Kann das wirklich überraschen?

Philipp Otto

Foto: Fritz Knapp Verlag

Deutschland hat ein Problem. Oder sogar gleich zwei. Während manche Landstriche nahezu veröden, kann sich eine normale Familie in den Ballungszentren kaum noch eine Wohnung, geschweige denn ein Haus leisten, wenn es denn überhaupt freie Objekte zu mieten oder kaufen gibt. Um den Bedarf zu decken, müssten laut Expertenschätzungen hierzulande Jahr für Jahr etwa 350 000 bis 400 000 Wohnungen gebaut werden. Die tatsächlichen Fertigstellungen liegen mit rund 300 000 Objekten aber spürbar unter diesen Anforderungen.

Entsprechend bemüht zeigt sich die schwarz-rote Bundesregierung. Staatssekretär Gunther Adler bekräftigt im Interview mit der "I & F" in der Neujahrsausgabe noch einmal das Ziel, dass in den kommenden vier Jahren rund 1,5 Millionen Wohnungen und Eigenheime frei finanziert und öffentlich gefördert gebaut werden. Dafür wurden auf dem großen Wohngipfel im vergangenen Jahr verschiedene Maßnahmen beschlossen, unter anderem das Baukindergeld, mit dem über zehn Jahre lang gezielt Familien mit Kindern, die zum ersten Mal Wohneigentum erwerben, staatlich gefördert werden. Ob dabei gekauft oder gebaut wird, ist unerheblich. Lediglich die Einkommensgrenze von 75 000 Euro an zu versteuerndem Haushaltseinkommen plus einem Freibetrag bis zum zweiten Kind von jeweils weiteren 15 000 Euro stellt eine gewisse Begrenzung dar, die sicherstellen soll, dass die Förderung auch tatsächlich bei denjenigen Familien ankommt, die diese auch tatsächlich benötigen.

Das Interesse war groß: In den ersten drei Monaten beantragten laut KfW und Bundesbauministerium 47 741 Familien in Deutschland das Baukindergeld. Mit 10 728 kamen die meisten Anträge dabei aus Nordrhein-Westfalen, gefolgt von 6 407 in Baden-Württemberg und 6 039 aus Niedersachsen. Entsprechend groß war der Jubel der Politik, vor allem der Regierungsverantwortlichen. Nun aber kam der Dämpfer, denn auf eine Anfrage der Linken musste ein geräumt werden, dass bis Ende November nur etwa jeder achte Antrag für ein Neubauvorhaben gestellt wurde, 87,7 Prozent der Anträge betrafen den Erwerb von Bestandsimmobilien. Damit erfüllt das Instrument zwar immer noch seinen Zweck, es ermöglicht Familien mit Kindern den Eigenheimerwerb. Allerdings trägt das Baukindergeld so in keinster Weise zur Entlastung der angespannten Wohnungssituation bei und unterstützt auch nicht das Ziel der Regierung von den angesprochenen 1,5 Millionen neuen Wohnungen und Häusern. Vielmehr ist zu befürchten, dass die staatlichen Mittel, immerhin insgesamt rund 3 Milliarden Euro, die Immobilienpreise in den gefragten Regionen weiter in die Höhe treiben werden, da mehr Käufer auf den Markt treten.

Empörung ist aber fehl am Platz. Denn Kritik am Baukindergeld ist keineswegs neu. So heißt es beispielsweise in einer Studie des IW Köln vom Frühjahr 2018: "Angesichts der aktuell hohen Nachfrage bei geringem Baulandangebot werden jedoch solche Förderungen vor allem dazu führen, dass Baulandpreise weiter ansteigen. Zudem besteht insbesondere bei dem geplanten Baukindergeld die Gefahr, dass Anreize gesetzt werden dort zu bauen, wo aufgrund der demografischen Entwicklung Bauzurückhaltung notwendig wäre." Ähnlich klingt die Kritik, die der Bundesrechnungshof im Vorfeld der Einführung geäußert hat. Denn neben den "erheblichen finanziellen Folgen" für den Bundeshaushalt gibt es laut dem Bericht des Bundesrechnungshofs auch "bedenkenswerte inhaltliche Aspekte". Erfahrungen mit der ähnlich ausgestalteten früheren Eigenheimzulage zufolge ist es damals zu "erheblichen Mitnahmeeffekten und zudem Immobilienpreissteigerungen" gekommen.

Zwar wird wie immer erst zum Schluss abgerechnet, aber es ist heute schon zu vermuten, dass diese Subvention einmal mehr ihre erwünschte Wirkung verfehlen wird. Gleichzeitig wird zudem vonseiten der Kommunen mit fragwürdiger Bauland-Vergabepolitik und steigenden Nebenkosten das Bauen weiter verteuert. So wird es schwer, die selbst gesteckten Ziele zu erreichen. P.O.

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