Milliarden Euro steigen. Zu den größten Sorgenkindern in den Bankbilanzen gehören laut Umfrage neben KMU- und unbesicherten Konsumentenkrediten auch Immobiliendarlehen. Insbesondere im Bereich der gewerblichen Finanzierungen droht Ungemach: Hier befürchten 62 Prozent der befragten Risikoexperten einen steigenden Bestand an notleidenden Krediten in den kommenden zwölf Monaten, für die zugehörige NPL-Quote wird ein Anstieg von durchschnittlich 2,24 auf 3,50 Prozent im Jahr 2021 prognostiziert. Zudem rechnen 61 Prozent der Befragten mit sinkenden Preisen auf den gewerblichen Immobilienmärkten in Deutschland. Bei Wohnimmobilien sind es zum Vergleich lediglich 27 Prozent - mit ein wesentlicher Grund dafür, dass in dieser Assetklasse weniger Ausfälle (Prognose NPL-Quote: 1,43 auf 1,94 Prozent) erwartet werden.

Es droht also keine massive "NPL-Welle", und doch wird damit der Frage nach einem möglichst effizienten Management von (Immobilien-)Problemkrediten in Zukunft wieder deutlich mehr strategisches Gewicht zukommen. In den vergangenen Jahren waren viele Institute dazu übergangen, ihre NPL-Bestände mittels inhouse etablierter Workout-Einheiten zu bearbeiten. Das funktionierte hervorragend, denn die Schönwetter-Rahmenbedingungen (gute Konjunktur, niedrige Arbeitslosigkeit und steigende Immobilienpreise) sorgten für hohe Rückzahlungsquoten und Verwertungserlöse bei den zumeist ohnehin überschaubaren notleidenden Forderungen. Dieses Narrativ wird sich infolge von Corona allerdings nur in den wenigsten Fällen fortschreiben lassen, womit tendenziell der Druck zum Verkauf an NPL-Investoren beziehungsweise zur Hinzuziehung externer Servicer steigt. Und noch ein Faktor sollte in diesem Zusammenhang nicht unterschätzt werden: Auch wenn die Aufsichtsbehörden ob der besonderen Umstände derzeit ungewohnt kulant auftreten, so wird sich das regulatorische Umfeld perspektivisch weiter verschärfen, Stichwort Basel IV: Die hier implizierten strikteren Eigenkapitalvorschriften könnten dem NPL-Verkauf zusätzlichen Schub im Sinne einer verbesserten Eigenkapitalquote verleihen. ph

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