Ein gefährliches Tandem?

Philipp Hafner, Quelle: Verlag Helmut Richardi

Weder Jens Weidmann noch Francois Villeroy de Galhau oder Olli Rehn: Die im Vorfeld hochgehandelten Anwärter auf die Nachfolge Mario Draghis an der Spitze der EZB sind allesamt leer ausgegangen. Stattdessen fiel die Wahl nach einem langwierigen und ziemlich holprigen Auswahlprozess durch die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union überraschenderweise auf Christine Lagarde. Über ihre geldpolitische Haltung ist bislang relativ wenig bekannt. Mit Blick auf die EZB-Geldpolitik in den vergangenen Jahren hat sie sich ab und an geäußert. Grundsätzlich befürwortete sie dabei den expansiven Kurs ebenso wie den Einsatz unkonventioneller Maßnahmen wie das QE-Programm. Dieser Pragmatismus dürfte ihr vor allem im Vergleich zu Jens Weidmann die Unterstützung der südeuropäischen Eurostaaten gesichert haben.

Das öffentliche Echo auf die Nominierung der 63-jährigen Französin war jedenfalls zweigeteilt: Einerseits wurde wohlwollend hervorgehoben, dass Lagarde in ihrer Zeit als französische Wirtschafts- und Finanzministerin (2007 bis 2011) sowie als IWF-Chefin (2011 bis 2019) ihr Talent als geschickte und exzellent vernetzte Kommunikatorin und (Krisen-)Managerin unter Beweis gestellt hat. Diese Qualitäten sind zweifellos auch in ihrer künftigen Rolle als EZB-Präsidentin von Vorteil, beispielsweise hinsichtlich der dringend zu leistenden Überzeugungsarbeit bei europäischen Fiskalpolitikern, die Lasten der ökonomischen Stabilisierung nicht noch stärker bei der EZB abzuladen. Vielleicht hat sie dabei mehr Erfolg als Draghi und kann zumindest etwas Druck von der EZB nehmen.

Andererseits waren aber auch durchaus kritische Stimmen zu vernehmen. Insbesondere die Tatsache, dass mit der Juristin erstmals eine Person ohne ökonomische Ausbildung und Erfahrung in der Geldpolitik gestandenen Ökonomen vorgezogen wurde, sorgte für mancherlei Stirnrunzeln. Ihr fehlendes geldpolitisches Detailwissen dürfte letztlich dazu führen, dass der Einfluss des neuen EZB-Chefvolkswirt Philip Lane steigen wird. Und für Kritiker des ultraexpansiven EZB-Kurses verheißt das nichts Gutes, denn der Ire ist der Inbegriff einer geldpolitischen Taube. So hat er etwa die Diskussion über eine Änderung des starren und zunehmend realitätsfremd anmutenden EZB-Inflationsziels von zwei Prozent wiederholt und unverblümt als "irrelevant" zurückgewiesen. Wenig hält er auch von dem - objektiv betrachtet durchaus legitimen - Argument, wonach Notenbanken beizeiten einen geldpolitischen sPuffer aufbauen sollten, um im Falle eines Abschwungs über ausreichend Schlagkraft zu verfügen: Diese Ansicht sei "absolut nicht überzeugend".

Die Zeichen unter dem künftigen Tandem Lagarde/Lane stehen offensichtlich also auf noch mehr billigem Geld und weiter fallenden Leitzinsen. An den Märkten hat sich diese Erwartungshaltung in den vergangenen Wochen bereits deutlich widergespiegelt: Die Renditen vieler Staatsanleihen eilen von Tief zu Tief - zehnjährige Bunds handelten Mitte Juli sogar erstmals teurer als die Strafgebühr für Überschussliquidität in Höhe von 0,4 Prozent - und gleichzeitig steigen risikobehaftete Vermögenswerte wie Aktien oder Unternehmensanleihen. Wirklich nachhaltig erscheint die neuerliche Hausse somit nicht und die EZB täte gut daran, ihr Handeln auch endlich einmal stärker auf mögliche Übertreibungen an den Finanzmärkten zu hinterfragen. Hoffentlich erinnert sich Christine Lagarde in diesem Zusammenhang noch an die Turbulenzen in der letzten Krise, deren Auswirkungen nicht zuletzt sie und der IWF bekämpfen mussten.

Unterdessen haben die Konditionen für Immobiliendarlehen in Erwartung an erneute Lockerungen der Geldpolitik nochmals nachgegeben. Laut der Interhyp AG fielen die Konditionen für zehnjährige Baukredite Mitte Juli auf ein neues Allzeittief von 0,93 beziehungsweise 1,53 Prozent. "Nie war es in der Geschichte der Bundesrepublik günstiger, eine Immobilienfinanzierung auf den Weg zu bringen - ob für den Bau, den Immobilienkauf oder für eine Umschuldung", so Interhyp-Vorständin Mirjam Mohr. ph

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